Münchens Umsonst-Oasen: Hier gibt es Unterhaltung ohne Konsumzwang
Mit Geld kann man es sich in München schön machen. Ein Dinner auf einer schicken Dachterrasse, ein Nachmittag im Sportklub oder ein Abend in der Oper machen Spaß, kosten aber viel. Es gibt Menschen, die können sich Restaurantbesuche, Tennis-Nachmittage oder Konzertbesuche gar nicht oder nur ab und zu leisten. Sowohl Kinder als auch ältere Menschen erfahren soziale Ausgrenzung – einfach, weil ihnen ganz viele Freizeitaktivitäten ihrer Freunde zu teuer sind.
Aber Erholung soll nicht teuer sein, im Idealfall sogar kostenlos. München hat auch jede Menge zu bieten: Spielplätze, Erlebnispfade, den Englischen Garten und natürlich die Isar. Aber da geht noch mehr. Zum Glück gehen den kreativen Menschen die Ideen nicht aus. Immer wieder gibt es auf stillgelegten Fabrikgeländen oder in leer stehenden Häusern Zwischennutzungen, die zum Treffpunkt für die Menschen im entsprechenden Viertel werden.
Viele trauern noch jetzt dem Sugar Mountain im ehemaligen Katzenberger Betonwerk in Obersendling nach. Die Mischung aus buntem Graffiti, Basketballfeldern und Kultur zwischen alten Kranbahnen sprach sich schnell herum. Im letzten Jahr war dann Schluss. Nun entsteht dort das neue Wohnquartier Sugar Valley.
"Mit einfachen Mitteln Großes gestalten, das ist toll!“
Einer, der dort mitmischte, ist Michi Kern. Der ist mittlerweile Spezialist in Sachen Pop-up-Freizeit. Auch in diesem Sommer. Unter anderem an der Pinakothek der Moderne sowie in und vor der ehemaligen Paketposthalle sind vor Kurzem Freizeitparks entstanden, die immerhin ein paar Jahre dortbleiben. Aktuell entsteht das Lucky Star in einer Baugrube auf einem ehemaligen Gelände von Knorr-Bremse in Oberwiesenfeld.
Möchte er nicht auch einmal etwas Dauerhaftes gestalten, hat die AZ Michi Kern gefragt. Aber er findet alles gut, so wie es ist: "Das Schöne an den Projekten ist ja die Dynamik. Mit einfachen Mitteln Großes gestalten, das ist toll!“ Es mache ihm einfach Spaß, verschiedene Dinge auszuprobieren.
Seine Projekte und noch ein paar andere zeigen wir Ihnen hier. Allen gemein ist, dass man hier Spaß haben kann, ohne einen Cent Geld ausgeben zu müssen. Und das Beste: Hier kommen die unterschiedlichsten Menschen zusammen. Vielleicht finden Sie dort sogar neue Freunde. Die AZ wünscht Ihnen viel Spaß!
Giesinger Grünspitz
Zugegeben, eine verkehrsberuhigte Gegend ist die Martin-Luther-Straße beim Sechzgerstadion nicht gerade. Aber trotzdem hat sich der Platz an der Kreuzung zur Tegernseer Landstraße in den letzten Jahren zu einem beliebten Treffpunkt, nicht nur für Giesinger entwickelt.
"Giesings grünes Wohnzimmer“ nennt Bürgermeister Dominik Krause (Grüne) den Grünspitz. Denn nun hat die Stadt München die Fläche sogar noch ein Stückchen erweitert und erneuert. Entlang der Straße wird der Platz nun von einer Hecke abgeschirmt. Für mehr Schatten hat das Baureferat außerdem vier Rosskastanien und eine Stadtulme angepflanzt. Damit man es sich darunter auch gemütlich machen kann, ist neues Mobiliar in lockerer Anordnung dazugekommen. Wer nicht still sitzen kann, betätigt sich an einer der beiden neuen Tischtennisplatten. Ein zusätzlicher Treffpunkt soll eine neu angelegte große Treppenanlage mit Sitzdecks sein.

Seit dem Umbau ist der Grünspitz barrierefrei und so für noch mehr Münchnerinnen und Münchner zugänglich. Auch an die Biodiversität wurde gedacht: Eine artenreiche Wiese bietet Nahrung und Lebensraum für Insekten und Schmetterlinge.
Und wer Durst, aber kein Geld dabei hat, muss sich auch nicht sorgen. Am Grünspitz gibt es jetzt auch einen Trinkwasserbrunnen. Demnächst werden auch der Kiosk, die Bühne und die Toilettenanlage erneuert.
Besonders engagiert haben sich die Nachbarn in den letzten Jahren beim gemeinsamen Gärtnern am Grünspitz. Auch das wird weiterhin möglich sein. Im südöstlichen Bereich befindet sich ein umzäunter Gemeinschaftsgarten, der von Ehrenamtlichen betrieben und von Green City organisatorisch betreut wird.
Tegernseer Landstraße 104
Paketposthalle: Pineapple Park
Sein Leben lang ist man mit der S-Bahn nur daran vorbeigefahren. Nun ist die Paketposthalle für die nächsten Jahre geöffnet, und zwar für alle. Im Sommer wie im Winter bietet dort der Pineapple Park eine Art kostenlosen Freizeitpark für die Münchner.

In der Halle mit dem halbrunden Dach tummeln sich Basketballer und Padle-Tennis-Fans – im Sommer auch im Außenbereich. Das Angebot wurde von Anfang an gut angenommen. Nachdem das Sugar Mountain in Obersendling aufhörte, sprach sich unter den Jugendlichen schnell herum, dass es hier Ersatz gibt. Das Angebot im Pineapple Park ist sogar noch etwas breiter.
An den Wochenenden finden auch mal kostenlose Konzerte und schon seit ein paar Monaten die Flohmärkte Midnight Bazar statt. Ansonsten ist auch der Pineapple Park ein Treffpunkt für Jung und Alt. Das meiste ist umsonst.
In und um die Halle stehen mehrere Basketball- und Beachvolleyball-Felder zur Verfügung. Wer Geld ausgeben möchte und sich für sinkende Schiffe interessiert, begibt sich in die multimediale Ausstellung "Legende der Titanic“. Ein paar Euro Eintritt kostet außerdem der Midnight Bazar an den Wochenenden. Und fürs Padel-Tennis muss man sich Schläger am Automaten ausleihen. Ansonsten können Münchnerinnen und Münchner aller Altersklassen sich hier kostenlos austoben. Was mit dem Gelände danach passiert, ob zwei große Hochhäuser dazu kommen, wird heiß diskutiert.
Pineapple Park, Arnulfstraße 195, So-Do: 10 bis 22 Uhr, Fr-Sa: 10 bis 0 Uhr
Pinakothek der Moderne: Flux
Die zentralste Kulturfläche dürfte das Flux an der Pinakothek der Moderne sein – und vermutlich auch die bunteste.
Seit ein paar Wochen ist auf dem Kunstareal in der Maxvorstadt ein fröhliches Quartier zum Schauen, Rutschen und Ausruhen entstanden. Wie ein riesengroßer Kinderspielplatz sieht das auf den ersten Blick aus. Aber die AZ hat auch schon die ein oder andere ältere Dame quietschvergnügt die Rutsche heruntersausen sehen.

Zusätzlich sind hier viele Veranstaltungen geplant. Es wird Performances von Studierenden der Akademie der Bildenden Künste geben, immer wieder Livekonzerte und ein regelmäßiges Kinderprogramm.
Gestalterin des Flux ist die Londoner Künstlerin Morag Myerscough. Sie hat einen Ort geschaffen, der sich ständig weiterentwickeln soll. Essen und Getränke kann man selbst mitbringen oder sich etwas am Kiosk kaufen. Die vielen Tische und Bänke laden dazu ein, sich hier mit vielen Freunden zu treffen.
Zwar kommen zahlreiche Familien mit Kindern zum Flux, aber insgesamt ist das Publikum bunt gemischt, wie Kioskmitarbeiter Paul der AZ erzählt.
Im Herbst beginnt die zweite Flux-Phase mit der Eröffnung des Flux Baumhauses im Wintergarten der Pinakothek der Moderne. Das Projekt ist insgesamt auf fünf Jahre angelegt und soll im Sommer wie im Winter nutzbar sein.
Flux, Barer Straße 40, Di-So: 10 bis 23 Uhr
Neuperlach: Neuperland
Es gibt Viertel, die werden nie genannt, wenn es um coole Events oder Freizeitgestaltung geht. Neuperlach zum Beispiel. Aber auch hier tut sich was. Und wieder hat Michi Kern seine Finger im Spiel. Zusammen mit Günes Seyfarth hat er am Hanns-Seidel-Platz mitten in Neuperlach eine Begegnungsstätte für die Nachbarn geschaffen, zumindest für die nächsten Jahre.

Ob es daran liegt, dass der Platz bisher eher trist war? Hier liegt der Fokus ganz klar auf dem Thema Gärtnern, Verschönerung und Begrünung. Gemeinsam wird hier gepflanzt, gegossen und geerntet. Dicke Kürbisse und jede Menge Zucchini sind dabei in diesem Jahr schon herausgekommen, wie Kern der AZ erzählt.
Die Nachbarn von Groß bis Klein helfen mit Begeisterung mit. Auch hier finden regelmäßig Flohmärkte und Foodtruck-Festivals statt. Vielleicht sollten auch Innenstädter die Gelegenheit nutzen, den nächsten Flohmarkt (zum Beispiel am 27. Juli) oder ein anderes Event besuchen und sich ganz nebenbei Neuperlach einmal genauer anschauen.
Grundsätzlich dient Neuperland dazu, die Bewohner zum Mitgestalten ihres Viertels und ihrer Gemeinschaft zu aktivieren. Sie können sich in Sachen Gestaltung einbringen und in Workshops zu verschiedenen Themen weiterbilden. Aber auch hier gibt es ein Sport- und Spielangebot, natürlich kostenlos.
Neuperland, Hanns-Seidel-Platz
Ehemaliger Gasteig: Fat Cat
Der Gasteig muss saniert werden. Seit Jahren gibt es schon den Übergangs-Gasteig, die Isarphilharmonie. Die große Backstein-Schnecke in Haidhausen stand fast zwei Jahre lang leer. Zum Glück haben sich dann ein paar kreative Menschen zusammengetan und den Ort in ein Kulturzentrum umgewandelt.

Das sogenannte Fat Cat wird von den Münchnern seitdem gut angenommen. Die jüngere Generation, aber auch viele ältere Menschen kommen gerne auf den wunderschönen Kulturdachgarten, eine spektakuläre Dachterrasse mit viel Grün und bestem Blick über die Stadt. Die Schlangen am Eingang sind oft lang. Aber meistens geht es dann doch ganz schnell. Oben kann man sich Speisen und Getränke kaufen, muss aber nicht.
Auf dem Vorplatz finden immer wieder Konzerte und Veranstaltungen statt. Wer Hunger bekommt, geht in den Munch Market. Der ist zwar nicht kostenlos, aber hier toben sich junge Gastronomen aus. Eine Bereicherung ist auch der Lucky Punch Club von Michael Mittermeier.
Außerdem können junge Musiker im Fat Cat Proberäume nutzen. Dort finden auch jede Menge Workshops aller Art statt.
Fat Cat, Kellerstraße 8a
Giesing: Grüner Quirin

Es ist keine Seltenheit, dass Großstädter ihre nächsten Nachbarn nicht kennen. Der Verein Green City stellt immer wieder fest, dass sich bei seinen Veranstaltungen Menschen kennenlernen und im Idealfall dann gemeinsam ein Projekt angehen. Am St.-Quirin-Platz gibt es jetzt einen neuen Treffpunkt dafür, den Grünen Quirin. Der soll in erster Linie die Menschen im Viertel für das Thema Biodiversität, sprich Artenvielfalt, sensibilisieren und bietet konkrete Hilfe an. Wie kann ich meinem Balkon nutzen? Was kann ich tun, wenn ich keinen Balkon habe? Wo sind die Gleichgesinnten? Veranstaltungen bringen die Leute zusammen. Die Außenwand hat die Künstlerin Cassie Tumlinson gestaltet. Im Inneren hängen Makro-Fotografien von Hagen Wendt.
Green City, St.-Quirin-Platz
Oberwiesenfeld: Lucky Star
Dass es hier am ersten August losgehen soll, kann man kaum glauben, wenn man in der Baugrube Am Oberwiesenfeld steht. In der Zukunft sollen auf diesen 40.000 Quadratmetern über 600 Wohnungen entstehen. Baubeginn ist frühestens in zwei Jahren.
Für die Zwischenzeit hat sich der Eigentümer, die Opis AG, für eine soziokulturelle Nutzung entschieden und auch rund 1,5 Millionen Euro dafür springen lassen.

Zusammen mit Michi Kern wurde innerhalb von zwei Monaten das Konzept "Lucky Star“ entwickelt. Was das bedeutet, ist noch nicht sichtbar, wird aber sehr unerwartet, wie Kern verspricht. Herzstück wird eine vier Meter hohe und 500 Meter lange begehbare Skulptur in Sternform.
Das Gerüst steht zwar schon fast fertig da. Aber so richtig vorstellen kann man sich noch nicht, wie das Ganze am Ende aussehen soll. Hier kann man bald rumlaufen, sich auf eine Bank setzen und beobachten, was darunter passiert.
Im Zentrum des Sterns gibt es eine große Eventfläche. Dort wird es – aus Rücksicht auf die Anwohner – nur ein paar Mal pro Jahr Veranstaltungen oder Konzerte geben.
Drumherum sind schon einige blaue Sportplätze fertig. Padel Tennis und Pickle Ball wird dort gespielt. Hier muss man eine Gebühr für die Schläger zahlen. Aber es entstehen auch Felder für Beachvolleyball und Basketball und Tischtennisplatten. Dort kann jeder mitspielen, wie er mag.
Los geht’s im August mit einem Foodtruck-Festival. Das Gelände soll den ganzen Tag lang zugänglich sein. Aus dem Kies am Rand sprießen schon die ersten zarten Blümchen. Richtig bunt soll es hier werden. Damit die Anwohner und alle, die Lust haben, sich hier für Sport und Spiel und Kultur treffen können. Und Kern verspricht viele weitere Überraschungen am Lucky Star.
Am Oberwiesenfeld