Münchner Kardiologe: "Mit Bewegung kann man viel erreichen"
AZ-Interview mit Dr. Milan Dinic: Er ist Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und ärztliche Osteopathie und führt seine Praxis in der Theatinerstraße 44.

AZ: Herr Dr. Dinic, die koronare Herzkrankheit ist eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland. Was genau versteht man darunter?
MILAN DINIC: Das ist eine Verkalkung der Herzkranzgefäße. Am Anfang hat man eine entzündliche Veränderung an den Gefäßen, aufgrund von Stoffwechselprozessen, und dann kommt es zu verschiedenen Reaktionen im Körper - mit Einwanderung von Cholesterinzellen zu einer zunehmenden Verkalkung und irgendwann zu einer Durchblutungsstörung des Herzmuskels. Das bedeutet, das Herz wird schlechter mit Sauerstoff versorgt. Dann droht letztendlich der Herzinfarkt.
Daran erkennen Sie verkalkte Arterien
Kann ich selber bemerken, dass meine Arterien verkalkt sind?
Im Anfangsstadium bemerkt man das recht schlecht, weil die Durchblutung ja noch gut ist. Wenn die Verkalkung voranschreitet, kommen irgendwann typische Symptome wie Druck auf der Brust bei emotionalem Stress oder körperlicher Belastung. Der Schmerz kann dann auch ausstrahlen in den Kiefer, in den linken Arm oder den Oberbauch. Das sind die Lehrbuch-Varianten.
Aber?
Manchmal zeigen sich Herzprobleme nur durch schwankenden Blutdruck oder Schmerzen im Rücken. Bei Frauen sowieso. Hier muss man das Herz bei jedem Symptom zwischen Nasenspitze und Bauchnabel abklären, hat mein Chef vor 20 Jahren schon gesagt.
Auch ohne Symptome kann eine gefährliche Erkrankung vorliegen
Es gibt aber auch viele, die gar keine Beschwerden haben, oder?
Ja, vor allem Männer, die völlig beschwerdefrei zu mir kommen, sagen, sie fahren jeden Tag Rad, fühlen sich belastbar und dann ist die Untersuchung auffällig und es ergibt sich durch weitere Abklärungen ein hochgradiger Befund, eine Zeitbombe. Das sind meistens die Männer, die beim Radeln plötzlich tot umfallen.
Welche Arten der Untersuchung gibt es, um so eine Arterienverkalkung festzustellen?
Man schaut, welche Risikofaktoren und Beschwerden es gibt, dann schaut man die Cholesterinwerte und Entzündungswerte an. Klassisch ist das EKG oder eine Herzszintigraphie. Dann gibt es auch ein Herz-CT oder MRT vom Herzen. Und als Ultima Ratio den Herzkatheter.
Der 3D-Herz-Check: Einfach, schonend und sehr zuverlässig
Und es gibt die Cardisiographie, die außer Ihnen nur fünf weitere Praxen in Bayern anbieten. Was hat es damit auf sich?
3D-Herz-Check hört sich spannend an, ist es auch, aber in der Durchführung total einfach und schonend. Die Untersuchung ähnelt einem EKG, nur eben im Sitzen. Die Herzströme werden für vier Minuten von Zelle zu Zelle abgefasst. Die Messung wird an eine Künstliche Intelligenz weitergeleitet. Durch unheimlich komplexe Rechenschritte wird dann ein Score berechnet, der das Herzinfarkt-Risiko anzeigt. Außerdem erfährt man, ob man eine angeborene oder erworbene Herzerkrankung oder Herzrhythmusstörungen hat.
Angenommen, alles ist unauffällig...
Dann kann man sich tatsächlich zurücklehnen. In Studien sieht man, dass dann zu fast 100 Prozent sicher ist, dass alles in Ordnung ist.
Und wenn der Check einen auffälligen Score ergibt?
Muss man genauer hinschauen, sprich, weitere Untersuchungen machen. Es kann sich auch um Störfaktoren handeln, etwa Narben früherer Herzmuskelentzündungen, von denen man vielleicht gar nichts wusste. Da mache ich dann gerne ein Herz-CT und erst, wenn das auch noch auffällig ist, geht es zum Herzkatheter.
Jeder ab 40 sollte einmal im Jahr zum Screening gehen
Der Vorteil ist also, dass man nicht direkt so einen Eingriff machen muss?
Ja. Die Cardisiographie ist einfach, schonend, ohne Strahlung oder Ähnliches. Viele, die vermeintliche Herzbeschwerden haben, werden gleich zum CT oder zum Herzkatheter geschickt. Wenn Sie aber im 3D-Check keine Auffälligkeiten haben, können Sie sich Strahlung und Katheter sparen.
Wer sollte sein Herz genauer unter die Lupe nehmen?
Im Prinzip jeder Mann ab 40. Ab dieser Altersgruppe ist eine Erkrankung der Herzkranzgefäße die häufigste Ursache für einen Herztod. Einmal im Jahr würde ich ab diesem Alter einen kleinen Herz-Check machen.
Und Frauen?
Bei Frauen geht es meist ab 50 Jahren los. Viele gehen uns aber leider durch die Lappen, weil man ihre Beschwerden nicht richtig ernst nimmt. Der Ausgang beim Herzinfarkt ist bei Frauen dann häufig schlimmer. Also Frauen müssen sich genauso angesprochen fühlen, vor allem, wenn man in der Familie vielleicht schon Herzerkrankungen hat.
Risiko von Herzerkrankungen: Wer sich mediterran ernährt, fährt am besten
Genetische Dispositionen sind also ein Risikofaktor. Was spielt für Herzerkrankungen noch eine Rolle?
Neben der Genetik, also der Frage, ob die Eltern oder Geschwister auch schon eine koronare Herzerkrankung hatten, sind die wichtigsten Risikofaktoren Bauchfett, Rauchen, Bluthochdruck, die Zuckerkrankheit und, ganz wichtig, die Cholesterinwerte.
Die Genetik kann man nicht beeinflussen, andere Faktoren schon. Was empfehlen Sie?
Mediterrane Ernährung! Damit fahren Sie am besten, das zeigen Studien. Nicht nur fürs Cholesterin, sie hat auch positiven Einfluss auf Bluthochdruck und Zuckerstoffwechsel. Und dann natürlich: Bewegung. Mindestens 120 Minuten in der Woche moderat Sport treiben.
Und wenn der Arzt schon Verkalkungen festgestellt hat?
Verkalkungen lassen sich häufig zwar nicht mehr reduzieren, aber man kann sie stabil halten und dafür sorgen, dass sie nicht mehr voranschreiten - durch medikamentöse Prävention vom Arzt, Bewegung und Ernährung. Damit kann man sehr viel erreichen, damit die Situation stabil bleibt und man eben doch keinen Herzinfarkt bekommt.
"Beim Herzinfarkt spielt der Faktor Zeit eine große Rolle"
Stichwort Herzinfarkt. Gerade bei Frauen sind dessen Symptome ja äußerst diffus.
Richtig. Bei Frauen etwa können eine plötzliche Übelkeit oder akute Oberbauchschmerzen akute Anzeichen einer solchen Situation sein.
Was gilt es dann zu tun?
Beim Herzinfarkt spielt der Faktor Zeit eine große Rolle. Man sollte lieber einmal zu oft den Notarzt rufen als einmal zu wenig. Je mehr Zeit vergeht, desto länger der Herzmuskel durch ein verstopftes Gefäß unter Sauerstoffmangel leidet, umso größer ist der Schaden danach.
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