Missbrauchte Heimkinder in Bayern: Stadt fordert Freistaat zum Handeln auf
München - Die Stadt München ist deutschlandweit Vorreiterin im Umgang mit Betroffenen von Missbrauch in Kinderheimen und Pflegefamilien.
Es geht konkret um Betroffene, die im Zeitraum zwischen 1945 bis etwa 1999 in städtischen Heimen und Pflegefamilien Gewalt erfahren haben oder missbraucht wurden.
Missbrauch von Heimkindern: Stadt München ist Vorreiterin bei Aufarbeitung
Seit 2021 arbeitet eine unabhängige Kommission die Geschehnisse auf. Dazu gehört auch, dass sie ein Konzept erarbeitet hat, um Missbrauchsbetroffenen eine Anerkennungsleistung oder Soforthilfen auszuzahlen. Im letzten August hat der Stadtrat dafür 35 Millionen Euro gesprochen. Aktuell liegen der Kommission 203 Anträge dafür vor. Soforthilfen hat die Kommission bisher in der Höhe von 4,24 Millionen Euro auszahlen können.
Die Arbeit der Kommission wird – natürlich – auch außerhalb der Stadtgrenzen wahrgenommen. Und das wird zunehmend zum Problem, wie deren Vorsitzender, der Ex-Kriminalkommissar Ignaz Raab der AZ schildert: "Wir kriegen sehr viele Anfragen aus ganz Bayern", sagt er.
Für die ist die Kommission aber nicht zuständig, sondern andere Kommunen im Freistaat – oft solche, die überhaupt keine Strukturen im Umgang mit diesen Fällen haben. Schwierig für Raab: "Was ich nicht möchte: Hier sagen 'Tut mir leid, ich bin nicht zuständig'. Das haben Betroffene sehr, sehr oft gehört in ihrem Leben, wenn sie sich ob ihres Leids und ihrer Erfahrungen an eine Stelle wandten".
Münchner Modell: Vorbild für ganz Bayern?
Darum hat nun eine Gruppe von Wissenschaftlern, Betroffenen und der Kommission im November eine Petition erarbeitet, die den Freistaat dazu auffordert, endlich tätig zu werden. Vier Punkte und weitere Maßnahmen enthält die Online-Petition, um dem Problem umfassend zu begegnen. Konkret:
- eine unabhängige bayerische Aufarbeitungskommission
- einen Landesbeauftragten gegen Gewalt in Institutionen
- einen landesweiten Betroffenenrat
- eine unabhängige Anlauf-/Beratungs-/Ombudsstelle für Betroffene und eine Stiftung oder einen Fonds zur Finanzierung der Aufarbeitung und zur Unterstützung Betroffener.
OB Reiter: "Sollte landesweites Anerkennungssystem geben
Auch der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) unterstützt die Petition: "Die Anerkennung dieses Leids sollte nicht davon abhängen, ob eine Institution bereit ist, eine solche Aufarbeitung anzustoßen und entsprechende Anerkennungsleistungen auszuzahlen", so Reiter. "Stattdessen sollte es ein landesweites Anerkennungssystem geben."
Und auch die Dritte Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) weist darauf hin, dass das städtische Sozialreferat bereits vor einem Jahr die zuständige bayerische Staatsministerin Ulrike Scharf (CSU) "auf die Notwendigkeit eines landesweiten Anerkennungssystems hingewiesen" habe. Sie biete auch gerne einen Austausch mit der Münchner Kommission an, die sich "bereits umfassend mit der Thematik beschäftigt hat".
Ignaz Raab kämpft schon lange für die Aufarbeitung, auch hinter den Kulissen im Landtag. Für ihn ist klar: "Der Staat ist in der Pflicht, Standards und Kriterien dazu vorzugeben, wie dieses Thema aufgearbeitet wird". In Bayern sieht Raab ganz klar die Regierung in der Pflicht, das anzugehen.
Die Petition finden Sie im Internet unter betroffenenbeirat-muenchen.de.
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