Hungaristische Bewegung: Nach Manier von Joseph Goebbels

München - Ein Jahr nach dem erfolglosen Probelauf für eine Fusion der alten Nazis Westdeutschlands wurde abermals von einem Münchner Bierkeller aus versucht, Europas Faschisten in Bayern zu verbünden. Der Reporter erfuhr davon, berichtete darüber – und wurde von den Initiatoren verklagt. Die Klage blieb aber ebenso erfolglos wie der Bündnisversuch.
Im ältesten Straßenzug der Stadt, im Tal, stehen zwei Bierkeller. Sterneckerbräu heißt der eine – dort wurde gleich nach dem Ersten Weltkrieg die NSDAP geboren. Schräg gegenüber liegt der Torbräu, Münchens erstes und noch heute existierendes Hotel. Hier traf sich 1959 und 1960 einmal im Monat, meist am Samstag, eine Gruppe von Männern, die auch die Kopfzahl sieben gewöhnlich nicht überschritt. Sie nannte sich "Hungaristische Bewegung" und verkündete: "Faschisten aller Länder, vereinigt euch!"
Zu ihrem Programm gehörten auch Terror und Partisanenkrieg
Vereinigen wozu? Zu einer "antijudaischen Internationale". Zum Programm gehörten aber auch ausdrücklich "Terror" und "Partisanenkrieg".
Alle Verschwörer stammten aus Ungarn, besaßen aber deutsche Pässe. Die sechs Drahtzieher waren: Oliver Ledermüller, ein internationaler Abenteurer und Druckereibesitzer in München; Arpad Henney, ehemals Arbeitsordnungsleiter unter dem ungarischen Ministerpräsidenten Ferenc Szálasi und selbsternannter "führender Bruder" der Gruppe; Geza Alfödi, ein ehemaliges Mitglied des 1944 mit Hilfe der SS an die Macht gekommenen faschistischen Regimes in Ungarn; Ferenc Fiala, der als Pressechef jenes Pfeilkreuzler-Regimes 1945 zu lebenslanger Zwangsarbeit verurteilt und beim ungarischen Volksaufstand 1956 freigekommen war, und Lajos Marschalko, der eine deutsche Großmutter nachgewiesen hatte und deshalb die Bundesrepublik um erhebliche Offizierspensionen schröpfte.
Das Hauptquartier der faschistischen Bewegung war das oberbayerische Schloss Teisendorf, wo in 40 Räumen ein "Institut zur Erforschung neuzeitlicher Geschichte und Gesellschaft" mit eigener Druckerei, Bibliothek und umfangreichem Archiv untergebracht war.

Arpad Henney, "führender Bruder" der rechten Hungaristen. Foto: ho
Das Institut wurde 1959 von 50 Menschen, die einander nicht kannten, mit einer Einlage von je 1000 Mark gegründet und von Henney geleitet. Die wenigen Kadermitglieder waren laut Zentralorgan Cèl (Ziel) verpflichtet, die "Betriebsgeheimnisse selbst vor den Angehörigen zu bewahren".
Antisemitismus stand in der "hungaristischen" Propaganda obenan. Nach Manier von Joseph Goebbels und Julius Streicher wurden die Juden in mehrsprachig veröffentlichten Schmähschriften für alles Übel der Welt, auch beide Weltkriege, verantwortlich gemacht – während die in Nürnberg verurteilten Hauptkriegsverbrecher als "die besten Männer Europas" gefeiert wurden.
Die Demokratie beschimpfte der internationale Münchner Klüngel als "westliche Erscheinungsform des Bolschewismus" und "Feind der Reinhaltung der Rasse". Bis Februar 1960 wurden denn auch allein in Bayern, Schwerpunkt Franken, nicht weniger als 109 Schändungen jüdischer Friedhöfe, Synagogen und Denkmäler polizeilich gemeldet. Vor deutschen Botschaften in New York und London demonstrierten deshalb im Januar Hunderte Empörte.
Durch Hinweise einer demokratischen Emigrantengruppe alarmiert, forderte die SPD im bayerischen Landtag Maßnahmen gegen die faschistischen Verschwörer. Der Innenminister versprach eine sorgfältige Überprüfung. Nach einigen Wochen aber stellte die Regierung von Oberbayern fest, gegen diese Leute könne nichts unternommen werden – weil sie bisher die öffentliche Ruhe und Sicherheit nicht gefährdet hätten. Erst nach den Protesten im Ausland wollte man der Sache noch einmal nachgehen.
"Dem Gericht erscheint der Angriff angesichts der Gefahr angemessen"
Gegen die verantwortlichen Redakteure der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" (WAZ) und des "Allgäuer", die meinen Bericht gedruckt hatten, und gegen mich reichte einer der rechten Wortführer eine Privatklage ein. Die wurde jedoch vom Amtsgericht München als unbegründet zurückgewiesen.
"Bemerkenswert" fand mein Anwalt Otto Gritschneder eine grundsätzliche Feststellung aus dem Beschluss: "Angesichts der Gefahr, die durch die Veröffentlichungen in den von dem Privatkläger gedruckten Schriften für die Demokratie erwachsen könnten – sowohl in inner- als auch außenpolitischer Beziehung –, erscheint dem Gericht der Angriff der Beschuldigten gegen den Privatkläger durchaus als angemessen zur Wahrung der öffentlichen Interessen."
Hier gibt's Teil 1 der Serie: Die Nachkriegsjahre - 350 Altnazis im Hackerkeller
In Folge 3 lesen Sie: Volksaufklärung und Propaganda