Identitäre Bewegung: Rechtsextreme verteilen erneut rassistische Flyer an Münchner Schulen
Am 10. Mai berichtete die AZ exklusiv, dass sich Angehörige der rechtsradikalen Identitären Bewegung Zugang zu mehreren Schulgeländen in München verschafft haben, um dort Flugblätter mit rassistischen Inhalten auszulegen.
Mit den Flyern sprechen die Identitären gezielt Schülerinnen und Schüler an. Sie versuchen offenbar, junge Leute auf Schulhöfen auf ihre Seite zu ziehen. Die Flugblätter tragen den Titel "Lehrer hassen diese Fragen". Auf der Rückseite wird suggeriert, dass die Deutschen mittlerweile in der Minderheit seien, es werden sexuelle Übergriffe thematisiert, aber auch die Zukunftsunsicherheit junger Leute, Rente, Inflation. "Remigration" wird als Lösung der Probleme angepriesen. "Wehr dich!", steht auf den Flyern.
In einem Fall sollen Schüler direkt angesprochen worden sein, zudem gab es Versuche, Videos mit ihnen zu drehen.
Betroffen waren neben dem Willi-Graf-Gymnasium auch das Wilhelms-, Sophie-Scholl-, Gisela-, St.-Anna- und Max-Josef-Stift-Gymnasium sowie die Hermann-Frieb-Realschule.
Knapp eine Woche später kam es erneut zu derartigen Vorfällen. Die Polizei berichtet von vier Fällen, die sich am Mittwoch, 14. Mai und Donnerstag, 15. Mai zugetragen haben.
Rechtsextreme verteilen Flyer an Schüler: Vier Vorfälle in dieser Woche
Am Mittwoch, gegen 13 Uhr, brachten drei Mitglieder der Identitären Bewegung gegenüber dem Schulgelände des Willi-Graf-Gymnasiums in Schwabing eine mehre Meter langes Transparent zwischen den Bäumen angebracht, dessen Botschaft sich direkt an die Schüler richtete. Sinngemäß war auf dem Transparent zu lesen, dass die Lehrer Deutschland hassten und die Schüler sich wehren sollten. Daneben war das Symbol der Identitären Bewegung zu erkennen.
Dazu haben laut Polizei zwei der Personen Böller gezündet und Flugblätter auf das Schulgelände geworfen. Als die Schüler die drei Personen direkt ansprachen, ergriffen diese die Flucht in Richtung Scheidplatz. Der Rektor der Schule alarmierte die Polizei, eine sofort eingeleitete Fahndung ergab allerdings keine weiteren Hinweise auf die Täter.

"Das ist bestürzend. Gleichzeitig macht mir die Reaktion unserer Schüler Mut", so Schulleiter Dominik Blanz zur SZ. "Das kann scheiße für euch enden" und "Verpisst euch!", riefen die Schüler den drei Aktivisten entgegen.
Da Schüler zahlreiche Videos von dem Vorfall gedreht hatten, werden diese nun von der Polizei ausgewertet, um dadurch möglicherweise die Identität der drei Personen feststellen zu können. Das Transparent, die Flyer und Reste der Pyrotechnik wurden sichergestellt. Zudem gab es eine Anzeige wegen Verstößen gegen das Versammlungs- und das Sprengstoffgesetz.
Kurz darauf, gegen 14.15 Uhr, versuchten vier Personen ebenfalls ein Transparent der Identitären Bewegung auf dem Gelände des Max-Josef-Stift-Gymnasiums in Bogenhaus zu befestigen. Dabei wurden Sie von Schülern und einem Lehrer, die auf den Vorfall aufmerksam wurden gestört, woraufhin die Aktivisten ebenfalls die Reißaus nahmen. Das Plakat wurde von der Polizei sichergestellt und die Aktivisten wegen Hausfriedensbruch angezeigt.
Schulleiter erstattet Anzeige gegen rechtsextreme Aktivisten
Damit aber nicht genug, bereits am Donnerstag versuchten weitere Aktivisten ihre rassistischen Botschaften an Schüler weiterzugeben. Gegen 8.40 Uhr verteilten mehrere Personen auf dem Schulgelände des St.-Anna-Gymnasiums im Lehel Flyer und hielten dabei ein Transparent hoch. Die Schule unterrichtete die Polizei von diesem Vorfall. Die Aktivisten konnten zwar rechtzeitig fliehen, wurden aber wegen Hausfriedensbruch und Verstößen gegen das Versammlungsgesetz angezeigt.
Der letzte bekannte Fall ereignete sich dann am Donnerstag gegen 10 Uhr am Maximiliansgymnasium in Schwabing. Vier Personen hingen dort das bekannte Transparent auf und warfen auch Flyer mit rassistischen Parolen auf den Boden. Bevor die Polizei eintreffen konnte, verschwand das Quartett von der Szene. Es wurde wegen Hausfriedensbruch angezeigt.
Schon bei den Vorfällen der vergangenen Woche wurden an den Schulen Maßnahmen ergriffen. "Der Vorfall wurde im Unterricht thematisiert. Dazu wurden die Lehrkräfte explizit aufgefordert", so Dominik Blanz zu AZ. Nach Absprache mit der Polizei hatte der Schulleiter bereits letzte Woche Anzeige gegen die rechtsextremen Aktivisten erstattet.
Auch zahlreiche Eltern reagierten bereits auf den Übergriff der rechtsradikalen Identitären Bewegung mit ihren Transparenten und Flyern.
So sagt etwa der Vater Hans R. gegenüber der AZ: "Das ist mehr als schockierend, die gehen direkt auf die Schüler zu." Er hat seinen zwei Kindern, die auf der Schule sind, gesagt: "Wenn so etwas passiert, geht bitte sofort rein in die Schule, meldet es schnell und lasst euch auf kein Gespräch ein." Die Mutter Johanna V. meint: "Unsere Tochter hat mit Freunden darüber gesprochen, die waren total entsetzt." V. findet es besonders perfide, sich gezielt an Kinder und Jugendliche zu wenden: "Die suchen doch gerade in der Pubertät häufig nach Orientierung, nach Halt."
OB Reiter wendet sich an die betroffenen Schulen
Auch Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat auf die wiederholten Vorfälle reagiert und sich am Freitag mit einem Schreiben an die betroffenen Schulen gewandt, in welchem er den Lehrkräften und Schülern für ihre Zivilcourage dankt. Explizit schreibt das Münchner Stadtoberhaupt:
"Erneut ist Ihre und Eure Schule zum Ziel rechtsextremistischer Aktivitäten geworden. Als Oberbürgermeister möchte ich die gesamte Schulfamilie meiner Solidarität versichern. Diese Taten zeigen meiner Ansicht nach überdeutlich, dass die Rechtsextremisten immer schamloser und widerwärtiger agieren, indem sie nun Schulen, die Kinder und Jugendliche vieler Nationalitäten besuchen, zum Ziel ihrer Aktivitäten machen. Wir wissen alle, wer der Namensgeber Eurer Schule ist. Willi Graf war gemeinsam mit den übrigen Mitgliedern der Weißen Rose im Widerstand gegen das Naziregime aktiv. Ich gehe davon aus, dass die Rechtsextremisten gerade durch die Auswahl Ihrer und Eurer Schule ein besonders krudes Zeichen für ihre verblendete Ideologie setzen wollen. Dass diese Leute nun offensichtlich nicht einmal mehr davor zurückschrecken, Kinder und Jugendliche zu bedrängen und in Angst versetzen zu wollen. Aber – und das habt Ihr alle sehr eindrucksvoll bewiesen – Ihr habt keine Angst. Ich habe allerhöchsten Respekt davor, wie Schülerinnen und Schüler und auch Eure Lehrkräfte reagiert haben.
Damit habt Ihr den Rechtsextremisten ein deutliches Signal gegeben: Nicht bei uns, wir lassen uns von euch nicht einschüchtern und ihr habt an unserer Schule nichts verloren. Für diese Zivilcourage danke ich Euch und Ihnen allen sehr herzlich, denn sie ist gerade in diesen Zeiten besonders wichtig.
Ich möchte es aber nicht nur bei Worten belassen: Wenn ich als Ihr und Euer Oberbürgermeister irgendetwas tun kann, was der Schulfamilie weiterhilft: Bitte zögert nicht, Euch bei mir zu melden. Ihr könnt Euch sicher sein: Die Stadt steht hinter Euch."
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