Münchner Großmarkt total marode: Ist in fünf Jahren Schluss?
MÜNCHEN - Total-Sanierung für bis zu 250 Millionen Euro oder Schließung spätestens 2014: Was wussten Werkleiter und Baureferat vom Zustand? Wie der schwarze Peter verschoben werden soll.
Der Münchner Großmarkt – er ist der größte und marodeste Großmarkt Deutschlands: Wenn keine Totalsanierung erfolgt, muss er in fünf Jahren geschlossen werden. Das ist das Fazit eines vertraulichen Berichts. Auf 90 bis 120 Millionen Euro schätzt die Marktleitung die Kosten. Die Kämmerei glaubt eher an 200 bis 250 Millionen. Die Stadträte sind wütend: „Der katastrophale Zustand ist doch nicht von heute auf morgen vom Himmel gefallen!“
Erst wurde ein alter Keller nach dem anderen zugemacht und abgestützt, weil wegen der darüber fahrenden Laster keiner mehr für die Statik garantieren konnte. In andere Keller läuft das Wasser. Und dann wurde kürzlich in einer Blitzaktion die alte Sortierhalle handstreichartig geschlossen – Einsturzgefahr!
Wegen der Hektik und immer neuen Hiobsbotschaften sind die Stadträte aufgebracht: Warum wurde das erst jetzt entdeckt? Wer hat jahrelang geschlafen? Was kommt sonst noch auf uns zu? Die Meisten haben erst aus der AZ im November von der heiklen Situation erfahren.
Der Bauzustand der gesamten Großmarktanlage wurde noch nie untersucht
Aus einem vertraulichen Bericht des Baureferats geht hervor: Für den Bereich der Großmarkthalle wurden nie „Bauzustandsberichte“ erstellt und auch nie von der Werkleitung beauftragt. Erst im Mai wurde eine solche Untersuchung „eilbedürftig“ vom Großmarkt angefordert. Viel zu spät.
Ein aktueller Bericht kommt jetzt zu dramatischen Schlüssen: „Die Bausubstanz ist in aller Regel deutlich schlechter als bei den konkurrierenden deutschen Großmärkten.“ Ein vertrauliches Papier des Planungsreferats besagt: Es gibt auch massive Probleme mit Brandschutz und der Statik. Wenn das nicht „zwingend“ verbessert werde, sei „mit einer partiellen Schließung des Betriebes zu rechnen“. Wenn nichts getan wird, könne der Betrieb „nur noch höchstens fünf Jahre aufrecht erhalten werden“. Dann sei Schluss. Einzelne Maßnahmen reichten nicht mehr aus.
Das liege hauptsächlich daran, dass nach dem Wiederaufbau nach dem Krieg „Investitionen in die Bausubstanz nahezu vollständig unterblieben und nur die wichtigsten unausweichlichen Unterhaltsmaßnahmen getätigt werden konnten“. Von 2005 bis 2008 kosteten selbst diese zwölf Millionen Euro.
Eine so genannte Generalsanierung Ende der 80er Jahre beschränkte sich fast ausschließlich auf die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur, der Wege und Zugänge rund um die Hallen 1 bis 4. Kosten: 33 Millionen Mark.
Vor allem bei den Gebäuden aus der Gründerzeit, die jetzt rund 100 Jahre alt sind, treten massive Probleme auf. „Diese Schäden hat man schon seit Jahren gesehen“, berichtet Stadtrat Georg Schlagbauer (CSU): „Wir haben das schon lange moniert.“ Als Metzger und Verwaltungsrat für die Markthallen kennt er sich aus.
„Der Werkleiter hätte das rechtzeitiger erkennen müssen“, klagt ein Stadtratskollege: Der hätte längst einen Vorschlag machen müssen, was für den Großmarkt an Gebäuden und Infrastruktur gebraucht wird, was saniert werden muss und wie das riesige Gelände von Markthallen und Schlacht- und Viehhof neu geordnet werden soll.
Werkleiter will keine Verantwortung übernehmen
Das kommt erst jetzt. Auf Anordnung von OB Christian Ude (SPD) wurde bei einem Unternehmensberater ein Businessplan bestellt. Im Herbst soll der Stadtrat damit einen Grundsatzbeschluss fällen: Ob er den Großmarkt behalten und sanieren will.
Hinter den Kulissen versuchte der Werkleiter, dem Baureferat die Verantwortung zu geben: In Ermangelung der notwendigen Fachkompetenz könne er für die Standsicherheit keine Verantwortung übernehmen und lehne jegliche Verantwortung in diesem Zusammenhang ab. Das Baureferat antwortete ihm knapp: „Verantwortlich sind ausschließlich Sie!“
Willi Bock
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