Moshammers Fahrer: "Mosi hat sich plötzlich verändert"
München - Als die AZ kürzlich die berühmtesten Mordfälle Münchens zusammenfasste und auch über den Mord an Rudolph Moshammer sowie Walther Sedlmayr schrieb, hat das auch Thomas Hilbert gelesen. Hilbert war Moshammers Fahrer, Anfang der 90er. Hilbert meldete sich bei der AZ - und erzählt über die Jahre, die er ganztags mit den Moshammers verbrachte.
Die AZ traf ihn in seinem Lieblings-Café Marimba von Kay Wörsching - der einst Moshammers Nachbar gewesen ist.
AZ: Herr Hilbert, wir sind gespannt, welche Erinnerungen Sie an Rudolph Moshammer haben.
THOMAS HILBERT: Zwölf-Stunden-Tage im Grünwalder Haus der Familie waren üblich, elf Tage Jahresurlaub. Ich war oft nach Mitternacht noch da.
Wie sind Sie dort überhaupt Chauffeur geworden?
In der Abendzeitung hatte ich im Juli 1992 eine Stellenausschreibung gesehen: Das Haus Moshammer sucht einen Chauffeur.
Die Abendzeitung ist schuld?
So ungefähr (lacht).
Kannten Sie Moshammer zuvor?
Na klar, er war ja damals täglich in Zeitungen und Magazinen, in der Stadt der Reichen und Schönen.
Und dann riefen Sie an.
Die Sekretärin war dran und sagte, ich solle doch vorbeikommen in der Maximilianstraße 14. Dort haben wir uns dann zum ersten Mal getroffen. Wir gingen hinter ins Büro, ich hatte keine Bewerbungsunterlagen, nix. Er fragte, ob ich Interesse daran hätte, als Chauffeur. Und er wollte wissen, ob ich schon einmal Rolls-Royce gefahren bin.
Ihre Antwort?
Selbstverständlich nicht. Aber er sagte, wenn ich Lust hätte, soll ich doch am nächsten Tag um neun Uhr anfangen. Grünwald. Robert-Koch-Straße 11. Er fand mich sympathisch, glaube ich. Es ging locker los.
"Er griff zum Hörer und rief bei der Polizei an"
Wie war Ihr erster Tag?
Ich war pünktlich, kam aus Olching an. Moshammer und seine Mutter Else frühstückten. Er rührte in seinem Kaffee, gab mir den Schlüssel vom Rolls-Royce und sagte: Probierens doch mal, fahren Sie eine Runde. Ich ging in die Garage und stieg in den weißen Rolls-Royce.
Wie war Ihre erste Fahrt?
Ich kam zurecht. Einige Monate später aber sollte mein Führerschein abgenommen werden, weil ich es mal auf der Autobahn eilig hatte und ein bisschen drängelte. Mit meinem eigenen Auto. Blöderweise waren das vor mir Zivilpolizisten. Ein Monat Fahrverbot, 400 Mark Strafe.
Als Chauffeur fatal. Dann konnten Sie in der Zeit gar nicht arbeiten bei den Moshammers?
Die Salzburger Festspiele standen an. Ich sagte, ich kann da leider nicht fahren.
Ist dann Rudolph Moshammer persönlich gefahren?
Nein. Ganz anders. Er griff zum Hörer und rief bei der Polizei an. Er sagte: Jetzt passen S' amal auf, ich brauch meinen Chauffeur. Ich muss drei Wochen nach Salzburg! Des geht jetzt überhaupt nicht, dass der ein Fahrverbot kriegt! Er legte auf, ich konnte fahren und musste meinen Führerschein nicht abgeben.
Klingt wie aus einem Mafia-Film.
Ich konnte es auch nicht glauben.
"Nach dem Tod seiner Mutter wurde er grantig"
Das ging ja insgesamt gut los.
Auf jeden Fall, bis August 1993 hatte ich einen sehr angenehmen Job, wurde sehr gut entlohnt. 2.300 Deutsche Mark monatlich. Das war gutes Geld.
Was passierte im August 1993?
Wir waren bei den Salzburger Festspielen. Die Moshammers gingen spazieren. Die beiden verstanden sich ja unfassbar gut. Sie waren ein perfektes Mutter-Sohn-Paar. Sie war auch eine seiner wichtigsten Ratgeberinnen in seinem Leben. Und sie konnten miteinander scherzen, manchmal richtig derbe. Bei dem Spaziergang in Salzburg jedenfalls ging es ihr plötzlich schlechter. Mei, Rudi, mir geht es schlecht, ich hab Schmerzen, wir müssen heim, sagte sie. Müsste der 16. August gewesen sein.
Sie nannte ihn Rudi?
Immer.
Die Moshammers haben also die Festspiele abgebrochen?
Wir sind sofort abgereist. Zurück nach Grünwald.
Und dann kam wahrscheinlich der Notarzt.
Dafür war es leider zu spät. Wir legten sie zu Hause auf das Sofa. Sie atmete immer schneller, verlor das Bewusstsein und war tot. Es ging alles sehr schnell. Der Familien-Hausarzt konnte nur noch ihren Tod feststellen.
Wie ging es weiter?
Nach der Beerdigung von Else Moshammer war Rudolph Moshammer grantig. Nur noch grantig. Irgendwann hat der Butler gekündigt, der Koch hat gekündigt, der Gärtner und die Haushälterin auch. Wobei, die Haushälterin hatte ihre große Liebe gefunden.
"Der Tod seiner Mutter hat Moshammer gebrochen"
Hatte Moshammer Verständnis?
Nein.
Sie haben damals dann auch gekündigt. Warum?
Der Tod seiner Mutter hat Moshammer gebrochen.
Warum?
Ich glaube, er empfand es als große Ungerechtigkeit des Lebens, dass sie sterben musste. Sie ist seine wichtigste Bezugsperson gewesen. Er war danach ein anderer Mensch, wütend auf das Leben. Er hat alle Mitarbeiter in seinem Haus sehr launisch behandelt.
Waren Sie der letzte unter den Mitarbeitern, der ging?
Ja. Ich sollte plötzlich alle Aufgaben übernehmen. Sie machen jetzt alles, sagte er. Ich sollte kochen, putzen, fahren, organisieren, mit dem Hund Gassi gehen, gärtnern.
Und das war dann zu viel.
Nicht ganz, es gab da eine Situation. Der eine Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.
Nämlich?
Moshammer hatte einen blütenweißen Teppich im Wohnzimmer. Und der Hund vor Daisy, Jenny, erledigte seine Notdurft darauf. Ich musste das reinigen. Ich schrubbte Ewigkeiten, mit allen möglichen Reinigungsmitteln. Aber es ging einfach nicht weg. Da war immer noch ein brauner Fleck. Der Teppich wurde nie wieder sauber an der Stelle. Moshammer beschimpfte mich. Wozu habe ich Sie eingestellt, fragte er. Da habe ich gekündigt.
Wie war seine Reaktion?
Mir kündigt niemand! Das hat er gesagt.
Sie haben uns Ihr Arbeitszeugnis mitgebracht.
Ich musste lange auf ihn einreden, eines auszustellen. Die Bewertung ist dementsprechend. "Er war stets bemüht...". Die Floskel, die Note 6 bedeutet.
Hat Sie das geärgert?
Selbstverständlich.
Ich sehe hier auch eine Weihnachtskarte von Moshammer.
Die war obligatorisch.
"Schon merkwürdig, dass er einen wildfremden Menschen mitnahm"
"Ich möchte mich für Ihre Hilfsbereitschaft mir und meiner Mutter gegenüber herzlich bedanken. So wünsche ich Ihnen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest, verbunden mit einem friedlichen und gesunden Jahr 1993", steht hier.
Da lebte Moshammers Mutter noch.
Ich sehe hier, dass Sie die Geschenke Moshammers mitgebracht haben. Darunter ist eine Flasche Moshammer-Weißwein. Warum haben Sie die Flasche nie geöffnet?
So was hebt man doch auf. Wie gesagt. Es gab gute Zeiten im Hause Moshammer. Und daran erinnert mich die Flasche. Ich hätte sehr gerne weitergearbeitet, wenn ich ausschließlich der Chauffeur gewesen wäre.
2005 ist er ja gewaltsam gestorben, getötet von einem Mann, den er mitten in der Nacht am Hauptbahnhof aufgabelte und mit nach Hause nahm. Hat es Sie gewundert, dass er so viel riskierte?
Auf jeden Fall. Das passte eigentlich nicht zu ihm. Es war so, dass er zum Beispiel seine Mitarbeiter immer durchleuchten ließ. Er wollte immer wissen, welchen Umgang ich pflege, wie sich mein Freundeskreis zusammensetzt. Und dann nahm er den wildfremden Menschen mit. Schon merkwürdig.
"Er sagte, ich mag nicht alt werden und in einem Feuerwerk sterben"
Haben Sie nie geahnt, dass so etwas passieren könnte?
Trotz seines Kontrollbedürfnisses hatte ich oft das Gefühl, dass er hin und wieder das Risiko bewusst suchte. Er hat zum Beispiel oft gesagt: Ich möchte nicht alt werden und in einem großen Feuerwerk sterben.
Was er wohl mit Feuerwerk meinte?
Das wüsste ich auch gerne.
Gibt es Details aus der Zeit mit den Moshammers, an die Sie sich bis heute erinnern?
Viele. Die Hündin, Jenny, Vorgängerin von Daisy. Das Tier war schon sehr alt und brauchte regelmäßig Herztropfen. Ich gab dem Tier immer das Medikament und machte ihr ein Schleifchen.
(Kay Wörsching, Chef des Café Marimba, der schon die ganze Zeit beim Gespräch dabei sitzt, schaltet sich ein)
KAY WÖRSCHING: Ich war dabei, als Jenny gestorben ist.
Erzählen Sie!
WÖRSCHING: Moshammer hatte damals dieses Buch geschrieben: "Kleider machen Leute", da war ich bei der Buchvorstellung im Bayerischen Hof, im Ballsaal. Also eigentlich hatte das Buch der Mann von Petra Schürmann geschrieben, aber das ist wieder eine eigene Geschichte. Als langjähriger Nachbar und Freund war ich eingeladen.
"Er hatte seinen toten Hund in seiner Louis-Vuitton-Tasche dabei"
Dort starb der Hund?
Kurz bevor der Abend losging. Aber der Hund musste trotzdem dabei sein.
Das müssen Sie jetzt erklären.
Wir trafen uns zufällig am Eingang, bei der Drehtüre. Er schaute traurig und wütend zugleich. Ich fragte, was los ist.
Und er erzählte von Jennys Tod?
Er sagte, schau, was passiert ist - und öffnete seine Louis-Vuitton-Tasche. Und da lag der tote Hund drin. Das muss 1993 gewesen sein.
Wie haben Sie reagiert?
Ich sagte, Rudi, du kannst doch nicht bei Champagner und Häppchen den toten Hund hier in der Tasche mitnehmen. Aber er sagte: Ich kann doch Jenny jetzt nicht allein lassen! Der tote Hund war den ganzen Abend in der Tasche. Er hat ihn allen Gästen gezeigt. Die Leute waren völlig entsetzt (lacht).
Wie makaber. Herr Hilbert, wenn Sie zurückdenken, haben Sie je bereut, bei Moshammers gearbeitet zu haben?
THOMAS HILBERT: Nein, keine einzige Minute. Und ganz alltäglich gesehen, ist es so: Noch heute öffnen sich viele Türen, wenn ich sage, ich bin mal der Fahrer von Rudolph Moshammer gewesen. Er war ein großer Sympathieträger. Er konnte ja so sympathisch sein. Manchmal fuhr er mich zur U-Bahn mit seinem Rolls-Royce, nach Dienstende. Da war er für kurze Zeit mein Chauffeur, in Jeans und Lederjacke.
Und wohin fuhr er danach?
Das weiß er nur selbst. Aber es kann sein, dass er Richtung Hauptbahnhof fuhr, im weißen Rolls-Royce.
Gehen Sie manchmal zum Mausoleum der Moshammers auf dem Ostfriedhof?
Regelmäßig. Ich lege Blumen ab, mindestens einmal pro Jahr. Und zwar am 14. Januar. Seinem Todestag.