Masken-Prozess am Landgericht München: Andrea Tandler kommt wohl vor Haftstrafe frei
München - Die wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe angeklagte Politiker- und Unternehmertochter Andrea Tandler muss voraussichtlich für mehr als vier Jahre ins Gefängnis. Darauf hat sich das Landgericht München I in Gesprächen mit den Verteidigern geeinigt. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten.
Voraussetzung für den Deal war ein Geständnis und die Rückzahlung des am Fiskus vorbeigeschleusten Steuergeldes. "Könnte ich die Zeit zurückdrehen, würde ich die Fehler nicht nochmal begehen", sagte die Tochter des ehemaligen CSU-Generalsekretärs Gerold Tandler am Dienstag vor Gericht. Durch ihr Verhalten habe sie nicht nur dem Staat Probleme bereitet, sondern auch ihren Freunden und der Familie.
Prozess in München: Andrea Tandler sitzt bereits seit Monaten in Untersuchungshaft
Vor allem den Moment der Verhaftung im Januar werde die 40-Jährige nie wieder vergessen. Seitdem sitzt Tandler, die gesundheitlich stark angeschlagen ist, in Untersuchungshaft. "Die Haft fühlt sich jahrelang an", beteuerte sie mit leiser und zittriger Stimme. "Doch ich stehe zu meiner Verantwortung und bitte das Gericht um ein gerechtes Urteil." Seit Anfang Oktober läuft der Prozess gegen die Masken-Millionärin. Das Urteil könnte bereits am Freitag fallen. Verteidiger, Staatsanwälte und das Gericht haben seitdem Hunderte Seiten studiert, um den Geschäfts- und Firmenstrukturen von Tandler und ihren Partner Darius N. auf die Schliche zu kommen.
Zusammen sollen die beiden nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie mithilfe einer Schweizer Firma für rund 700 Millionen Euro Masken und Schutzausrüstung organisiert haben. Diese bezahlten der Bund und die Länder Nordrhein-Westfalen und Bayern. Tandler und N. erhielten Provisionszahlungen in Höhe von fast 49 Millionen Euro. Umgerechnet entspricht das einem Stückpreis von etwa neun Euro pro Maske.
Maskenaffäre um Andrea Tandler: Der "Scheinfirmensitz" in der Steueroase Grünwald
Eingefädelt hatte Tandler das Geschäft über ihre Verbindung zur Europaabgeordneten Monika Hohlmeier (CSU). Die Politikerin ist die Tochter des früheren Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß. Ebenso soll sie in Kontakt mit Verena Mayer gestanden haben. Bei dieser Frau handelt es sich um die Schwester des CSU-Staatssekretärs Stephan Mayer, der bis 2021 unter Horst Seehofer im Bundesinnenministerium arbeitete.
Strafbar soll sich Tandler mit ihrem Partner wohl durch die falsche Versteuerung der Einnahmen gemacht haben. Dabei wirft ihr die Staatsanwaltschaft vor, einen "Scheinfirmensitz" ihres Maskenunternehmens in Grünwald angegeben zu haben. Der Nobelort gilt als Steueroase. Im Vergleich zu München wird dort nur etwa die Hälfte an Gewerbesteuer fällig. Das Problem: Tandlers Unternehmen war offensichtlich trotz des Firmensitzes in Grünwald nur bedingt von dort aus tätig. Das Büro soll sich in einem Gebäude mit rund 40 anderen Firmen befunden haben. Für die Räumlichkeiten soll Tandler nicht einmal einen eigenen Schlüssel gehabt haben. Auch eine Postumleitung nach München sei aktiv gewesen.
Insgesamt sei durch den Steuerbetrug laut Staatsanwaltschaft ein wirtschaftlicher Schaden in Höhe von 7,8 Millionen Euro entstanden. Der Staatsanwältin zufolge sei das Geständnis "taktisch motiviert" gewesen, dennoch sei Tandler trotz ihres schlechten gesundheitlichen Zustands nicht in "ihre Krankheit geflüchtet", sondern habe letztlich zur Aufklärung des Falles beigetragen. Dadurch hätte Tandler Vertrauen aufgebaut. Auch deshalb könnten die Haftbefehle gegen die Maskenmillionärin und N. am Freitag außer Vollzug gesetzt werden.
Anwalt lobt Andrea Tandler als "Händler des Lebens"
Damit zeigte sich auch die Verteidigerin von Tandler zufrieden: "Unsere Mandantin hat ihr Wort gehalten." Die Angeklagte habe mehrere Einlassungen gemacht und für Fehler immer wieder um Entschuldigung gebeten. Die Diskussion in den Medien sei hingegen zu aufgeheizt gewesen. Dadurch habe Tandler massive Anfeindungen, darunter auch Morddrohungen, erhalten. Auch deshalb sei Tandler inzwischen in psychologischer Behandlung, wie ihre Verteidigerin mitteilt. Mitausschlaggebend dafür könnten auch Rechtsverstöße von Justizbeamten sein, die die Verteidigerin bemängelt. So hätten die Beamten Tandler bei Arztbesuchen gefesselt. Auch intime Details über ihren Gesundheitszustand sollen sie erfahren haben.
Dass der Politikertochter die rund elfmonatige Untersuchungshaft stark zugesetzt habe, unterstreicht auch der Verteidiger ihres Partners, Thomas Pfister. Eigentlich habe sie ein "tolles Projekt", wie der Anwalt den Maskendeal nennt, vermitteln wollen. Tandler sei ein "Händler des Lebens gewesen". Durch ihre teuren Geschäfte habe sie Menschen vor einer Coronainfektion geschützt und ihnen möglicherweise sogar das Leben gerettet. Enttäuscht ist Pfister offenbar vom Management der Bundesregierung in der Coronakrise. "Die Masken sind von einer Frau Tandler gekommen und nicht von einem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der sie im Keller haben müsste", meint der Verteidiger.
Er spricht von einem "kompletten Staatsversagen" und einem "Verwaltungsdesaster". Tandler habe lediglich "die Moni" angerufen und gehandelt. Dass dadurch ein solcher "Geldsegen" auf sie zukomme, sei ihr anfangs auch nicht bewusst gewesen. Auch ihre Steuerberater würden eine Mitschuld tragen. Sie hätten die Unternehmerin, wie der Verteidiger betont, besser beraten und früher einschreiten müssen.