Leichenschmaus mit Retsina: Transrapid, ade!

Besser konnte der Tag für Münchens OB Christian Ude (SPD) nicht beginnen. Seine Frau weckte ihn und überbrachte ihm eine Nachricht, die er schon lange herbeigewünscht hatte: Der Transrapid ist vom Tisch!
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MÜNCHEN - Besser konnte der Tag für Münchens OB Christian Ude (SPD) nicht beginnen. Seine Frau weckte ihn und überbrachte ihm eine Nachricht, die er schon lange herbeigewünscht hatte: Der Transrapid ist vom Tisch!

„Zuerst war ich noch skeptisch und dann sehr erleichtert“, erzählt Ude, der gerade Urlaub auf seiner Lieblings-Insel Mykonos macht. „Zum Mittagessen haben wir uns erst einmal einen guten Retsina aufgemacht!“ Ein Leichenschmaus – während 2000 Kilometer nordwestlich der Transrapid beerdigt wurde.

Aus Industriekreisen war bekannt geworden, dass die Trasse zum Flughafen doch mehr als drei Milliarden Euro kosten würde. Jetzt ereilt den Problem-Zug wohl das gleiche Schicksal wie Bär Bruno: Er könnte im Museum enden. „Wir haben zwar schon ein zwei Meter großes Modell in einer Vitrine“, sagte ein Sprecher des Verkehrsmuseums an der Theresienhöhe. „Aber wenn das 1: 1-Modell vom Flughafen an uns gespendet werden soll, können wir darüber reden!“

An vielen Fronten hatten die Transrapid-Gegner in den vergangenen Jahren gegen das „Leuchtturm-Projekt“ der Staatsregierung gekämpft. Jetzt steht ihnen ein mühsamer Rückzug bevor: Zum Beispiel beim Bürgerentscheid. 995000 Wahlbenachrichtigungen sind verschickt worden. Am 13. April sollten die Münchner mit ihrem Votum zum Ausdruck bringen, ob sie den Transrapid wollen oder nicht. Und jetzt?

Bürgerentscheid wird „sehr wahrscheinlich“ abgesagt

„Nachdem der Stadtrat den Bürgerentscheid beschlossen hat, können wir auch nur gemeinsam entscheiden, ihn abzublasen“, erläuterte OB Ude. Es sei zwar „sehr wahrscheinlich“, dass die Abstimmung abgesagt werde. Zunächst müsse aber das Planfeststellungsverfahren für den Transrapid beendet werden. Der Regierung von Oberbayern zufolge handelt es sich dabei nur „um einen reinen Formalismus. Das geht ganz schnell.“

Trotzdem fiel durch den Bürgerentscheid bereits einiges an Kosten an: Alleine Druck und Versand der Wahlbenachrichtigungen schlägt mit mehr als 400000 Euro zu Buche. Und jetzt erhalten die Bürger wohl noch eine Postkarte – damit sie eben doch nicht wählen gehen. Doch Ude beschwichtigt: Im Vergleich dazu, was das missglückte Magnetbahn-Projekt bereits gekostet habe, sei diese Summe „minimal“. „In die Planung des Transrapids wurden in München 40 Millionen Euro investiert!“

Die Münchner CSU, die das Projekt stets verteidigt hatte, war gestern um Schadensbegrenzung bemüht – und schob die Schuld für das Scheitern des Projekts der Industrie in die Schuhe. Der Münchner CSU-Chef Otmar Bernhard warf den Unternehmen ein „unseriöses Versteckspiel“ bei den Kosten vor.

Nachdem der Transrapid nun endgültig auf dem Abstellgleis steht, bleibt neben dem Bürgerbegehren eine weitere Baustelle zurück. Das Bayerische Verfassungsgericht soll derzeit eigentlich darüber entscheiden, ob das Volksbegehren gegen den Zug zulässig ist. „Wenn jetzt niemand den Antrag zurückzieht, läuft das Verfahren ganz normal weiter“, hieß es aus dem Gericht. Doch auf AZ-Anfrage fühlten sich weder das Innenministerium noch der Anwalt der Transrapid-Gegner zuständig dafür, das Verfahren zu stoppen. Das könnte am 4. April eine skurrile Entscheidung geben.

Julia Lenders

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