Nach erfolgreicher Klage: Werden in München jetzt um 22 Uhr die Bordsteine hochgeklappt?

München - Wer erinnert sich noch an die Zeiten, als einen die Kellner, wenn man draußen vor einem Lokal saß, immer freundlich, aber bestimmt darauf hingewiesen haben, dass man doch bitte mit seinem Stuhl innerhalb der weißen Punkte auf dem Boden bleiben soll? Zum Glück vorbei – die Schanigärten haben das Lebensgefühl in München verändert. Ein bisschen mehr nach Italien fühlt es sich seit ein paar Sommern an, seitdem man bis 23 Uhr draußen trinken darf.
Ausgerechnet im Univiertel könnte sich das ändern. Weil es dort zu laut ist, haben sechs Gastronomien vom KVR eine Anhörung erhalten. So teilt es eine Sprecherin des KVR mit. Die "SZ" hatte zuerst über das Lärmproblem berichtet.
Seinen Schanigarten darf das Wirtshaus Atzinger nur noch bis 22 Uhr aufmachen, die Plätze draußen musste er von 70 auf 55 reduzieren, erzählt der Wirt Lai Due Hung. Ein Anwohner hatte wegen des Lärms geklagt und recht bekommen. "Auslöser war die Fußball-EM im letzten Jahr", sagt Hung. Jetzt bleiben bei ihm die Kunden aus. 30 bis 40 Prozent weniger Umsatz mache er, weil die Menschen dann eben lieber in andere Lokale gehen, wo sie bis 23 Uhr sitzen bleiben dürfen.
KVR: "Lärm ist als Gesundheitsgefahr gerichtlich anerkannt"
Allerdings könnte das im Univiertel bald ein Ende haben. Denn im Zuge des Gerichtsverfahrens wurde eine Lärmprognoseberechnung erstellt. Diese ergab laut KVR, dass die vorgeschriebenen Richtwerte zur Nachtzeit nicht eingehalten werden. Doch nicht nur der Atzinger wurde als Lärmquelle identifiziert, sondern alle umliegenden Betriebe. "Da Lärm als potenzielle Gesundheitsgefahr gerichtlich anerkannt ist, ist das KVR verpflichtet, Lärmbelästigungen entgegenzuwirken", schreibt die Sprecherin.
Das KVR habe deshalb mehreren Gastronomien in der Amalienstraße angekündigt, die Betriebszeiten der Schanigärten auf 22 Uhr zu beschränken und die Gastplatzzahlen mancher Freischankflächen zu reduzieren.
Auch Gamze Panter hat Post vom KVR bekommen. Sie betreibt seit zehn Jahren den Italiener Maex41. Sie hat dem KVR geantwortet, ist aber wenig optimistisch, dass sich noch etwas machen lässt. "Ich habe nicht das Gefühl, dass das KVR gegen uns ist. Uns wurde vermittelt, dass es nicht viel tun kann. Und dann wird die Gegend eben genauso eingeschlafen und ausgestorben wie die Fußgängerzone."

Wenn sie ihren Schanigarten um 22 Uhr schließen müsste, wäre das ein "extremer Einschnitt", sagt Gamze Panter. Sicher die Hälfte des Umsatzes ginge dann verloren. Und nicht nur fürs Uni-Viertel befürchtet Panter eine Veränderung. Sie kann sich vorstellen, dass nun auch Anwohner in anderen Vierteln gegen die Schanigärten vorgehen – wenn sie sehen, dass das Erfolg haben kann.
Hat das KVR zu streng reagiert?
"Ich finde das Vorgehen des KVR zu harsch", sagt Felix Lang, der für die SPD im Bezirksausschuss in der Maxvorstadt sitzt. Schließlich habe der Bezirksausschuss erst vor Kurzem angeregt, dass Konfliktmanager der Stadt im Univiertel unterwegs sein sollen, um die Lage zu entschärfen. Laut KVR sind allerdings nicht alle Beteiligten zu einem Austausch bereit gewesen.
Bezirksausschusschefin Svenja Jarchow (Grüne) zeigt mehr Verständnis für das KVR, das übrigens ihre Parteifreundin Hannah Sammüller-Gradl leitet. "Das KVR ist gezwungen, so zu handeln", sagt Jarchow. Ihr fällt auf, dass sich das Univiertel tatsächlich verändert habe: "In jeden Laden der schließt, kommt eine Gastro rein."
"Müll ohne Ende" und Party bis früh um fünf
So wie an der Amalienstraße Ecke Schellingstraße. Wo bis vor ein paar Monaten noch ein Klamottenladen war, ist jetzt ein Kiosk, der aber auch für fünf Euro Aperol Spritz durch ein Fenster verkauft und in dessen Innenraum Partys stattfinden. "An einem Freitagabend bei schönem Wetter stehen draußen locker um die 200 Leute", erzählt ein Anwohner der AZ. Sein ganzes Haus sei in Aufruhr.
"Uns ist natürlich bewusst, dass wir in der Schellingstraße leben." Aber der Kiosk habe vieles verändert – viel mehr als alle Schanigärten. Alles werde "ohne Ende" zugemüllt, die Partys würden auch mal bis früh um halb fünf gehen. Denn der Kiosk darf rund um die Uhr Getränke verkaufen.
"Es geht zu wie im Irrenhaus", sagt er. Auch die Polizei hätten die Bewohner seines Hauses schon mehrfach gerufen. "Unsere Sorge ist, dass nur, weil eine Gastro die Regeln bricht, es bald alle schwer haben", sagt er. "Wir hoffen, dass das KVR sich die Mühe macht und genau hinschaut."