Leerstand in München: Neues Herz für die Villa Hertz
München - Mit großen Villen tun sich Immobilienentwickler selbst in München gelegentlich schwer. Marode Bausubstanz, schlechte Aufteilung oder der Denkmalschutz schrecken potenzielle Käufer ab. So kommt es, dass an manch prominenter Stelle historische Bausubstanz verrottet. Die Villa Hertz in Bogenhausen ist so ein Anwesen.
Geschichte der Villa Hertz: 1903 in Auftrag gegeben
Hinter dem wackligen Bauzaun in der Möhlstraße ist das Gebäude (fast) in Vergessenheit geraten. Dabei hat es eine besonders bewegte Geschichte hinter sich. In Auftrag gegeben worden ist die Villa, gemeinsam mit einem Schwesterhaus an der Hausnummer 30 a, von der Privatière Klara Hertz um 1903. Nach ihrem Tod gingen Häuser und Grundstück an ihre Erben Hans und Luise Herrmann über.

Das jüdische Arztehepaar wohnte an der Möhlstraße bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten. Im Frühjahr 1938 begannen die Nazis mit der systematischen Enteignung der Münchner Juden. Aus dieser Zeit findet sich auch ein "Verkaufsbeleg" des Herrmannschen Grundbesitzes an die sogenannte Vermögensverwertung München GmbH. Von dieser Arisierungsstelle wurden jüdische Besitztümer an Nichtjuden übertragen, vornehmlich NSDAP-Mitglieder.
Möhlstraße 30: 1939 leben hier drei jüdische Familien
In der Möhlstraße hießen die Begünstigten Karl Leoprecht und Franz Strohmeier, beide Doktoren. In der Villa wohnten sie aber nicht, denn diese wurde zu einem der etwa 20 "Judenhäuser" im Stadtgebiet. In diesen Immobilien wurden zwangsenteignete Münchner Juden einquartiert, isoliert und zusammengepfercht, bevor sie in eines der Konzentrationslager deportiert wurden.
In der Möhlstraße 30 lebten im Jahr 1939 drei Familien mit insgesamt acht Personen. Zwei davon waren Elsbeth und Hedwig Engelmann. Die Pianistin Hedwig Englmann war nach dem Studium in Paris wieder bei ihrer verwitweten Mutter in der Luisenstraße eingezogen.
Ehepaar Herrmann überlebt den Holocaust in Palästina
In die Villa Hertz wurden beide im Oktober 1939 gebracht. Dort blieben sie bis Frühjahr 1942. Am 4. April wurde Hedwig in das Ghetto Piaski in Polen deportiert und dort ermordet. Ihre Mutter Elsbeth kam über das Barackenlager an der Knorrstraße im Juni 1942 ins KZ Theresienstadt. Von dort aus wurde die 72-Jährige nach Treblinka verschleppt und dort ermordet.
Der Eigentümer der Villa Hertz, Hans Herrmann, ist nach Dachau gebracht worden. Er verbrachte dort 16 Tage, so ist es in den Besucherprotokollen seiner Fluchthelfer, der Münchner Quäker Annemarie und Rudolf Cohen, vermerkt. Demnach hatte das Ehepaar seit 1934 mehrmals vergeblich versucht, aus Deutschland auszureisen.
1952 erhält Luise Herrmann ihre Villa zurück
Eine Zeit lang leitete Arzt Herrmann ein Sanatorium in Nizza. Als die Konten gesperrt und die Pässe nicht verlängert wurden, kehrte er heim nach München. Ende 1939 saß er in Stadelheim ein. 1940 konnte das Ehepaar Herrmann - sie 50, er 60 Jahre alt - tatsächlich nach Palästina auswandern.
1952 erhielt Luise Herrmann, ihr Mann war mittlerweile gestorben, ihre Villa in Bogenhausen zurück. Bis 2012 war dort ein Teil der Kinder- und Jugendpsychiatrie vom Klinikum rechts der Isar untergebracht, 2011 ist die Villa gemeinsam mit dem Nachbargrundstück 28 von der Immobiliengruppe Ritter gekauft worden.
Wird die Villa Hertz ein Denkmal?
"2015 ist eine Baugenehmigung mit dem Betreff 'Nutzungsänderung: Klinik zu Wohngebäude. Einbau von sieben Wohnungen mit Aufzug' erteilt worden", sagt ein Sprecher des Planungsreferats. Diese Genehmigung sei zuletzt bis 2021 verlängert worden. Ein Baubeginn wurde noch nicht angezeigt. Wegen Zweckentfremdung wird an dieser Stelle übrigens nicht ermittelt, teilt das Sozialreferat auf Anfrage mit. Schließlich sei die Villa Hertz formal (noch) ein Gewerbe.
Das soll sich ändern, bestätigt ein Mitarbeiter des Maklerbüros Fischer von Engel, das das Objekt betreut. Demnach sei es an einen bayerischen Investor verkauft worden. Er plane dort ein Mehrgenerationenhaus - "das Haus soll im alten Stil wieder hergerichtet werden", sagt der Immobiliensprecher. Die Planung sei in der Genehmigungsphase. Spätestens in eineinhalb Jahren soll die Villa fertig sein. Vielleicht wird sie dann im Status erhoben - und wird Denkmal.

Thalkirchner Straße: Drei Jahre Baustelle - und kein Ende
Seit mehr als drei Jahren bangen die Mieter in der Thalkirchner Straße 80 um ihr Zuhause. Drei Jahre Baustelle, monatelange Ungewissheit. Und wenig Hoffnung auf Besserung. Zuletzt haben die verbliebenen Bewohner - viele sind es nicht mehr - auf die Lage in ihrem Komplex mit einer Informationsveranstaltung hingewiesen. Mittlerweile stehen 17 der mehr als 27 Wohneinheiten in dem denkmalgeschützten Bau in der Isarvorstadt, bestehend aus Vorder- und Hinterhaus, leer. Entworfen hatte es Kaspar Griner 1879 im Stil der Neorenaissance. 2004 hat der Block den Fassadenpreis der Stadt München gewonnen.
Das imposante Bauwerk gleich gegenüber vom Alten Südfriedhof haben sich in den vergangenen Jahren mehrere Eigentümer zunutze machen wollen. Den Pächtern der Ateliers und Galerien im Rückgebäude, durch die das Gebäude seinen Spitznamen "Künstlerhaus" erhalten hat, sind die Verträge noch vom ersten Eigentümer gekündigt worden.
Viele der Wohnungen eine einzige Baustelle
Die Bewohner erhielten saftige Mieterhöhungen - teilweise um mehr als 120 Prozent. Modernisierungen wurden angekündigt. Bauarbeiter rückten an. "Sie rissen denkmalgeschützte Türstöcke raus und sanitäre Einrichtungen", erzählt Tilman Schaich, einer der Initiatoren der Initiative #ausspekuliert und Mieter in der TK 80 UG & Co KG, wie die Projektgesellschaft zu der Immobilie heißt.
Seit Herbst 2018 sei nichts mehr passiert. Viele der Wohnungen befinden sich im Baustellenzustand. Kabel hängen von der Decke, überall viel Schutt und Staub. Die Mieter gründeten eine Mietergemeinschaft, wandten sich an Politik, Verbände und Gerichte. Unterdessen wurde ihnen immer mal wieder der Strom abgedreht. "Ein älterer Nachbar mit kranker Frau wollte das nicht. Er ist ausgezogen", sagt Schaich. Dem Mieter sei eine Wohnung zur Untermiete angeboten worden. Erst dieses Jahr habe er etwas Neues gefunden. In der Zwischenzeit sind die beiden Häuserteile in Eigentumswohnungen umgewandelt worden. Weil das Gebiet aus der Erhaltungssatzung gefallen ist, hatte die Stadt an dieser Stelle kein Vorkaufsrecht. Auch die Mieter wurden übergangen, dagegen haben sie geklagt.
Derzeit gehören die Gebäude zur Remberg Bauträger GmbH & Co. KG. Sie soll 19,5 Millionen Euro dafür bezahlt haben. Ende 2019 hat das Unternehmen erneut Anträge bei der Stadt eingereicht. Das Vorderhaus solle modernisiert werden, heißt es. Weil das Wohnen im Gebäude in seinem jetzigen Zustand unzumutbar ist, verstößt die GmbH nicht gegen Münchens Zweckentfremdungssatzung, die langen Leerstand eigentlich untersagt - schließlich arbeiten ja Menschen auf der Baustelle. Immer mal wieder.
Noch mehr Leerstand: Verfall von Schmuckstück in der Ludwigsvorstadt
Unweit der Theresienwiese steht ein besonders schönes Bauwerk aus der Zeit um 1894. Architekt Wilhelm Spannagel hat das Wohngebäude einst im Stil der "Deutschen Renaissance" erdacht. Von Umbruch und Wiederaufleben ist auf dem Grundstück an der Schubertstraße 8 aber seit Jahren nichts zu sehen. Das Denkmal verfällt zusehends.
Im Bezirksausschuss Isarvorstadt-Ludwigsvorstadt hat das die Fraktion der CSU bereits im Mai in einem Antrag an die Stadtverwaltung bemängelt und sie aufgefordert, "darzulegen, welche Maßnahmen sie in der Vergangenheit ergriffen hat, um den Leerstand zu beenden oder zu begrenzen". Seit mehr als zehn Jahren stehe der Komplex leer und sei dem "Verfall preisgegeben".
Bis Ende 2013 passierte nichts auf der Baustelle
Tatsächlich hat das Anwesen seit 2009 mehrfach den Besitzer gewechselt, zwischenzeitlich war von mindestens vier Eigentümern die Rede. Insgesamt seien dort drei Bauherren aufgetreten - "wobei ein Wechsel der Bauherreneigenschaft nicht stets mit einem Wechsel der Eigentümer korrespondieren muss", heißt es in einer Antwort aus der Lokalbaukommission (LBK) an den BA. Zunächst trat eine Firma als Eigentümer auf, die in dem Gebäude Mietwohnungen sowie Büros errichten wollte. Im Hinterhof sollten Aufzüge angebaut und Balkone angebracht werden. Ein Umbauantrag wurde 2009, eine erste Änderung 2012 genehmigt. Bis Ende 2013 passierte nichts auf der Baustelle. Eine zweite Umbaugenehmigung hat die LBK nach eigenen Angaben Anfang 2014 erteilt.
Mehr als ein Jahr später, im Juli 2015, wollte der Eigentümer mit dem Bau beginnen. Alles verlief schleppend. Mitte 2017 wollte die Stadt den Bau vorläufig stoppen, weil dort nicht nach Plan gearbeitet wurde. Zudem wurden Zwangsgelder in fünfstelliger Höhe gegen den Bauherrn verhängt. Zwei Mal ist in der Folge versucht worden, die Pläne zu ändern - erfolglos. Die LBK hatte denkmalschutzrechtliche Bedenken bei dem Vorhaben.
Mitte 2019 wurden erneut Anträge eingereicht. Diesmal von einem neuen Besitzer. Bauarbeiten finden dort allerdings noch immer nicht statt. Offenbar ist den Eigentümern das Geld ausgegangen. "Gegenüber der Unteren Denkmalschutzbehörde wurde ausgeführt, dass ein neuer Teilhaber gefunden sei, so dass wieder finanzielle Mittel zum Weiterbau zur Verfügung stünden", heißt es im Schreiben der LBK.
Demnach sollen die Pläne erneut geändert werden. Dieses Mal geht es um die Aufzüge. Eingegangen ist von den Plänen bei der Stadt indes - nichts.
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