Malteser: Sanitäter bestiehlt seine Patienten

München – Melita S. wird im Rollstuhl von ihrem Neffen in den Gerichtssaal geschoben. Ganz nah an die Richterbank. Die 95-Jährige hört nicht mehr so gut. Doch an diesem Dienstag ist es wichtig, dass sie die Fragen des Richters, der Schöffen, der Staatsanwältin und der Verteidigerin gut versteht. Sie ist einer von neun alten Menschen, die laut Anklage von einem Sanitäter (35) bestohlen wurden.
Melita S. schildert wie sie im Februar 2014 den Hausnotruf der Malteser betätigte. Eine „Magengeschichte“, erinnert sie sich. Sie musste eine Weile im Krankenhaus bleiben. Was sie bei der Rückkehr erlebte, war „furchtbar“: „Als ich nach Hause kam, stand nicht mehr alles so, wie ich es hingestellt habe.“ Sie bemerkte schnell, dass Bargeld, etwa 500 Euro und Schmuck (Goldringe) fehlten. Das Diebstahlopfer rief die Polizei.
Eine weitere Rentnerin, ebenfalls 95 Jahre, ebenfalls Rollstuhlfahrerin, berichtet, dass sie an ihrem Bett etwas richten wollte und dabei gestürzt sei. Sie alarmierte den Hausnotruf. Der sei nach einer Dreiviertelstunde auch gekommen.
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Um sich röntgen zu lassen, wurde die alte Dame ins Krankenhaus gebracht. Ein Nachbar habe dann beobachtet wie der Sanitäter in ihre Wohnung zurückgekehrt sei. Das war dem Dieb möglich, weil der Schlüssel zur Wohnung für Notfälle bei dem Hilfsdienst hinterlegt worden war.
Der 35-Jährige gibt drei Fälle zu. Der Job beim Hausnotruf sei sehr anstrengend gewesen. Er sei „emotional überfordert“ gewesen, ließ er seine Anwältin Katja Günther erklären.
Besonders perfide: Er hat sich die Schwächsten als Opfer ausgesucht. Menschen, die ihm vertrauten. Ein Opfer erklärt im Zeugenstand: „Ich hätte nie gedacht, das er mich bestiehlt. Er war so nett.“
Immerhin: Über seine Anwältin entschuldigt er sich. „Es tut ihm sehr, sehr leid“, sagt die Verteidigerin. Zu einer persönlich vorgetragenen Entschuldigung konnte sich der 35-Jährige aber nicht durchringen.
Die Malteser handelten sofort. Als sich die Polizei mit dem Verdacht meldete, wurde der Mann frei gestellt, berichtet Thomas Rapp (29), der Leiter der Sozialen Dienste beim Malteser Hilfsdienst.
Rapp betonte am Dienstag, dass Peter S. ein absoluter Einzelfall sei. Das sprichwörtliche schwarze Schaf. Derzeit arbeiten 80 der 700 Malteser beim Hausnotruf. In den sechs Jahren, die er dabei ist, hat er so etwas wie diesen Fall noch nicht erlebt, sagt Rapp.
Das Gericht befand Peter S. am Ende des Diebstahls in neun Fällen schuldig. Auch für die sechs Fälle, die er abgestritten hatte, waren die Indizien offenbar so überzeugend, dass Amtsrichter Josef Bonkamp und dessen Schöffen keinen Grund hatten an seiner Schuld zu zweifeln. Dazu hatten auch die GPS-Daten des Malteser-Fahrzeugs beigetragen. Die belegten, dass der Sanitäter nach seinen Einsätzen zu den Wohnungen zurückgekehrt war.
Die Strafe: Peter S. muss drei Jahre und neun Monate ins Gefängnis.