Kriminelle Vereinigung? Amnesty International kritisiert Anklage von Klimaaktivisten

Mit einer Großrazzia gingen Ermittler im Mai 2023 gegen die Gruppe Letzte Generation vor. Jetzt gibt es eine Anklage. Die stößt auf breiten Protest. Ob es zum Prozess kommt, muss das Landgericht München I entscheiden.
AZ/dpa |
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Die Gruppe Letzte Generation war bei bayerischen Ermittlern nicht nur wegen zahlreicher Straßenblockaden in den Fokus geraten. (Archivbild)
Die Gruppe Letzte Generation war bei bayerischen Ermittlern nicht nur wegen zahlreicher Straßenblockaden in den Fokus geraten. (Archivbild) © Lennart Preiss/dpa

München - Amnesty International und weitere Organisationen protestieren scharf gegen eine Anklage von Mitgliedern der ehemaligen Klimagruppe Letzte Generation wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung

Nicht nur Klimaschutz: Gruppe will sich künftig auch für Demokratie einsetzen

Das Vorgehen der Generalstaatsanwaltschaft München sei unverhältnismäßig, sagte die Generalsekretärin von Amnesty International, Julia Duchrow. Damit werde die gesamte Klimabewegung stigmatisiert und kriminalisiert. Dabei sei auch unbequemer Protest durch die Verfassung und die Menschenrechte geschützt.

Eine bundesweite Razzia im Zuge der Ermittlungen hatte für viel Aufmerksamkeit und scharfe Kritik gesorgt. (Archivbild)
Eine bundesweite Razzia im Zuge der Ermittlungen hatte für viel Aufmerksamkeit und scharfe Kritik gesorgt. (Archivbild) © Christoph Soeder/dpa

Die Generalstaatsanwaltschaft München hat wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung Anklage gegen fünf Mitglieder der ehemaligen Letzten Generation erhoben. Zu den konkreten Vorwürfen in der Anklage äußerte sich eine Sprecherin zunächst nicht. 

"Kriminalisierung wie jetzt in München darf in einem Rechtsstaat wie Deutschland nicht passieren"

Die Protestgruppe nennt sich inzwischen Neue Generation. Dies sagte das Mitglied Raphael Thelen kürzlich dem "Spiegel". Die Gruppe werde sich künftig nicht mehr nur für Klimaschutz, sondern für Demokratie allgemein einsetzen. Luisa Neubauer von "Fridays for Future" kritisierte das Vorgehen der Ermittler als "Baseballschläger-Umgang" mit Protest. Auch wenn man uneins darüber sei, ob es richtig sei, sich auf Straßen zu kleben – man sei sich einig, dass es Protest brauche. 

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Christoph Bautz von der Organisation Campact sagte, auch wenn man das Vorgehen der Letzten Generation für falsch und schädlich für die Klimabewegung halte – eine derartige Kriminalisierung wie jetzt in München dürfe in einem Rechtsstaat wie Deutschland nicht passieren. Joschka Selinger von der Gesellschaft für Freiheitsrechte warnte vor einem Abschreckungseffekt.

"Es kommt zu Abschreckung und Einschüchterung"

"Wichtiges zivilgesellschaftliches Engagement kann durch so unverhältnismäßige repressive Maßnahmen erstickt werden. Es kommt zu Abschreckung und Einschüchterung", beklagte Duchrow. Das habe in einer menschenrechtsbasierten Gesellschaft, die vom freien Meinungsaustausch lebe, keinen Platz. Sie betonte: "Wir brauchen Protest und wir brauchen Klimaprotest."

Ob es zum Prozess kommt, muss das Landgericht München I entscheiden. Bis zu einer möglichen rechtskräftigen Verurteilung gilt für die Betroffenen die Unschuldsvermutung. Bei einer Verurteilung droht den Rädelsführern bis zu fünf Jahren Haft, in manchen Fällen sogar bis zu zehn Jahren. 

Bundesweite Razzia sorgte für Aufsehen

Eine bundesweite Razzia in dem Fall hatte im Mai 2023 teils scharfe Kritik und Streit vor Gericht ausgelöst. Damals hatten 170 Polizisten 15 Objekte in sieben Ländern durchsucht. Unter Federführung der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus und des Landeskriminalamts wurde damals auch die Internetseite der Gruppe vorübergehend abgeschaltet. 

Nicht die erste Anklage ihrer Art

Es ist nicht die erste Anklage gegen Mitglieder der Gruppe wegen des Vorwurfs der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Im brandenburgischen Neuruppin hat die Staatsanwaltschaft gegen fünf Mitglieder eine entsprechende Anklage erhoben. Ob es in dem Fall zu einem Prozess kommt, war zuletzt noch offen.

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6 Kommentare
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  • Der wahre tscharlie am 27.03.2025 19:41 Uhr / Bewertung:

    Wenn man sich unsere bundesrepublikanische Geschichte ansieht, so war Protest schon immer unbequem. Und das muß er auch sein, um auf "Misstände" aufmerksam zu machen. Vergleicht man das Hinkleben mit früheren Protestaktionen, Hausbesetzungen, Strassenblockaden, insbesonders was damals alles zu WAA-Zeiten passiert ist, dann ist die Anklage eigentlich peinlich.

    Aber wie im Artikel steht, es geht um Einschüchterung. Vermutlich auch ein Hinweis an jene, die zur IAA Proteste plannen.
    Und wie ich früher schon mal schrieb, Protest an der Obrigkeit in Bayern ist nicht gern gesehen. Das zeigt auch die Ansage Söders an die Kirche, sie möge sich aus der Politik raushalten.

    Und sollte es mal soweit kommen, dass es in Bayern keinen Protest mehr gibt, dann werden uns die CSUler*innen es so "verkaufen", das alle Bayer*innen so glücklich sind.
    In Wirklichkeit haben sie aber Angst, eventuell im Gefängnis zu landen.

  • KUMMUC am 26.03.2025 22:44 Uhr / Bewertung:

    Breiter Protest, eher die breite Masse der Bevölkerung begrüßt endlich das Durchgreifen der Justiz statt Verharmlosung von Straftätern als sogenannte Aktivisten. Ich hoffe auf eine entsprechende Verurteilung.

  • Boandl_kramer am 26.03.2025 19:24 Uhr / Bewertung:

    In der Vergangenheit wurden schon Stammtische und politisch unbotmäßige Musikbands zu kriminellen Organisationen erklärt. Die Rechtslage ist da ziemlich schwammig und gibt das wohl her. Bei den diversen Ökoextremistengruppen wäre es tatsächlich mal angebracht härter durchgreifen.

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