Interview

Münchner Oberarzt: "Bei Post Covid lohnt sich oft Akupunktur"

Die Nadeltherapie kann Schmerzen lindern und dazu beitragen, dass Betroffene wieder mehr zu Fuß schaffen. Spezielle Studien dazu gibt es noch nicht.
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Eine Frau lässt sich Akupunktur-Nadeln setzen - ein Verfahren, das bei verschiedenen Beschwerden eingesetzt wird.
Eine Frau lässt sich Akupunktur-Nadeln setzen - ein Verfahren, das bei verschiedenen Beschwerden eingesetzt wird. © imago images/Westend61

AZ-Interview mit Prof. Dr. Dominik Irnich: Der Oberarzt an der Klinik für Anaesthesiologie und Leiter der Interdisziplinären Schmerzambulanz am LMU-Klinikum ist Vorsitzender der Deutschen Ärztegesellschaft für Akupunktur (DÄGfA).

Prof. Dr. Dominik Irnich
Prof. Dr. Dominik Irnich © privat

"Die schmerzlindernde Wirkung ist in großen Studien nachgewiesen"

AZ: Herr Irnich, Post-Covid-Patienten sind oft verzweifelt, laufen von Arzt zu Arzt. Warum kann hier Akupunktur ein Ansatzpunkt sein?
Dominik Irnich: Die Akupunktur wirkt nachgewiesenermaßen durch Ausschüttung und Regulation körpereigener Botenstoffe und aktiviert zentrale Mechanismen im Gehirn und im Rückenmark. Beschrieben sind unter anderem Wirkungen auf das Schmerzhemm-, das Immun- und das Hormonsystem. Die schmerzlindernde Wirkung ist in großen Studien nachgewiesen, für Wirkungen auf Lungen- und Herz-Kreislauffunktion sowie bei psychischen und psychosomatischen Störungen liegen positive Studien vor.

Sie erwähnen Studien zu Akupunktur allgemein. Wie sieht es speziell zu Post Covid aus?
Aussagekräftige Post-Covid-Therapiestudien gibt es für die Traditionelle Chinesische Medizin, kurz TCM, genauso wenig wie für schulmedizinische Verfahren. Alle aktuellen medizinischen Empfehlungen beruhen auf Erfahrungen und Herleitungen.

Akupunktur auch hilfreich im Kampf gegen Geschmacks- und Geruchsverlust

Post Covid hat viele Gesichter - von Atembeschwerden, andauernder Erschöpfung bis hin zu vermindertem Riechen und Schmecken. Bei welchen Beschwerden konkret kann Akupunktur eingesetzt werden?Viele Patienten berichten über Gelenk- und Muskelschmerzen, da kann die Akupunktur sehr gut Schmerzen lindern. Bei Atembeschwerden kann die Akupunktur die Lungenkapazität erhöhen und die beschwerdefreie Gehstrecke verbessern. Sehr gut sind unsere Erfahrungen mit Akupunktur bei Riech-und Schmeckstörungen. Auch bei Schlafstörungen und depressiver Verstimmung sehen wir Verbesserungen nach der Nadeltherapie.

Das klingt vielversprechend.
Bei Post Covid werden bis zu 200 verschiedene Symptome beobachtet, oft lohnt sich ein Versuch mit Akupunktur. Qualifizierte Akupunktur-Ärzte können einschätzen, ob sich ein Versuch lohnt oder ob andere medizinische Maßnahmen mehr Erfolg versprechen. Wunder dürfen nicht erwartet werden.

Bis zu welchem Schweregrad von Post Covid kann die Nadeltherapie aus Ihrer Sicht eine Möglichkeit der Behandlung sein?
Es besteht Einigkeit, dass bei Post Covid mit schweren Verläufen - das heißt, die oder der Betroffene kann die täglichen Aktivitäten zu Hause oder in der Arbeit nicht mehr ohne Hilfe erledigen - zunächst eine ausführliche medizinische und psychologische Diagnostik notwendig ist. Die aktuelle ärztliche Leitlinie fordert bei diesen schweren Verläufen ein interdisziplinäres Vorgehen, das heißt, fachärztliche Behandlung je nach Hauptbeschwerde, Psychosomatik und Bewegungstherapie. Rehabilitative und physiotherapeutische Maßnahmen haben einen hohen Stellenwert. Die Akupunktur kann hier unterstützen, natürlich auch bei milderen Verläufen.

Erst Untersuchung, dann Aufklärung, dann Therapie

Wie läuft eine solche Akupunktur-Behandlung ab?
Eine gute Behandlung beginnt mit einer ausführlichen Befragung und Untersuchung. Dann folgt die Aufklärung und es wird ein individuelles Therapieschema erstellt. Die Nadeln werden am liegenden Patienten gesetzt. Es folgt eine Ruhephase mit liegenden Nadeln von 20 bis 40 Minuten. Gute Akupunkteure beherrschen verschiedene Techniken. Vor jeder Behandlung sollte aber unbedingt eine schulmedizinische Diagnose gestellt werden, um unnötige Behandlungen zu vermeiden. Diese Sicherheit bietet ärztliche Akupunktur. In der Regel besteht eine erste Behandlungsserie aus acht bis zwölf Sitzungen, ein- bis zweimal pro Woche.

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Welche Anwendungen aus der Chinesischen Medizin können bei Post Covid noch wirksam sein?
Qigong, die chinesische Atem- und Bewegungstherapie, ist eine hervorragende rehabilitative Maßnahme für Lungen, Kreislauf und Bewegungssystem. Tuina, die chinesische Manualtherapie, entspannt die Muskulatur, mobilisiert die Gelenke und kann Schmerzen lindern. Darüber hinaus bietet die TCM auch Ernährungstherapie und gibt Hinweise auf die Lebenspflege. Die chinesische Arzneitherapie wurde besonders in China in den meisten Krankenhäusern bei Covid-19 Erkrankten zusätzlich zur westlichen Schulmedizin angewendet. Die Erstellung der Rezepturen erfordert viel Wissen und Erfahrung. Abgesehen von den kritisch zu betrachtenden Erfolgsmeldungen aus China finden sich bei uns positive Einzelfallbeschreibungen.

Werden die Methoden von den Krankenkassen bezahlt?
Die gesetzlichen Krankenversicherungen übernehmen die Kosten der Akupunktur bei Rücken- und Kniegelenks-
beschwerden. Die privaten Versicherungen übernehmen die Schmerzbehandlung mit Akupunktur. Da es noch keine nachgewiesenen Therapien für Post Covid gibt, kann immer ein Antrag auf Erstattung an die Kasse gestellt werden. Im Prinzip hat der Patient ein Recht auf Erstattung, wenn keine schulmedizinische Methode bereitsteht. Qigong wird von der gesetzlichen Krankenkasse bezuschusst, wenn der Therapeut eine anerkannte Ausbildung vorweisen kann.


Die deutsche Ärztegesellschaft für Akupunktur lädt Ärzte zur Internationalen Akupunkturwoche in Bad Nauheim vom 23. bis 29. Mai ein. Auch hier das dringende Thema: Behandlungsmöglichkeiten von Post-Covid-Patienten mit Akupunktur und Verfahren der Traditionellen Chinesischen Medizin.

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6 Kommentare
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  • am 23.05.2022 21:31 Uhr / Bewertung:

    Nicht nur bei Post-Covid! Akupunktur lohnt sich immer! Für ihn!

  • Schwammerlsucher am 21.05.2022 10:34 Uhr / Bewertung:

    Akupunktur ist Hokuspokus. Sie wirkt, wie auch die Homöopathie, nicht über den Placeboeffekt hinaus.

  • Der wahre tscharlie am 21.05.2022 15:11 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Schwammerlsucher

    Akupunktur gibts seit fast 3000 Jahren. Stammt aus China und Japan und hat mit Homöopathie nichts zu tun.

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