Gelbe Tonne für München per Bürgerentscheid?

Vor ihren Haustüren sehen Ulrich Grasberger und Walter Worbs oft achtlos deponierte Müllmassen an den Containern. Das wollen sie bald per Bürgerentscheid ändern.
Anna-Maria Salmen |
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An der Wertstoffinsel Fresenius-/Fasanenstraße wird oft Müll neben die Container gelegt.  Foto: Bürgerinitiative Müll München
An der Wertstoffinsel Fresenius-/Fasanenstraße wird oft Müll neben die Container gelegt. Foto: Bürgerinitiative Müll München © Foto: Bürgerinitiative Müll München

An diesem Freitagvormittag ist die Wertstoffsammelstelle an der Fresenius-/Fasanenstraße weitgehend sauber. Das ist eher ein Ausnahmefall, wie Anwohner Walter Worbs von der Bürgerinitiative Müll München (muell-muenchen.de) erzählt. Ein einzelner blauer Müllsack, der vor einem der großen Container auf dem Boden deponiert wurde, deutet darauf hin, was hier sonst oft passiert. "Müll zieht Müll an", sagt Mitstreiter Ulrich Grasberger. Worbs geht davon aus, dass der Sammelplatz in wenigen Tagen wieder "gesteckt voll" sein wird.

Der Obermenzinger spricht aus Erfahrung: Er wohnt nur wenige Meter von der Wertstoffinsel entfernt und beobachtet eigener Aussage nach so gut wie wöchentlich die Müllmassen, die sich hier bilden, wenn die Container überfüllt sind.

An der Wertstoffinsel Fresenius-/Fasanenstraße wird oft Müll neben die Container gelegt.
An der Wertstoffinsel Fresenius-/Fasanenstraße wird oft Müll neben die Container gelegt. © Foto: Bürgerinitiative Müll München

Initiative will Bürgerentscheid bewirken

Grasberger und Worbs wollen diese Situation nicht länger hinnehmen. Seit 2016 richten sie immer wieder flehentliche Bitten an die Stadt München, etwas am bestehenden System zu ändern - bisher ohne Erfolg. Die beiden Bürger wollen deswegen einen Verein gründen mit dem Ziel, einen Bürgerentscheid zur Einführung eines Holsystems mit Gelben Tonnen zu erreichen.

Denn das aktuell bestehende Bringsystem mit den Wertstoffinseln hat Grasberger und Worbs zufolge mehrere Nachteile: Zum einen nehmen viele erst gar nicht den Weg zu den Containern auf sich, vor allem in der Innenstadt sucht man oft lange vergebens nach einer nahen Sammelstelle. Plastik landet dann aus Bequemlichkeit oft im Restmüll, statt recycelt zu werden, sagt Grasberger. Für ihn ist die Lösung klar: "Die Müllsammlung sollte so einfach wie möglich sein." Seiner Auffassung nach bedeutet das eine haushaltsnahe Abholung mit Gelben Tonnen.

Container zu befüllen dauert einigen Menschen offensichtlich zu lange

Zum anderen seien die Container, wenn man sie dann doch aufsuche, oft überfüllt - mit dem Resultat, dass der Müll einfach rundherum abgelegt werde. Und auch, wenn in den Containern noch Platz ist, hält Grasberger sie für alles andere als optimal: Die Einwurflöcher seien zu klein, um ganze Säcke hindurchzubekommen. Jeden Joghurtbecher und jede Shampooflasche einzeln einzuwerfen, sei manchen zu viel Aufwand, wie auch der neben dem Container abgelegte blaue Sack am Freitagvormittag bewies.

Mit ihrer Bürgerinitiative, die sie vor einigen Jahren gegründet haben und die mittlerweile auf zirka 200 Mitstreiter gewachsen ist, wollen Grasberger und Worbs die Bürger auch sensibilisieren. Oft habe er den Eindruck, sagt Worbs, dass es als normal angesehen werde, wenn der Müll sich rund um die Container türmt.

"Da gibt es keine Hemmschwelle. Viele denken sich: Da liegt eh schon Dreck, also lege ich meinen einfach dazu." Direkt gegenüber der Sammelstelle befindet sich ein Spielplatz, auch der Weg zur Grundschule führt daran vorbei. "Man kann doch den Kindern nicht so ein schlechtes Beispiel geben", sagt Worbs.

Kommunalreferat hält ökologischen Nutzen für "noch nicht ausreichend nachweisbar"

Bei der Stadt ist das Flehen der beiden Bürger allerdings noch nicht durchgedrungen. Immer wieder werden entsprechende Anfragen abgewiesen, wie sie sagen. Die Stadt schiebt die Verantwortung laut Grasberger stets von sich.

Fragt man beim Abfallwirtschaftsbetrieb München (AWM) nach, warum es in München anders als in den meisten Großstädten noch keine Gelbe Tonne gibt, erhält man die Auskunft, dass derzeit ein "ökologischer Nutzen noch nicht ausreichend nachweisbar" erscheine, wie Pressesprecherin Franziska Burkhard mitteilt.

Für die Zukunft sei das durchaus möglich, bisher hätten jedoch Aspekte wie der durch die Abholung zusätzlich anfallende Schwerlastverkehr aus Sicht der AWM gegen die Einführung gesprochen.

Für die kommenden Jahre ist ein Pilotprojekt geplant, bei dem in einigen noch nicht feststehenden Bezirken das Holsystem erprobt werden soll - bis 2026 soll der Versuch laufen.

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Bis eine gelbe Tonne kommt, könnte es noch Jahre dauern

Die Dauer erklärt Burkhard mit der soliden Auswertung in einem wissenschaftlichen Rahmen, die die Stadt anstrebe. Dafür sei "mindestens eine zweijährige Erprobungsphase samt anschließender einjähriger Auswertung, Entscheidungsfindung und Umstellung" nötig.

Grasberger und Worbs wollen sich damit nicht zufriedengeben. "So kommen wir nicht vom Fleck", sagt Worbs. Die beiden hoffen, dass ein Bürgerbegehren mit anschließendem Bürgerentscheid die ihrer Ansicht nach längst überfällige Wende beschleunigt.

Denn Grasbergers Prinzip "Müll zieht Müll an" hat sich erneut bestätigt. Am Freitagnachmittag schickt Worbs ein Foto von der Fasanenstraße an die Redaktion: Zu dem am Vormittag neben den Containern deponierten blauen Sack haben sich in der Zwischenzeit zwei weitere abgelegte Müllbeutel gesellt.


Hintergrund: Fast alleine ohne Gelbe Tonnen

München ist bisher "Schlusslicht bei der Sammlung von Verpackungsmüll", wie Ulrich Grasberger von der Bürgerinitiative Müll München sagt. Er hat herausgefunden, dass hier lediglich knapp sechs Kilo pro Kopf jährlich mit den Containern zusammenkommen. In ganz Deutschland haben seinen Recherchen zufolge 95 Prozent der Kommunen dagegen ein Holsystem mit Gelber Tonne - bundesweit werden laut Grasberger so bis zu 35 Kilo Verpackungsmüll gesammelt. Das schlägt sich auch in den Restmüllmengen nieder: In München fallen davon jedes Jahr rund 200 Kilo an, im deutschen Durchschnitt nur knapp 130 Kilo, sagt der Moosacher. Für Grasberger ist klar, dass die Diskrepanz sich durch den vielen Plastikmüll erklären lässt, der in München mangels Gelber Tonne im Restmüll landet.

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20 Kommentare
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  • theBWM am 09.03.2023 18:55 Uhr / Bewertung:

    Die gelbe Tonne hilft rein gar nicht, da nur ein verschwindend kleiner Teil vom Plastik wiederverwendet wird bzw. werden kann.
    Wer es nicht glauben will, dem sei folgende Doku zu empfehlen:
    MEDIATHEK Das Erste
    Die Recyclinglüge

    Sinnvoll wäre es, wenn das Verpackungszeugs auf kürzesten Weg thermisch recycelt werden würde, und noch sinnvoller wäre natürlich die Vermeidung.

  • gubr am 10.03.2023 06:16 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von theBWM

    Wer wirklich für die Umwelt was tun will, schmeißt die Verpackungen in den Restmüll. Da zahlt man zwar mehr für dessen Entsorgungs aber dafur landet das Zeug nicht in irgendwelchen asiatischen Deponien zum "Recycling". Niemand kann mit dem unsortierten Mischmüll wirklich was anfangen, ein paar Ausnahmen wie zur Fertigung von Fleecepullover ausgenommen aber dafür braucht man eine viel zu geringe Menge.
    Beim Restmüll wird das Zeug zumindest verbrannt und zur Wärmegewinnung genutzt. Das spart wenigstens ein wenig fossile Brennstoffe. Einzig Metalldosen sind wirklich verwertbar.

  • Wolff am 10.03.2023 09:40 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von gubr

    Deswegen zeugt auch die Beschwerde über das kleine Einwurfloch nur von Ignoranz. Was soll denn mit den kompletten Säcken dann angefangen werden? Da ist Recycling schon von vorneherein am Ende. Die Materialien müssten möglichst alle getrennt eingeworfen werden, d. h. z. B. auch Deckel vom Joghurtbecher abreißen etc. Wenn Faulheit und Bequemlichkeit die bestimmenden Leitmotive sind, dann können wir doch den ganzen Nachhaltigkeitskrempel gleich vergessen. Bleibt also nur, dass die Politik endlich neue Verpackungsvorschriften macht - sonst ändert sich eh nix.

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