Interview

Kommunikationsexperte Jo Groebel zur Causa Hubert Aiwanger: "Wahrheit, Wahrheit, Wahrheit!"

Das sagt Kommunikationsexperte Jo Groebel über die Kommunikation von Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und Markus Söder (CSU) in der Flugblatt-Krise.
von  Heidi Geyer
Ein Flugblatt sorgt für dicke Luft zwischen Hubert Aiwanger (li.) und Markus Söder.
Ein Flugblatt sorgt für dicke Luft zwischen Hubert Aiwanger (li.) und Markus Söder. © Peter Kneffel/dpa

München - Ein Skandal erschüttert Bayerns Politik vor der Landtagswahl: Was hat Hubert Aiwanger (Freie Wähler) mit den antisemitischen Flugblättern zu tun, die zu Schulzeiten in seiner Tasche gefunden wurden – und wie kommt er aus dieser Nummer vor der Wahl wieder raus?

Die AZ hat darüber mit Kommunikationsexperte Jo Groebel gesprochen. Der Medienpsychologe verrät im Interview außerdem, was er Regierungschef und Aiwangers Koalitionspartner Markus Söder raten würde.

AZ: Herr Groebel, was ist in der Causa Aiwanger alles schiefgelaufen?
JO GROEBEL: Der zentrale Punkt ist natürlich das Flugblatt – das ist zu gravierend, als dass man das nur als einen Dumme-Jungen-Streich einschätzen kann. Das hat man auch schon in den 1980er Jahren so gesehen, wenn nicht noch viel mehr als heute: Über das Grauen macht man keine Scherze. Wenn es denn der Bruder gewesen ist, dann darf man keine kollektiven Rückschlüsse ziehen. Und im Zweifelsfall sollte man erst mal glauben, dass dem so war. Hubert Aiwanger wird sich erst mal sammeln und die Vorgänge sortiert haben müssen. Die entscheidende Frage heute ist: Wie fängt man das ein?

Der 72-jährige Medienpsychologe Jo Groebel gilt als einer der profiliertesten Kommunikationsexperten in Deutschland.
Der 72-jährige Medienpsychologe Jo Groebel gilt als einer der profiliertesten Kommunikationsexperten in Deutschland. © imago

Wie kommt Hubert Aiwanger aus dem Flugblatt-Skandal heraus? "Gibt eine Strategie: Wahrheit"

Markus Söder scheint abzuwarten und hat den Koalitionsausschuss einbestellt – ist das günstig?
Die Reaktion ist sehr richtig und politisch klug. Er wird Bedenken haben, dass sich das massiv auf die geplante Koalition auswirken wird. Etwa, dass die Freien Wähler eine Rufschädigung erleben oder als Partei massiv Stimmen verlieren werden, was ich zwar nicht glaube. Es ist derzeit komplett offen, wie es sich auf Söder und die CSU auswirkt. Die CSU darf auf keinen Fall in den Ruch kommen, dass da ein latent rechtes Gedankengut irgendwo rumdümpelt und auftauchen könnte. Das kommunikativ eigentliche Problem ist, dass immer etwas hängen bleibt. Niemand, der noch bei Sinnen ist, wird Aiwanger neonazistisches Denken unterstellen. Söder erst recht nicht. Trotzdem bleibt das für Deutschland und Bayern ein bemerkenswerter Vorgang, den man nicht einfach ad acta legen kann. Es muss aufgearbeitet werden, aber dann muss es auch gut sein.

Was hätten Sie Herrn Aiwanger geraten?
Ich hätte ihm das geraten, wovon er sicherlich auch sagen würde, dass er es gemacht hat. Denn es gibt nur eine Strategie und die lautet: Wahrheit, Wahrheit, Wahrheit. Da gibt es keine PR-Tricks! Unterstellen wir mal, dass er wirklich die Wahrheit gesagt hat.

Es gibt Vorwürfe einer Schmutzkampagne – kann man den Journalisten einen Vorwurf machen?
Wenn die Sache hieb- und stichfest ist, dann nein. Die Kampagne beginnt eigentlich erst dann, wenn sie vom Timing her zu einem besonderen Zeitpunkt kommt. Sollte das erst kürzlich an die "SZ" durchgestochen worden sein, dann muss das schnell nach eigener Recherche auch raus. Sollte das schon seit Monaten gelegen haben, dann wäre es schon problematisch, das so kurz vor der Wahl zu bringen. Aber noch mal: Es gehört in der zweiten Runde auch dazu, die Erklärung Aiwangers zu akzeptieren.

Hubert Aiwanger wollte die "Demokratie zurückholen": "Solche Äußerungen sind dumm"

Muss man das? Aiwanger hat sich ja in letzter Zeit öfter problematisch geäußert, Stichwort: "Demokratie zurückholen" in Erding.
Solche Äußerungen sind schlicht dumm. Herr Aiwanger ist bei allem Respekt vermutlich nicht der Inbegriff des Ultra-Intellektuellen und rhetorisch Versierten.

Unterschätzen Sie Herrn Aiwanger da nicht vielleicht?
Ich sage es mal so: So eine gefährliche Äußerung als Teil eines Wahlkalküls kann sehr nach hinten losgehen. Nur ist mir der Bogen zu einer extremst den Nationalsozialismus verharmlosenden Geschichte in abscheulicher Sprache zu groß. Das sind für mich zwei Dinge. Deshalb bin ich sehr zurückhaltend.

Wie wird der Koalitionsausschuss ausgehen?
Das kann ich nur schwer einschätzen. Bestenfalls werden Aiwanger die Äußerungen in Erding als auch die Flugblatt-Affäre eine gründliche Lehre sein. Es wäre doch ein positiver Punkt, wenn das ein massiver Warnschuss wäre. Noch ist er kein Höcke – hoffen wir, dass er das nicht insgeheim vorhat.

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