„Ich wäre gerne noch geblieben“
Ex-Umweltminister Otmar Bernhard flog aus dem Kabinett – weil er dem Ministerpräsidenten Horst Seehofer zu alt war. Jetzt spricht er über das „Fallbeil 60“, über seine anstehende Wiederwahl zum Münchner CSU-Bezirksvorsitzenden, über politische Eiertänze und schwarz-grüne Perspektiven.
AZ: Wären Sie gerne noch länger Bayerns Umweltminister geblieben?
OTMAR BERNHARD: Ja, ich hätte das Ministerium sicher noch gerne weitergeführt, weil ich mir da Einiges weiter vorgenommen hatte. Wir haben Ruhe in das Ministerium reingebracht und viel angestoßen – die Biodiversitäts-Strategie ist zum Beispiel ein wichtiges Naturschutzprojekt für die nächsten 15 bis 20 Jahre. Das Fallbeil 60 will ich lieber nicht kommentieren.
Warum nicht? Die Signalwirkung dieses Anti-Senioren-Schachzugs von Ministerpräsident Seehofer war doch verheerend, oder?
Gegen eine solche Altersgrenze von 60 ist kein Kraut gewachsen. Wir haben sehr viele ältere Wähler und auch andere, die das nicht verstanden haben.
Für den Bezirksvorsitz der Münchner CSU sind Sie aber nicht zu alt, oder?
Dafür bin ich nicht zu alt. Ich werde bei der Wahl im Juni wieder kandidieren – und das mache ich gerne. Ich will die Münchner CSU weiter als Großstadtpartei positionieren. Wir sind jetzt sehr geschlossen. Wir standen 2004 ziemlich am Abgrund. Aber das haben wir gut überwunden und haben eine rege interne inhaltliche Diskussion – im Gegensatz zur SPD, von der man ja hört, dass da „Friedhofsruhe“ herrscht.
Was heißt für Sie „Großstadtpartei“?
Es geht darum, uns bei Themen, die in der Großstadt eine große Rolle spielen, als Großstadtpartei zu positionieren. Zum Beispiel bei der Schulpolitik, Integration, Sicherheitspolitik und Umweltpolitik. Gerade letzteres Thema müssen wir stärker bearbeiten, weil es die Münchner stark interessiert – Stichwort Luftverschmutzung, Lärm und städtisches Grün. Grundsätzlich gilt: Wir müssen unsere Bandbreite als Volkspartei über unsere Stammwähler hinaus verbreitern – auch wenn es natürlich wichtig ist, die zu halten. Das ist natürlich ein Spagat. Das kann Spannungen geben und auch mal Auseinandersetzungen.
Auf welche Wähler zielen Sie bei Ihrer „Verbreiterung“? Auf die der Grünen?
Untere anderem ja. Auch deshalb sind Themen wie Umwelt, Gesundheit und Toleranz für uns wichtig. Denn das hat in Kreisen, die grün wählen, einen hohen Stellenwert. Das sind ja zum Teil wertkonservative Wähler. Auch, wenn ich mit anderen in meinem Alter rede – die Kinder sind Ärzte oder Anwälte und wählen oft grün. Und das sind ja keine Linken oder Spinner. Deren Wahl ist inhaltlich bedingt. Daher ist das Thema Toleranz und Offenheit auch so wichtig. Und deshalb legen wir jetzt zum Beispiel auch auf das Thema Integration so großen Wert. Wenn uns die Integration nicht gelingt, kriegen wir schwierige Verhältnisse in der Stadt.
So ganz gelingt das wohl noch nicht – wenn man sich etwa den Eiertanz der CSU bei der Moschee anschaut.
Wir haben immer gesagt, es soll hier ein vernünftiger Entscheidungsprozess stattfinden. Und das richtige Verfahren, das wir dann ja auch erzwungen haben, ist ein Bauleitplanverfahren. Da heißt, dass die Leute Einwendungen machen können und mitreden dürfen. Das ist in anderen Städten besser gelaufen. Aber was hier gemacht worden ist, war Brechstangenpolitik.
Es ist doch wohl ein Eiertanz, wenn die Münchner CSU zunächst betont, sie habe nichts gegen eine Moschee. Wenn sie den Dialog mit Muslimen sucht – und dann im Rathaus kürzlich doch gegen das Gotteshaus stimmt.
Unsere Einwände, die es gegen die Moschee gibt – von Größenordnung und Gestaltung her – sind nicht entkräftet worden. Und dann noch das Hickhack um die Finanzierung, die nicht steht. Da werden Termine einfach verlängert, die Stadt übernimmt die Grunderwerbssteuer – das macht sie doch bei anderen Projekten auch nicht. Wenn Rot-Grün sich bewegt hätte und die Moschee vernünftig dimensioniert – also kleiner gemacht hätte, hätte es jedenfalls eine andere Entscheidungsgrundlage gegeben.
Eiertanz zwei: der Umschwung der Münchner CSU beim Thema Stammstrecke. Plötzlich plädieren Sie für eine Südring-Untersuchung.
Das ist gar kein Eiertanz. Überhaupt nicht. Die zweite Stammstrecke soll zu Ende geplant werden. Aber niemand weiß heute, ob man mit der Planung für die zweite Stammstrecke einen vernünftigen Kosten-Nutzen-Faktor erreicht. Deshalb wollen wir, dass der S-Bahn-Südring durch ein Gutachten besser bewertet werden kann. Man braucht einen Plan B. Ich bin ohnehin mehr als skeptisch, ob die Stammstrecke vor 2018 – also vor den möglichen olympischen Winterspielen – je fertig werden kann. Außerdem wollen wir die U-Bahn-Verlängerung von Laim nach Pasing mit einbezogen haben. Warum baut Rot-Grün die nicht? Das wäre ein systemunabhängiger Bypass, der für 200 Millionen machbar wäre. Insgesamt brauchen wir ein stimmiges Gesamtkonzept für den Bahn-Knoten München – einschließlich Flughafen und Nordtunnel.
Umwerben Sie mit dem neuen Bekenntnis zum Südring vielleicht schon grüne Wähler?
Nein, das ist keine parteipolitische Frage. Sondern die Sachfrage, was besser ist. Und das haben wir jetzt seit eineinhalb Jahren diskutiert.
Bei der Wahl zum Bezirksvorsitzenden haben Sie keinen Gegenkandidaten – obwohl es eine Zeit lang aussah, als könnte Kultusminister Spaenle Ihr Herausforderer werden. Macht’s der ab 2011?
Wir reden jetzt über 2009, ich glaube, es hat keinen Sinn da zu spekulieren. Nur so viel: Wir haben das einvernehmlich so entschieden.
Um eine Spekulation bitten wir Sie trotzdem: Wer wird bei der nächsten OB-Wahl gegen wen antreten?
Bei der SPD sehe ich ein großes Loch. Bei uns glaube ich, dass Josef Schmid gute Aussichten hat, von der Partei wieder ins Rennen geschickt zu werden. Er hat das Potenzial und kann sich noch weiter profilieren. Udes Autorität wird in den nächsten Jahren schwinden, das sieht man jetzt schon. Und die jungen Grünen haben mit der Anbetung von Ude nichts im Sinn. Das sind eher die älteren.
Das klingt schon wieder nach Schwarz-Grün.
Eine Zusammenarbeit hängt von den Schnittmengen ab. Mir wäre Schwarz-Grün lieber als Schwarz-Rot.
Interview:
Julia Lenders, wbo