Münchens bekanntester Lost Place: Jetzt soll hier ein Mega-Projekt entstehen

Es ist wohl der bekannteste "Lost Place“ der Stadt, also einer dieser vor Jahren verlassenen Orte in München, die sich selber überlassen wurden und deshalb irgendwann in Vergessenheit geraten sind: Der alte Olympia-S-Bahnhof in Milbertshofen wurde 1972 für die Olympischen Spiele gebaut – und war bereits nach den Wettbewerben nicht mehr im regulären S-Bahn-System.
Bis 1988 wurde der Bahnhof zwar noch für Fußballspiele im Olympiastadion angefahren, nach der Fußball-Europameisterschaft im selben Jahr war dann aber endgültig Schluss.
1972 für Olympia gebaut, 1988 stillgelegt: der alte Olympia-S-Bahnhof in München

Auch ein Unfall, bei dem spielende Kinder auf Kesselwagen geklettert waren und dann mit der Hochspannungsleitung in Kontakt kamen, trug zur Entscheidung bei, den Bahnhof stillzulegen. Die Bahn schaltete die Oberleitungen ab und demontierte sie.

Seit 2011 gehört das Areal der Stadt – und es gibt Pläne dafür
Schon seit 2011 gehört das Areal nun der Stadt. Sie hat die rund 6,5 Hektar von der Deutschen Bahn erworben, inklusive altem Bahnhof und Gleisen. Den Auftrag dazu hatte das Kommunalreferat 1998 erhalten. Das Ziel damals: das Münchner Radwegnetz vom Marienplatz bis zum Lerchenauer See zu sichern.
Zwischendurch wurden die Verhandlungen zum Kauf ausgesetzt, weil am alten Olympiabahnhof der Tunnel für den Transrapid zwischen Hauptbahnhof und Flughafen hätte anfangen sollen. Im März 2008 wurden die Transrapid-Pläne dann endgültig beerdigt.

In einer Meldung aus dem Kommunalreferat vom 28. Oktober 2011 heißt es schließlich, die Flächen würden sich "für eine übergeordnete Grünverbindung westlich der Landshuter Allee“ und für eine "Rad- und Fußwegverbindung im Grünen Richtung Norden“ anbieten, die auch als Biotopverbund dienen könne. Zwei Jahre später gab es dazu auch eine Bürgerbeteiligung.
2022 stellte der Stadtrat die Weichen, um die Grünverbindung Wirklichkeit werden zu lassen
Dann geschah lange Zeit nichts, bis vor drei Jahren: Im Mai 2022 hat der Stadtrat beschlossen, den Flächennutzungsplan zu ändern, damit der Umbau angegangen werden kann. Das Baureferat hat die Vorplanung für die Nord-Süd-Grünverbindung fertiggestellt und im November 2022 auch dem Bezirksausschuss Moosach vorgestellt.

Die Planung beinhaltet unter anderem „eine durchgängige, funktionsfähige und barrierefreie Fuß- und Radwegeverbindung auf der alten Olympia-S-Bahntrasse“, so das Baureferat auf Anfrage der AZ.
Die Verbindung reicht vom Sapporobogen im Süden bis zum DB-Nordring im Norden. Auch Teil der Planung: Umbau und Sanierung der Brücke über die Triebstraße, so würde das Gebiet auch an die nördlich gelegene Eggarten-Siedlung angeschlossen.
Neue Nord-Süd-Grünverbindung für 37 Millionen Euro
Das Baureferat hat auch schon die Kosten für das ganze Projekt ermittelt: Rund 37 Millionen Euro sind es laut der neuen Stadtratsvorlage für die Olympiabewerbung. Das Referat hat nach eigenen Angaben "die erforderlichen Mittel im Haushaltsverfahren der Landeshauptstadt München angemeldet“, wie es auf AZ-Anfrage schreibt.

Aber: "Leider wurde die Anmeldung in den letzten Haushaltsjahren nicht berücksichtigt“, so ein Sprecher des Baureferats. Es bleibe abzuwarten, ob der Stadtrat die Gelder für das Projekt noch in diesem Jahr genehmige.
Pläne tauchen auch in der Münchner Olympia-Bewerbung auf
Was dabei helfen könnte: Die Stadt hat das Vorhaben laut Baureferat auch als Projektidee bei der Internationalen Bauausstellung (IBA) der Metropolregion München eingereicht. Ob es ein IBA-Projekt werde, soll sich laut Baureferat noch in diesem Jahr entscheiden.

Für all jene, die sich auf eine möglichst rasche Umsetzung der Pläne für den Nord-Süd-Grünstreifen am westlichen Rand gefreut haben (oder die schon seit Jahrzehnten darauf warten), könnte die von der Stadt nun beschlossene Bewerbung für Olympische Spiele 2036, 2040 oder 2044 allerdings auch eine schlechte Nachricht sein.
Die Pläne für den Grünstreifen tauchen nämlich auch in der Bewerbung für die Spiele auf, im Unterkapitel Mobilität. Dort sind unter anderem auch ein S-Bahn-Ringschluss Nord (247 Millionen Euro), die U-Bahnlinie 9 („ohne Kostenansatz“) oder der Ausbau der U4 (circa 1,2 Milliarden Euro) genannt.

Grüne und SPD: Wollen das Projekt, "leider ist die Finanzierung noch nicht gesichert"
Wie ist die Haltung im Stadtrat zu den Plänen für die alte S-Bahn-Trasse, die er schon vor einigen Jahren auf den Weg gebracht hat? "Wir begrüßen das Projekt, leider ist die Finanzierung noch nicht gesichert“, sagt Anton Fitz, Pressesprecher der SPD-Stadtratsfraktion auf Anfrage der AZ. „Wenn die Mittel dafür da sind, wünschen wir eine Umsetzung unabhängig von Olympia, allerdings ist das bisher nicht geklärt.“
Ähnlich vorsichtig ist der Rathaus-Koalitionspartner von der Fraktion der Grünen/Rosa Liste. Man wolle "Vorschläge zur Umsetzung“ des Baureferats "sorgfältig prüfen – natürlich immer mit Blick auf die angespannte Haushaltslage“.
Die Grünen begrüßen es, "dass die Grünverbindung nun auch in der Olympiabewerbung auftaucht“, so Sprecher Philipp Lehnacker auf AZ-Anfrage. Sie sei aber "auch unabhängig davon sinnvoll und wichtig für das Quartier“.

"Zynisch": Warum ÖDP-Stadtrat Tobias Ruff die Pläne der Stadt kritisiert
Etwas deutlicher wird Tobias Ruff, der Fraktionsvorsitzende der ÖDP im Stadtrat: Der Stadtratsbeschluss von Mai 2022 "war überfällig“, so Ruff. "Dass seit Jahren so gut wie nichts passiert ist, zeigt aber leider das typische Münchner Umsetzungsproblem: Gute Beschlüsse versickern im Verwaltungsdickicht“.
Und: "Dass die Stadt diesen überfälligen Schritt nun in den Olympia-Bewerbungsunterlagen als Fortschritt verkauft und mit der Bewerbung verbindet, ist zynisch“, findet der Olympia-Gegner Ruff.

Im Licht der erneuten Münchner Olympiabewerbung zeigt der alte, schon Jahrzehnte stillgelegte Olympia-S-Bahnhof also zwei Dinge.
Erstens: Olympia spült viel Geld für viele Infrastrukturprojekte in eine Stadt. So lassen sich Projekte umsetzen, für die sonst vielleicht das Geld fehlen würde. Wenn München wegen Olympischer Spiele grüner wird, so wie es die Stadt hier plant, profitieren die Münchner auch noch nach den Spielen.
Zweitens: Im Zuge von Olympia gebaute Infrastruktur macht nur dann Sinn, wenn es auch für die Zeit danach einen konkreten Nutzen gibt. Sonst entstehen über Jahrzehnte solche vor sich hin gammelnden "Lost Places“ wie der alte Olympia-S-Bahnhof.