Gericht nimmt Mutter den Sohn (10) weg

Sie verliert das Sorgerecht, weil der Vater den Bub zu selten besuchen durfte – das Gericht sieht das als „erzieherische“ Maßnahme. Das Kind muss sofort zum Vater, die Mutter ist fassungslos
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Monika H. (Name geändert) mit einem Foto ihres Sohnes. Ein Gericht hat ihr das Sorgerecht für den Zehnjährigen entzogen.
Mike Schmalz Monika H. (Name geändert) mit einem Foto ihres Sohnes. Ein Gericht hat ihr das Sorgerecht für den Zehnjährigen entzogen.

MÜNCHEN - Sie verliert das Sorgerecht, weil der Vater den Bub zu selten besuchen durfte – das Gericht sieht das als „erzieherische“ Maßnahme. Das Kind muss sofort zum Vater, die Mutter ist fassungslos

Für Monika H. (Name geändert) ist es ein unvorstellbarer Schock aus heiterem Himmel. Gerade noch hat ihr Sohn vor dem Familiengericht erklärt, dass er bei ihr bleiben und nicht zum Vater ziehen will. Nur Minuten später fühlt sich die Mutter „wie in einem schlechten Film“: Der zehnjährige Bub wird ihr weggenommen, das Sorgerecht auf den Vater übertragen. „Ich durfte nicht einmal mehr mit ihm sprechen“, berichtet Monika H. fassungslos.

Die Beziehung von MonikaH. und dem Vater des Buben war vor eineinhalb Jahren gescheitert, Monika H. zog aus der gemeinsamen Wohnung aus und meldete ihren Sohn Martin in einer neuen Schule an. Das Sorgerecht für den Buben hatten beide Eltern. Das Problem: „Trotz mehrfacher Umgangsvereinbarungen konnte der Vater sein Kind in eineinhalb Jahren nur fünf Mal sehen“, so eine Gerichtssprecherin.

Nach diversen Auflagen, Mediationsversuchen und der Einschaltung einer Beratungsstelle sowie einer Umgangspflegerin schuf die Richterin bei der Verhandlung vergangene Woche völlig überraschend für Monika H. und ihre Anwältin Fakten. Der Bub wurde ins Richterzimmer gebracht („Eingesperrt“, sagt seine Mutter). Das Sorgerecht in Bezug auf Aufenthalt, Gesundheitsfürsorge und Schule wurde auf den Vater übertragen. Der konnte anschließend seinen Sohn aus dem Richterzimmer holen und mit nach Hause nehmen.

„Das stand überhaupt nicht zur Debatte“, sagt Monika H. „Man hat meinem Sohn alle Menschenrechte genommen. Er hatte nicht einmal eine frische Unterhose dabei – nicht ein persönliches Stück. Er wurde komplett aus seinem Leben heraus gerissen.“

Monika H.’s Anwältin Ulrike Köllner hat bereits Beschwerde beim Oberlandesgericht München eingereicht. Begründung: Der Zehnjährige habe klar und deutlich gesagt, dass er nicht zum Vater wolle. Diese bewusste Entscheidung müsse das Gericht akzeptieren. „Wir halten das Vorgehen des Gerichts nicht mit dem Kindeswohl vereinbar“, so die Anwältin zur AZ. Sie fordert eine einstweilige Anordnung des Oberlandesgerichts, den Sorgerechtsentzug aufzuheben.

Die Sprecherin des Münchner Amtsgerichts bewertet den Fall als „interessante Entscheidung, die vielleicht auch erzieherisch wirken“ könne.

Nur – wer soll damit erzogen werden? Und auf wessen Kosten? Diese Fragen stellen sich jetzt Monika H. und ihre Anwältin. Die Juristin zitiert dazu ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts: „In Sorgerechtsstreitigkeiten ist auch zu berücksichtigen, dass die Abwägung nicht an einer Sanktion des Fehlverhaltens eines Elternteils, sondern vorrangig am Kindeswohl zu orientieren ist.“

Anders ausgedrückt: Auch wenn ein Elternteil Fehler gemacht haben sollte, darf dafür nicht das Kind bestraft werden.

Rudolf Huber

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