Lücke in der Pflegereform - Angst um den Heimplatz?

Wegen einer Lücke in der Pflegereform können sich Tausende Bewohner bald die Unterbringung nicht mehr leisten, warnt der Pflegeheim-Verband bpa. Das Problem betreffe auch Bayern und München.
von  Tobias Wolf
80 000 Pflegebedürftige droht eine unsichere Zukunft, warnt
der Pflegeheim-Verband bpa.
80 000 Pflegebedürftige droht eine unsichere Zukunft, warnt der Pflegeheim-Verband bpa. © dpa

Jeder möchte gern zu Hause alt werden. Doch nicht bei jedem spielt die Gesundheit mit. Die Kosten für ein Pflegeheim hat der Betroffene prinzipiell selbst zu tragen. Wenn der eigene Geldbeutel jedoch zu klein ist, springt in der Regel das Sozialamt ein – bislang. Das könnte sich ab Januar 2017 aber ändern, warnt der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa), einer der größten Pflegeheimverbände Deutschlands.

Grund ist eine Lücke im dritten Pflegestärkungsgesetz, das im kommenden Jahr in Kraft tritt. Derzeit sind rund 80 000 Heimbewohner in Deutschland auf Sozialhilfe angewiesen. Sie müssten laut bpa nun um ihren Heimplatz bangen. Denn in der dritten Stufe der Pflegereform fehle für das Sozialhilferecht eine Regelung, heißt es in einer Mitteilung des Verbands, die der AZ vorliegt.

Lesen Sie hier: Das Geschäft mit der Pflege daheim

Für Menschen mit dem dann neuen Pflegegrad 1 (heute ohne Pflegestufe) sei stationäre Pflege damit „praktisch ausgeschlossen“. Konkret heißt das: Für Heimbewohner, die nicht in die Pflegegrade zwei bis fünf eingestuft werden, könne die Finanzierung der Heimkosten durch den Sozialhilfeträger nicht mehr sichergestellt werden. „Betroffen wären ältere Menschen, die einen geringen Pflegebedarf haben, aber trotzdem nicht mehr alleine in ihrer Wohnung leben können“, sagt bpa-Präsident Bernd Meurer. Bleibe der Bund bei seiner Absicht, müssten die Heime bis zu 80 000 Bewohnern kündigen, da die Kosten nicht gezahlt werden könnten, schreibt der Verband. Das Problem betreffe auch Bayern und München, sagt bpa-Sprecher Olaf Bentlage der AZ. Konkrete Zahlen könne er nicht liefern.

Fussek: „Glaube nicht, dass die Menschen in Stich gelassen werden“

„Mit der Pflegereform wurde zugesichert, dass sich die Versorgungssituation für niemanden verschlechtert. Wenn nun in der Sozialhilfe der Anspruch für viele Heimbewohner der Pflegestufe 0 abgeschafft werden soll, stehen bis zu 80 000 Menschen vor einer völlig unsicheren Zukunft“, kritisiert Meurer. Diese Menschen seien häufig über 80 Jahre alt und mussten ihre eigene Wohnung aufgeben.

<strong>Lesen Sie hier: Bayern will bei Pflege der Eltern finanziell entlasten</strong>

Der Münchner Pflege-Experte Claus Fussek glaubt allerdings nicht daran, dass Tausende Pflegebedürftige ihren Heimplatz verlieren werden. „Ich kenne keinen, der sich kein Pflegeheim leisten kann und deshalb unter der Brücke schlafen muss. Jeder, der die Kosten nicht selbst decken kann, erhält bisher Leistungen aus der Sozialhilfe“, erklärt er der AZ. Der bpa sei ein „sehr schillernder Arbeitgeberverband, der lobbymäßig vom feinsten aufgestellt ist“. „Deshalb frage ich mich: Wie konnte das passieren, dass ihnen diese Lücke entgangen ist“, sagt Fussek. Der Pflegekritiker ist sich sicher, dass auch 2017 kein Mensch, der auf Hilfe in der Pflege angewiesen ist, von der Gesellschaft in Stich gelassen werde.

Lesen Sie hier: AZ Kommentar - Fatales Signal

Allerdings bestätigt ein Sprecher des Sozialministeriums der „Bild“, dass die „Hilfe zur Pflege“ für den künftigen Pflegegrad 1 nur noch eingeschränkt zur Verfügung steht. Für diese Gruppe käme dann jedoch „Hilfe zum Lebensunterhalt“ in Betracht. Details nannte der Sprecher aber nicht.

 

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.