Medizintourismus im Arabellapark in München: Vermieter beklagen sich

Medizintourismus: Wie Anwohner gegen die Zweckentfremdung von Wohnungen kämpfen – und warum die Stadt (noch) nicht helfen kann.
Nina Job |
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Peggy Schön und Johannes Mühlfellner aus dem Arabellapark (Bild links) fühlen sich von der Stadt allein gelassen. Am Donnerstag wird eine von ihnen initiierte Petition im Sozialausschuss behandelt.
Daniel von Loeper Peggy Schön und Johannes Mühlfellner aus dem Arabellapark (Bild links) fühlen sich von der Stadt allein gelassen. Am Donnerstag wird eine von ihnen initiierte Petition im Sozialausschuss behandelt.

Es hat sie richtig viel Geld gekostet – und einen Kampf, der drei lange Jahre gewährt hat. Wenn Ursula K. alles zusammenrechnet, also Anwaltshonorare, die Kosten des langwierigen Zivilprozesses, die Räumung und schließlich noch die Renovierung ihrer Wohnung, kommt sie auf mehr als 50 000 Euro.

Diesen hohen Preis zahlte die Unternehmerin aus eigener Tasche, um einen Mieter loszuwerden, der ihre Wohnung im Arabellapark illegal an ausländische Medizintouristen untervermietet hatte. Und obwohl Ursula K. das Recht eigentlich auf ihrer Seite hat, hat die Unternehmerin bislang nicht einen Cent zurückbekommen.

Im Sommer 2013 hatte die Geschäftsfrau ihre Wohnung im Arabellapark an einen Mann mit österreichischem Pass vermietet. Youssef G. sagte ihr, dass er mit seiner Frau und seinem Sohn einziehen wolle.
Doch der Mietinteressent log die Eigentümerin an. „Zur Vertragsunterzeichnung erschien er allein. Er erzählte mir, dass sein Kind krank sei und seine Frau mit ihm zum Arzt müsse“, berichtete Ursula K. der AZ. So fing alles an.
Nur wenige Tage später zogen plötzlich andere Menschen mit Trolleys und Koffern in die Wohnung ein: arabische Touristen, die sich in München behandeln lassen wollten und ihre Familie mitbrachten – sogenannte Medizintouristen. Youssef G. hatte ihnen die Wohnung vermittelt.

Erste Probleme mit den Touristen

„Die ersten Beschwerden kamen im Herbst 2013“, berichtet Ursula K. Nachbarn und die Hausverwaltung klagten über Ruhestörungen und starke Essensgerüche. Auch sollen Abfalltüten aus Fenstern geworfen worden sein.
Die erste Familie zog aus, eine neue ein, immer neue Touristen gaben sich die Klinke in die Hand.

Zweckentfremdung von Wohnraum durch arabische Medizintouristen ist ein münchenspezifisches Phänomen. Immer mehr Patienten aus dem Ausland lassen sich in der Landeshauptstadt von Spezialisten behandeln. Sie kommen in der Regel in Hotels und Pensionen unter. Doch in München hat eine kleine Gruppierung von Männern mit arabischen Wurzeln um den ehemaligen Ausländerbeirat Murat H. (Name geändert) den Trend als äußerst lukrativen Geschäftszweig entdeckt. Wohnungen werden gezielt angemietet, um sie weiter zu vermieten. Nach Auskunft des Amts für Wohnen und Migration werden durchschnittlich 200 Euro pro Nacht und Wohnung kassiert: „In der Hochsaision sind es auch mal 300 Euro.“ Das Geld wird bar kassiert.

Stadt München ist machtlos

„Die Stadt München steht diesem Problem machtlos gegenüber“, klagt die Anwohnerin Peggy Schön. Die Angestellte kämpft bereits seit vier Jahren mit anderen Bewohnern aus dem Arabellapark und der Innenstadt gegen diese Form der Zweckentfremdung. „Ich fühle mich von der Stadt total im Stich gelassen“, sagt sie. „Es gab noch nicht eine einzige     Räumung, die die Stadt durchgesetzt hätte. Es passiert einfach nichts.“

Auch sie hat schon viel Geld für juristischen Beistand ausgegeben. Außerdem haben sich die Bewohner mehrerer Häuser zusammengetan, um einen Sicherheitsdienst zu engagieren.

Statt Unterstützung bekam Peggy Schön kürzlich eine Rechnung vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung über 202,19 Euro. Sie hatte die Lokalbaukommission per Antrag aufgefordert, einzuschreiten. Antrag abgelehnt – Gebühr fällig. „Da versteht man die Welt nicht mehr“, sagt die Mutter kopfschüttelnd. Zusammen mit ihrem Nachbarn Johannes Mühlfellner und Waltraud S. aus der Paul-Heyse-Straße, wo ebenfalls illegal an Medizintouristen vermietet wird, hat sie eine Online-Petition mit über 2000 Unterstützern initiiert. Diese Petition wird morgen zusammen mit der Forderung nach schärferen Maßnahmen im Kampf gegen die Zweckentfremdung im Sozialausschuss thematisiert.

Ermittlungsgruppe gegen Zweckenfremdung

„Das Problem ist das Klientel, mit dem wir es zu tun haben“, sagt Elke Englisch, Leiterin der Abteilung Wohnraumerhalt der Stadt. Sie ist damit auch Chefin einer extra aufgestocken Ermittlungsgruppe (5,5 Stellen), die Zweckentfremder aufspürt und versucht, ihnen das Handwerk zu legen. Die Gruppe um den früheren Ausländerbeirat Murat H., der einer der Hauptakteure im Arabellapark ist, beschreibt Elke Englisch so: „Diese Leute erkennen unser Wertesystem nicht an.“

Fragwürdiger Medizintourismus: Brennpunkt Arabellapark

Der Großteil derjenigen, die unerlaubt Ferienwohnungen vermieten, würden damit aufhören, wenn das Amt auf sie aufmerksam wird. „Diese andere Gruppe jedoch zeigt sehr wenig Respekt vor unserem Rechtssystem. Anordnungen wird nicht Folge geleistet, die Verfahren werden in die Länge gezogen. Wir brauchen mehr Durchschlagskraft!“, fordert Elke Englisch.

Gesetz zur Zweckenfremdung soll verschärft werden

Nun endlich scheint es so, dass die Zweckentfremder bald nicht mehr wie bisher agieren können: Am 30. Juni 2017 läuft das Gesetz zur Zweckentfremdung aus. Das neue soll verschärft werden. Bereits vor einiger Zeit hatte der Landtagsabgeordnete Robert Brannekämper (CSU) gefordert, dass Bußgelder auf bis zu eine halbe Million Euro angehoben werden müssen. Im Entwurf für das neue Gesetz steht diese Summe nun drin

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