Investor kauft Wohnhaus: Mieter bangen in der Falkenstraße

Eine Firma mit Sitz in Luxemburg hat eine Wohnanlage in der Au gekauft. Und jetzt soll umgebaut werden – die Mieter sind alarmiert.
Lea Kramer |
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Das Haus an der Falkenstraße sieht unspektakulär aus, nun hat es eine luxemburgische Firma gekauft und will sanieren.
Das Haus an der Falkenstraße sieht unspektakulär aus, nun hat es eine luxemburgische Firma gekauft und will sanieren. © Daniel von Loeper

München/Au - Es gibt Wohnhäuser, die weisen mit Säulen, großen Freitreppen, schweren Holztüren oder reich verzierten Fassaden bereits von außen auf ihren Wert hin. Und dann gibt es Gebäude wie das an der Falkenstraße. Es ist eine unscheinbare Wohnanlage aus der Nachkriegszeit, hell verputzt, kein besonderer Schmuck. Es ist ein Haus, an dem Passanten auf dem Weg zur U-Bahn vorbeieilen, nicht aber Immobilienentwickler.

Die bleiben stehen, denn gerade mit dem Unscheinbaren lassen sich auf dem Immobilienmarkt besonders gute Erträge erwirtschaften – zulasten der Bewohner.

Falkenstraße: Mieter sind besorgt

Auch im Haus an der Falkenstraße sorgen sich die Mieter. So sehr, dass sie nur anonym über das, was hinter den Mauern passiert, sprechen wollen. Ihre Angst ist berechtigt, wie überall in München, wenn ein Haus leise den Besitzer wechselt.

Im vergangenen Jahr hat ein Investor namens "J.P. Residential 18 S.à.r.l." das Gebäude von der früheren Besitzerin, einer Erbengemeinschaft gekauft. Die Firma gehört zum Private-Equity-Fonds "Jargonnant Partners". Die Gesellschaft, mit weiteren Büros in München und Innsbruck, hat sich auf Immobilien spezialisiert. Laut Handelsregisterauszug ist ihr Zweck unter anderem "die Aufwertung und die Veräußerung von in Deutschland liegenden Immobilien". Ihr Sitz: Luxemburg.

Das ist kein Zufall und keine neue Geschäftsidee. Die Firma investiert mit dem Geld von Kapitalgebern – das können private Anleger oder Banken, aber auch Stiftungen, Versicherungen oder staatsnahe Pensionskassen sein – in lohnende Objekte. Die werden dann später mit Gewinn wieder verkauft. Alle sind fein raus, außer die Mieter.

Blick über die Hausdächer, andere geldige Bauprojekte sind nicht weit
Blick über die Hausdächer, andere geldige Bauprojekte sind nicht weit © Daniel von Loeper

Es liegt nahe, dass das Haus an der Falkenstraße ein Projekt ist, das dieser Logik folgt. Das Gebäude ist in den 60er Jahren entstanden, rund herum sind viele Häuser durch den Krieg zerstört worden. Großteile der Au lagen in Schutt und Asche.

Entgegen der vielerorts substanzlosen Nachkriegsbauweise, ist das Haus in der Falkenstraße gut gealtert. Es ist gepflegt, hat ein schönes Treppenhaus, einen funktionierenden Lift – sogar eine Art Empfangshäusl gibt es im Gebäude.

Das Gebäude soll eingerüstet werden

Auf fünf Stockwerken sind 91 Wohnungen untergebracht. Jede hat ein eigenes Bad. Die Miete ist für die Lage unterhalb des Nockherbergs regelrecht günstig, die U-Bahnhaltestelle Kolumbusplatz liegt direkt vor dem Haus, der Auer Mühlbach plätschert im Hinterhof. Keine 400 Euro kalt kostet eine Wohnung. Der neue Besitzer hat bereits eine Mieterhöhung angekündigt.

Und obendrein soll es weitreichende Umbaumaßnahmen geben. "Die Bestandswohnungen werden ertüchtigt und die Allgemeinflächen werden verbessert", teilt eine Sprecherin von Jargonnant Partners auf AZ-Anfrage mit. Zudem soll das Dachgeschoss ausgebaut werden.

Deshalb soll das Gebäude eingerüstet werden – mindestens von September 2020 bis voraussichtlich Sommer 2021. Die Fenster sollten nach Möglichkeit zwischen acht und 18 Uhr werktags geschlossen bleiben, so haben es mehrere Parteien dem Mieterverein geschildert.

"Es kann schon der Eindruck entstehen, dass der Vermieter es den Bestandsmietern während des Ausbaus des Dachgeschosses ungemütlich machen möchte", sagt Volker Raststätter, Geschäftsführer des Mietervereins. Der Verein prüfe nun, ob die ausgesprochenen Mieterhöhungen überhaupt angemessen seien.

"Für die Dauer der Baustelle sollten Mieter ihre Miete auf jeden Fall nur unter Vorbehalt bezahlen. Und nach Abschluss der Bauarbeiten eine angemessene Mietminderung für die Zeit der Arbeiten vom Vermieter verlangen", sagt er. Häufig habe solch eine Ankündigung zur Folge, dass Mieter ausziehen würden, weil sie sich den Strapazen einer langwierigen Baustelle nicht aussetzen wollten.

Projekt Falkenstraße: Thema im Bezirksausschuss

Bereits vor einem Jahr war das Projekt Falkenstraße Thema im Bezirksausschuss Au-Haidhausen. Der Ausschuss hatte den Umfang der vom Voreigentümer der neuen Investorengesellschaft geplanten Umbaumaßnahmen kritisiert. Die aktuelle Eigentümerin hat inzwischen eine neue Planung bei der Lokalbaukommission vorgelegt. "Dadurch wird zusätzlicher Wohnraum von rund 325 Quadratmetern entstehen", so die Sprecherin von Jargonnant Partners – und zwar in Form von "vier familiengerechten Wohnungen".

Laut Planungsreferat plant der Antragssteller zudem die Zusammenlegung einiger Wohnungen in den unteren Geschossen – aus acht Apartments sollen vier Wohnungen werden, heißt es aus dem Planungsreferat. Im Erdgeschoss sollen Balkone angebracht werden, der Aufzug wird erneuert.

Für den Bauherrn läuft scheinbar nicht alles so rund wie geplant. Mitarbeiter des Sozialreferats haben die Wohnanlage unlängst besichtigt. "Die Abteilung Wohnraumerhalt in unserem Amt für Wohnen und Migration hat ein zweckentfremdungsrechliches Verfahren eingeleitet", sagt ein Sprecher des Referats.

Das Bauprojekt auf dem Paulaner-Gelände verändert das Viertel

Das kann die Stadt immer dann tun, wenn dem Münchner Wohnungsmarkt offenkundig bezahlbarer Wohnraum entzogen wird, etwa wenn Mietwohnungen lange leer stehen oder als Ferienwohnungen untervermietet werden.

Ansonsten hat die Stadt nur wenig Handhabe. Das Gebäude steht nicht unter Denkmalschutz und liegt zwar am Erhaltungssatzungsgebiet Untere Au – aber eben nur an der Grenze des Viertels, in dem verschärfte Bauregeln gewährleistet werden sollen, damit die Bevölkerungsstruktur erhalten bleibt.

In der Nachbarschaft: die Neubauten auf dem ehemaligen Paulaner-Areal.
In der Nachbarschaft: die Neubauten auf dem ehemaligen Paulaner-Areal. © Daniel von Loeper

Dass sich das Viertel wandeln wird, ist unausweichlich. Allein der massive Wohnungsbau auf dem ehemaligen Paulaner-Betriebsgelände wird den Stadtteil verändern. Noch fließen die Kaufpreise von etwa 10.000 Euro pro Quadratmeter nicht in den Mietspiegel ein. Gerade haben die ersten Eigentümer begonnen, ihre Wohnungen – auch an der Falkenstraße – zu vermieten. 2.000 Euro Kaltmiete für 70 Quadratmeter und drei Zimmer sind keine Seltenheit. In zwei Jahren wird sich zeigen, was aus dem einstigen Scherbenviertel geworden ist.

Das Gebiet rund um die Falkenstraße war einst geprägt durch die Brauereien und ihre Arbeiter – das besagte Gebäude ist ein klassisches Sekretärinnenwohnheim. Noch heute wohnen hier Menschen, die sonst in München Schwierigkeiten hätten, eine Wohnung zu finden. Sie sorgen sich, ob sie bleiben können. Jargonnant Partners schreibt zu ihrem Projekt: "Bestandsmieter wurden bisher weder gekündigt, noch wird Bestandsmietern in Zukunft gekündigt." Derzeit könne man keine Aussage darüber treffen, ob das Haus eventuell weiterverkauft wird.

Entwicklungsprojekt in Berliner Ortsteil Moabit

Vor 15 Jahren jedenfalls haben die luxemburgischen Investoren ein Objekt im Berliner Ortsteil Moabit verkauft und weiterveräußert. Der neue Eigentümer entwickelte das Projekt. 

Die Mieter der früheren Sozialwohnungen wehrten sich, sie erstritten sich eine Zusatzklausel im Mietvertrag, die Luxussanierungen sowie die Aufteilung der Häuser in Wohneigentum für zehn Jahre ausschloss.

Mittlerweile ist die Frist abgelaufen, auf dem Grundstück eines alten Mieter-Parkhauses ist ein Hotel gebaut worden. Die Fassaden der Häuser wurden gedämmt, die Neuvermietungspreise steigen. Mietwohnungen sind in Eigentum umgewandelt worden, angrenzende Grundstücke wurden mit Mikroapartments und Single-Wohnungen bebaut.

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