In München verschwinden immer mehr Traditionsgeschäfte – und die Stadt kann nichts gegen René Benko tun

München - Auf den ersten Blick scheint alles wie immer im Stammhaus SportScheck in der Neuhauser Straße. Am Tag, nachdem bekanntgeworden ist, dass René Benkos Signa Retail das Unternehmen SportScheck verkauft, kommen und gehen die Kunden, sie schauen nach Outdoor-Kleidung, Schuhen, Sportaccessoires.
Unter den Verkäufern jedoch wirkt die Stimmung gedrückt. "Es geht mir nicht so doll", sagt eine Mitarbeiterin zur AZ. Sie macht sich Sorgen, was der Verkauf von SportScheck für sie persönlich an Veränderungen bringen wird.
René Benko verkauft SportScheck: Der Innenstadt in München steht der nächste Umbruch bevor
Das weiß im Moment wohl noch niemand so genau. In der Innenstadt steht wieder ein Umbruch bevor, wenn die Wettbewerbsbehörden dem Verkauf an den britischen Sportartikel-Riesen Frasers zustimmen. Und was wird die Signa, die seit längerem in massiven finanziellen Schwierigkeiten steckt, in München künftig noch alles verscherbeln?
Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) äußerte sich am Mittwoch zurückhaltend kritisch. "Leider haben wir als Stadt keine Handhabe, solche Immobilienverkäufe zu verhindern", sagte er der AZ. "Und natürlich ist es bedauerlich, wenn in der Folge solcher Verkäufe womöglich traditionsreiche Geschäfte aus unserer Stadt vertrieben werden."
Traditionsunternehmen aus München: Noch gibt es Hoffnung, dass der Name SportScheck erhalten bleibt
Wolfgang Fischer vom Verein City Partner, sagt: "Wir hoffen für die Münchner, dass der Traditionsname SportScheck erhalten bleibt. Auch wenn das Haus schon länger nicht mehr in der Hand der Familie ist." Otto Scheck hatte SportScheck 1946 gegründet. 1991 wurde das Unternehmen an den Otto-Konzern verkauft. Erst vor gut drei Jahren kaufte es dann Signa Retail, die Warenhaus-Sparte des österreichischen Immobilien-Investors René Benko.
Er hatte 2018 auch Galeria Kaufhof übernommen und mit Karstadt verschmolzen. Die Kaufhauskette musste vor einem Jahr Insolvenz anmelden. Viele Filialen wurden seitdem geschlossen. Zuletzt der alte Karstadt zwischen Hauptbahnhof und Stachus. Dass der Name von SportScheck erhalten bleibt, erscheint unwahrscheinlich – auch wenn sich Frasers dazu noch nicht konkret geäußert hat. Noch ist die Übernahme nicht in trockenen Tüchern.
Zuvor hatte Benko bereits Galeria- und Kaut-Bullinger-Standorte zum Verkauf angeboten
Frasers ist der größte Einzelhändler für Sportartikel in Großbritannien und betreibt dort mehr als 950 Filialen. Und er will nach Deutschland expandieren. Warum sollte er dies in München unter einem anderen Namen machen wollen?
Es ist bereits das dritte Mal innerhalb weniger Monate, dass die Signa Gruppe intensiv versucht, Millionenwerte in München wieder flüssig zu machen. Im Juli hatte die AZ berichtet, dass Signa Galeria Kaufhof am Rotkreuzplatz für 100 Millionen Euro zum Verkauf angeboten hat sowie – für die gleiche Summe – den früheren Standort des Büroausstatters Kaut Bullinger in der Rosenstraße mitsamt der neuen Immobilie, die darauf entsteht.
Seit über zehn Jahren kauft und verkauft René Benko Immobilien in München
Die Ära Benko hat 2011 in München begonnen. Damals kaufte die Signa die Immobilien von Oberpollinger und des benachbarten Karstadt Sporthauses für 250 Millionen Euro. Letzteres verkaufte er wieder, an Oberpollinger ist Benkos Signa Teilhaber.

2013 kaufte Signa zudem vom Freistaat für 240 Millionen Euro die Alte Akademie an der Neuhauser Straße im Erbbaurecht. Der Vertrag ist auf 65 Jahre angelegt. Seit 2020 wird der Gebäudekomplex aus dem 16. Jahrhundert umgebaut. Als Großmieter für die fertigen Büroräume konnte die Signa einen Schweizer Pharmakonzern langfristig gewinnen.
"Gut, dass Signa draußen ist": Bei Verdi ist man froh über die Verkaufspläne von René Benko
Außerdem gehört Benkos Signa das Hermann-Tietz-Haus (ehemals Hertie) am Hauptbahnhof samt Grundstück sowie das Areal dahinter, auf dem früher Karstadt seine große Filiale hatte.
Im Gegensatz zu diesen Immobilien gehören Signa die Verkaufsflächen von SportScheck in der Neuhauser Straße nicht. Hier, im Joseph-Pschorr-Haus, ist Signa Mieter der Bayerischen Hausbau. Der Mietvertrag wurde im vergangenen Jahr erst langfristig verlängert. Bis wann, dazu wollte sich die Hausbau am Mittwoch auf AZ-Anfrage nicht äußern.

Für Dominik Datz, der bei Verdi für den Einzelhandel zuständig ist, ist der Verkauf von SportScheck nicht unbedingt eine schlechte Nachricht. "Gut, dass Signa draußen ist", sagte er am Mittwoch zur AZ. "Bei denen weiß man ja nicht, wo die Reise noch hingehen wird."
In der SportScheck-Belegschaft gibt es Hoffnung auf bessere Zeiten
Die Belegschaft von SportScheck sei seit dem Einzug ins Joseph-Pschorr-Haus bereits um etwa die Hälfte reduziert worden. Vielleicht, so der Verdi-Mann, würde dies unter einen neuen Besitzer, der investiert und wachsen will, wieder besser. "René Benko und Signa ist es nie um das Sportgeschäft gegangen. Genauso wenig wie bei Galeria um die Kaufhäuser", so der Verdi-Mann.
Vielleicht bringt der Wechsel also sogar Verbesserungen. Dass mehrere große Outdoor-Ausstatter in der Stadt bestehen können, daran glaubt jedenfalls Wolfgang Fischer: "München und das Umland mit all seine Freizeitmöglichkeiten in den Bergen und an den Seen ist eine sehr sportliche Region, das Marktpotenzial ist super!"