Jahrelang strömten Feierwütige durch den Kunstpark Ost: Jetzt ist das Werksviertel München preisgekrönt

Das frühere Pfanni-Areal in München hat den Deutschen Städtebaupreis gewonnen. Ein guter Anlass, mal wieder hinzuschauen – und dort auch eine Ausstellung über die Entwicklung des Werksviertels zu besuchen. Einst sah es hier ganz anders aus, als in den Kunstpark Ost Tausende Feierwütige strömten. Heute ist davon kaum noch was zu sehen.
Nina Job
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Der Kunstpark Ost im Werksviertel war eines der größten Veranstaltungszentren in Deutschland.
IMAGO / HRSchulz 10 Der Kunstpark Ost im Werksviertel war eines der größten Veranstaltungszentren in Deutschland.
Das Werksviertel Mitte: Am Kartoffelplatz steht das orangefarbene Kreativquartier Werk 12. Das Hotel-Hochhaus war mal ein Kartoffelsilo.
10 Das Werksviertel Mitte: Am Kartoffelplatz steht das orangefarbene Kreativquartier Werk 12. Das Hotel-Hochhaus war mal ein Kartoffelsilo.
Seit 2017 leben Schafe auf dem Dach vom Werk 3.
Ivana Bilz 10 Seit 2017 leben Schafe auf dem Dach vom Werk 3.
Blick von oben auf die grüne Dachterrasse, auf der die Schäfchen frei herumlaufen dürfen.
Ivana Bilz_OTEC 10 Blick von oben auf die grüne Dachterrasse, auf der die Schäfchen frei herumlaufen dürfen.
Die Pfanni-Werke (gegründet 1949) aus der Luft. Das Foto stammt von 1966. Namen von Straßen und Plätzen erinnern heute noch an die Geschichte.
Pfanni 10 Die Pfanni-Werke (gegründet 1949) aus der Luft. Das Foto stammt von 1966. Namen von Straßen und Plätzen erinnern heute noch an die Geschichte.
Das Werksviertel München Mitte wächst weiter. Die Comic-Schrift "Wow" auf dem Werk 12 ist ein Tribut an die Graffiti-Kultur.
Ivana Bilz_OTEC 10 Das Werksviertel München Mitte wächst weiter. Die Comic-Schrift "Wow" auf dem Werk 12 ist ein Tribut an die Graffiti-Kultur.
So haben viele das Gelände am Ostbahnhof in Erinnerung: Mit Street-Art und vielen Clubs – einige gibt es nach wie vor.
Oliver Heissner 10 So haben viele das Gelände am Ostbahnhof in Erinnerung: Mit Street-Art und vielen Clubs – einige gibt es nach wie vor.
Wo sich heute das Riesenrad dreht, soll mal das neue Konzerthaus stehen.
Ossip Van Duivenbode 10 Wo sich heute das Riesenrad dreht, soll mal das neue Konzerthaus stehen.
Der Masterplaner: Johannes Ernst von Steidle Architekten.
Nina Job 10 Der Masterplaner: Johannes Ernst von Steidle Architekten.
Das Werk 1 (vorn) ist heute die Heimat von Start-ups.
Pfanni 10 Das Werk 1 (vorn) ist heute die Heimat von Start-ups.

München - Es pulsiert am Knödelplatz am Montag um die Mittagszeit. Handwerker, Büromenschen, Start-up-Kreative und Freischaffende sitzen draußen und genießen die Frühlingssonne. Sie haben sich etwas zu essen geholt in einem der vielen kleinen Lokale unten im Werk 3. Zum Beispiel bei Monthi Saparp, die den bunten Imbissmarkt Khanittha betreibt. Hier kann man sich vom Werksviertel nach Bangkok träumen. Nebenan gibt es auch bayerische Küche und auf der anderen Seite guten Kaffee.

Das Werksviertel am Ostbahnhof steckt mitten in einem Transformationsprozess. Hinter einem der Gebäude am Knödelplatz ragen grüne Kräne in den Himmel, hier wird noch gebaut. In der anderen Richtung ist vor Kurzem eine Schule fertig geworden, offiziell ihrer Bestimmung übergeben ist sie noch nicht. Dagegen herrscht im Hostel Wombat's schon Hochbetrieb. Und im Hotel daneben genießen die Gäste eine atemberaubende Sicht über die Stadt.

So haben viele das Gelände am Ostbahnhof in Erinnerung: Mit Street-Art und vielen Clubs – einige gibt es nach wie vor.
So haben viele das Gelände am Ostbahnhof in Erinnerung: Mit Street-Art und vielen Clubs – einige gibt es nach wie vor. © Oliver Heissner

Werksviertel in München: "Eines der außergewöhnlichsten Projekte"

In den nächsten Jahren sollen im Werksviertel noch Hunderte Wohnungen gebaut werden und vier Kindertagesstätten – und irgendwann wird wohl auch das neue Konzerthaus in abgespeckter Form stehen. "Vielfältig und lebenswert, durchmischt und spannend" soll es werden, das neue Quartier, schwärmt Johannes Ernst von Steidle Architekten. In fünf Jahren etwa könnte alles fertig sein. Der Architekt ist der Masterplaner fürs Werksviertel. 2023 hat das Quartier den Deutschen Städtebaupreis gewonnen. Die Jury würdigte es als eines der "außergewöhnlichsten Projekte der jüngeren Vergangenheit".

Wenn man das Glück hat, von Johannes Ernst herumgeführt zu werden, kann man unzählige kleine und große Geschichten erfahren rund um die Entstehung und Verwirklichung. "Das war hier mal das toteste Immobilienprojekt, das es gab in München", erzählt er. Eine 39 Hektar große Industriebrache hinterm Ostbahnhof. Hier neu zu bauen würde sich nie rentieren, weil man kaum Miete verlangen könne in einer so unattraktiven Lage, hieß es lange. 

Der Masterplaner: Johannes Ernst von Steidle Architekten.
Der Masterplaner: Johannes Ernst von Steidle Architekten. © Nina Job

Das ist längst Schnee von gestern. Mittlerweile haben sich neben Clubs und Hotels auch Firmen wie der Elektronikkonzern Rhode & Schwarz angesiedelt, die Münchner Rück hat Büros für ihre Denkfabrik angemietet.

Dass auf dem früheren Pfanni-Gelände nun so ein buntes Nebeneinander entsteht, ist vor allem Werner Eckart, dem Eigentümer und Betreiber des früheren Pfanni-Geländes, zu verdanken. "Er wollte das Areal nicht einfach gewinnbringend verkaufen", sagt Ernst. "Er ist ein Unternehmer, wie ich keinen anderen kenne. Eckart wollte Vielfalt und unkonventionelle Ideen entwickeln. Anstatt auf Abriss und kurzfristige Spekulationsgewinne zu setzen, haben die Eigentümer von Anfang an auf Erhalt, Nachverdichtung und maximale Nutzungsmischung gesetzt." Und so wurde zum Beispiel aus der früheren Knödelfabrik das von Steidle Architekten umgeplante Werk 3: heute ein Gebäude für Büros, Geschäfte und Ateliers. Die Silos für Kartoffelmehl sind heute ein skulpturartiger Bau, der das Hostel, ein Hotel und das Kletterzentrum beherbergt.

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Münchner Werksviertel gewinnt Deutschen Städtebaupreis: "Der Spirit ist geblieben"

Was bleibt, ist die Knödelvergangenheit des Areals – und die soll auch sichtbar bleiben. "Bei den Namen war Werner Eckart knallhart", sagt Johannes Ernst. "Der Knödelplatz musste so heißen." Und so wird's auch in der Ausstellung zum Deutschen Städtebaupreis im Werk 12 als Reminiszenz an früher eine originale Kartoffelrüttelmaschine und eine Kartoffelwaschmaschine zu sehen geben. "Das Viertel hat sich radikal verändert und trotzdem ist der Spirit geblieben. Die Seele kann man nicht austreiben", sagt Ernst.

Die Pfanni-Werke (gegründet 1949) aus der Luft. Das Foto stammt von 1966. Namen von Straßen und Plätzen erinnern heute noch an die Geschichte.
Die Pfanni-Werke (gegründet 1949) aus der Luft. Das Foto stammt von 1966. Namen von Straßen und Plätzen erinnern heute noch an die Geschichte. © Pfanni

Die Ausstellung zum Deutschen Städtebaupreis "Es geht also doch" wird bis 28. März gezeigt. Der Preis wird alle zwei Jahre von der Akademie für Städtebau und Landesplanung ausgelobt und von der Wüstenrot Stiftung unterstützt. Gezeigt werden 15 prämierte Arbeiten. Das Werksviertel hat sich gegen 50 Mitbewerber durchgesetzt.


Speicherstr. 20, Di-So 13-18 Uhr, Eintritt frei. Am 18. und 25. März, um 14 Uhr führt Johannes Ernst durchs Werksviertel. Anmeldung: info@steidle-architekten.de

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7 Kommentare
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  • Crissfader am 13.03.2024 10:08 Uhr / Bewertung:

    Ich war 1997 auf der ersten RAVE CITY im Kunstpark Ost, nachdem am alten Flughafen Riem 1996 die letzte RAVE CITY stattfand und die Lichter ausgingen.
    Ich wünsche Werner Eckart viel Erfolg mit seiner neuen tollen Vision, wovon er schon im Jahr 2011 schwärmte und ich Gelegenheit hatte ihn persönlich kennenzulernen. Werner Eckart und seine Familie sind eine wahre Bereicherung für die Stadt München, wirtschaftlich wie auch kulturell. Ein großes Dankeschön und Hochachtung meinerseits.

  • Futurana am 12.03.2024 11:03 Uhr / Bewertung:

    Die Zeiten ändern sich. Das Nachweinen der damaligen Subkultur mit verruchten Clubs ist nur ein nachweinen der eigenen vergangenen Jugendzeit. Die jetzige Jugend wird sich wieder ein Areal schaffen zum subkulturen aber es ist ein anderes als vorher.

  • Nobbse2710 am 12.03.2024 19:05 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Futurana

    Wissen sie da mehr? Ich bekomme eigentlich immer nur das Gegenteil fest: etablierte Areale wie Backstage, Feierwerk usw bekommen ständigen Gegenwind, weil Investoren Luxuswohnungen in der Nähe bauen, deren Bewohner sich dann permanent über die schon länger existierenden Areale beschweren.

    Und noch eine Bemerkung: nicht Jugendliche haben Kultfabrik oder Kunstpark Ost aufgebaut. Es waren Erwachsene, beim KO in persona Wolfgang Nöth, der sich regelrecht mit dem damaligen OB gestritten hat, um ein Areal für Jugendliche erschaffen zu können.

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