Münchner revolutioniert Nachhilfe: Künstliche Intelligenz statt teurem Lehrer

Mathe bereitet vielen Schülern Probleme, doch Nachhilfe ist teuer. Ein junger Münchner hat eine Lösung entwickelt: Künstliche Intelligenz hilft beim Üben.
Anna-Maria Salmen |
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Friedrich Wicke hat ein Programm entwickelt, bei dem eine Künstliche Intelligenz Mathe-Nachhilfe gibt.
Friedrich Wicke hat ein Programm entwickelt, bei dem eine Künstliche Intelligenz Mathe-Nachhilfe gibt. © Martha Schlüter

München - Drei Schüler sitzen vor dem Bildschirm, auf dem Plan steht an diesem Vormittag eine Mathestunde per Videokonferenz. Die Aufgabe, die es zu lösen gilt, lautet: Was ist der Exponent bei sieben mal sieben mal sieben? "Die Lösung ist drei", sagt eine Schülerin. "Super gemacht", tönt es aus dem Lautsprecher des Computers.

Doch auf dem Bildschirm ist kein klassischer Nachhilfelehrer zu sehen: Eine Künstliche Intelligenz (KI) leitet die Stunde.

Rechner statt Lehrer: Ein Münchner hat eine KI-Nachhilfe entwickelt
Rechner statt Lehrer: Ein Münchner hat eine KI-Nachhilfe entwickelt © Martha Schlüter

KI-gesteuerte Mathe-Nachhilfe: Die Zukunft des Lernens?

Erfunden hat das Programm mit dem Namen "Bloom" ein ehemaliger Schüler des Wilhelmsgymnasiums, Friedrich Wicke, gemeinsam mit einem Freund. Der 24-Jährige hatte selbst keine allzu großen Probleme mit Rechenaufgaben: Nach dem Abi hat er Mathe und Informatik studiert und eine gemeinnützige Organisation gegründet, die kostenlose Programmierkurse für Mädchen an Schulen anbietet. Doch er weiß, dass das Fach nicht allen so leicht fällt: "Für viele ist es ein Leidens-Thema."

Wicke wollte das ändern und hat zunächst kurze Mathe-Videos in einer eigenen App produziert. Die aber haben sich, so sagt er, nur Menschen angeschaut, die sowieso schon interessiert waren an Gleichungen oder Exponentialfunktionen. "Wir sind also einen Schritt zurückgegangen."

Der Entwickler Friedrich Wicke an seiner alten Schule.
Der Entwickler Friedrich Wicke an seiner alten Schule. © Martha Schlüter

Wie kommt man von der Angst vor Mathe dazu, sich an komplexe Aufgaben zu trauen? Von der Schulnote vier zur zwei? Wicke glaubt, dass das am besten mit Privatnachhilfe funktioniert. Aber die kann ins Geld gehen: Unter 25 Euro gibt es die Stunde in München nicht, sagt der junge Entwickler.

Friedrich Wicke: Münchner Entwickler hinter KI-Nachhilfe "Bloom"

Eine seiner Kundinnen im KI-Programm hat drei Kinder, jedes nimmt wöchentlich eine Stunde. In der klassischen Nachhilfe wäre sie also schon bei mindestens 75 Euro pro Woche. Wicke ist der Ansicht, dass das mit der KI einfacher und vor allem günstiger geht: In seinem Programm kostet eine Stunde nur zwei Euro.

"Wir geben uns viel Mühe, die Schwelle niedrig zu halten", sagt der 24-Jährige. Zugänglich ist "Bloom" über einen Link, wahlweise auch auf dem Handy. Installieren muss man nichts. Theoretisch kann man die Nachhilfe sogar in einer anderen Stadt nutzen.

"Bloom" heißt das Nachhilfeprogramm, das derzeit rund 100 Nachhilfestunden pro Woche gibt. Eine Stunde kostet zwei Euro.
"Bloom" heißt das Nachhilfeprogramm, das derzeit rund 100 Nachhilfestunden pro Woche gibt. Eine Stunde kostet zwei Euro. © Martha Schlüter

Vor den Stunden gibt man Bescheid, welcher Stoff in der Schule gerade Thema ist. Die KI erstellt dann selbst eine Nachhilfe-Einheit. Wie bei einer Videokonferenz wählt man sich ein, statt des Nachhilfelehrers erscheint in der Kachel neben dem eigenen Gesicht allerdings das Symbol einer Blume.

"Wollen wir weitermachen?", fragt die Stimme. Schritt für Schritt werden dann kleine Aufgaben gelöst. "Überleg nochmal", heißt es, wenn man eine falsche Antwort gibt. Kommt man auch nach mehreren Versuchen und mit zusätzlichen Erklärungen nicht auf die richtige Lösung, rechnet die KI die Aufgabe Schritt für Schritt vor.

"Wichtig, Schüler nicht zu überfordern": Das sagt der Entwickler zu seiner Nachhilfe-KI

Es sei wichtig, die Schüler nicht zu überfordern, sagt Wicke. Der Start wird deshalb immer relativ einfach gestaltet, "um die Schwellenangst abzubauen". Er hat festgestellt, dass die Kinder und Jugendlichen dann mehr Spaß am Lernen haben, als wenn sie von Anfang an nicht weiterkommen. "Sie sollen nicht frustriert werden oder schlechte Laune bekommen."

Stattdessen erinnert das Programm ein wenig an ein Computerspiel: Bei einer richtigen Antwort gibt es einen Ton, bei mehreren flackert sogar ein kleines Feuerwerk über den Bildschirm.

Für jede korrekte Lösung bekommt der Schüler eine digitale Münze. Hat man genug gesammelt, kann man sie in Belohnungen eintauschen. Für 1000 Münzen kann man die Computerstimme beispielsweise wie Markus Söder klingen lassen.

Spielerische Nachhilfe, mit Söder oder Thomas Müller als KI-Stimme

Ob das wirklich eine Belohnung für die Schüler ist, ist wohl individuell. Schmunzeln lässt es aber in jedem Fall. Laut Wicke arbeiten die beiden Entwickler momentan auch daran, die Stimmen etwa von Spielern des FC Bayern einzubauen oder einen kleinen Avatar als Lehrer anzuzeigen, den man individuell anpassen kann und der bei richtigen Antworten jubelt oder tanzt.

Wicke spricht von einer Gratwanderung: Einerseits könne es zwar motivieren, wenn etwa die Stimme von Thomas Müller die Matheaufgabe vorliest. "Aber es soll auch nicht zu sehr ablenken."

Über ein Protokoll der Stunde, das die KI erstellt, kann man nachvollziehen, ob die Schüler wirklich mitmachen – oder das Programm nur im Hintergrund laufen lassen. Wie der 24-Jährige beobachtet hat, sind die Schüler im Normalfall tatsächlich die gesamte Stunde über konzentriert. Wenn man sich mit jemandem unterhalte, habe man eben eine andere Verantwortung, als wenn man nur vor einem Buch sitze. Statt mit einem menschlichen Nachhilfelehrer unterhält man sich bei "Bloom" mit dem Computer.

Das hat freilich Grenzen: "Menschliche Interaktionen kann die KI nur bedingt imitieren", räumt Wicke ein. Witze machen kann sie zum Beispiel nicht. "Aber wir glauben, dass wir schon recht nah rankommen", meint der Entwickler.

"Emotionaler Aspekt ist wichtig": Worauf der Entwickler bei seiner Nachhilfe-KI Wert legt

Ähnlich wie ein echter Lehrer erkennt das Programm den jeweiligen Fortschritt des Schülers und kann die Schwierigkeit entsprechend anpassen. Die KI geht laut Wicke individuell auf jeden Nutzer ein: "Mit einem Einser-Schüler muss man anders umgehen als mit jemandem, der Schwierigkeiten hat." Auch loben oder ermutigen kann die Stimme. "Dieser emotionale Aspekt ist wichtig."

40 Familien nutzen "Bloom" momentan. Weil oft auch Geschwisterkinder mitmachen, gibt die KI mehr als 100 Nachhilfestunden pro Woche. Oft hätten die Eltern einen Migrationshintergrund, sagt Wicke. Sie würden zwar Deutsch sprechen, aber nicht gut genug, um mit ihrem Kind Textaufgaben aus der achten Klasse zu lösen. Manchmal nehmen dann sogar die Eltern eine Stunde, wie der 24-Jährige sagt – zum Beispiel, um Deutsch zu üben. Der Fokus des Programms liegt zwar auf Mathe, aber auch in Deutsch und Englisch kann die KI Nachhilfe geben.

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Zielgruppe gesucht: Wie es mit der Nachhilfe-KI "Bloom" weitergeht

Die Entwicklung läuft laut Wicke erst seit wenigen Monaten, daher gebe es durchaus noch Herausforderungen. Noch habe "Bloom" ein paar "Kinderkrankheiten", wie er sagt. Mit manchen Dialekten habe es zum Beispiel Probleme.

Aktuell sei es außerdem noch schwierig, die Zielgruppe zu erreichen. Die Entwickler arbeiten daher mit dem Wilhelmsgymnasium zusammen. Dort werden die Schüler auf die Möglichkeit hingewiesen, wie Schulleiter Michael Hotz sagt.

Verbesserungen seien immer möglich, sagt Wicke. Momentan sei die KI auf dem Niveau eines recht guten Nachhilfelehrers. "Sie kann aber auch noch wie ein richtig guter werden."

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