Gedenken in München: "Wall of tears" zeigt alle Opfer des Hamas-Angriffs
München – Am 7. Oktober 2023 ermordeten Terroristen der Hamas im Süden Israels 1170 Menschen und entführten 255 weitere als Geiseln in den Gazastreifen. Am ersten Jahrestag des Angriffs wird an vielen Orten in Deutschland an das Massaker erinnert und auch an den Gegenschlag im Gazastreifen.
In München steigen am Montag neben dem Rathaus Schaumherzen in die Luft und fliegen gen Himmel. Symbolisch sollen sie für die Herzen der Ermordeten stehen, wie Grischa Judanin, Vorstandsmitglied der Israelitischen Kultusgemeinde München, der AZ sagt. Es ist ein stilles Gedenken, ohne Musik. Viele Passanten halten inne, hören zu, nehmen sich die Zeit, sind interessiert.
Gedenkveranstaltung mit Charlotte Knobloch, Markus Söder und Religionsvertretern
Etwa 20 Helfer der Kultusgemeinde halten eine "Wall of tears" (Wand der Tränen) in den Händen – eine Fotocollage, die alle Opfer des Angriffs vor einem Jahr zeigt.

Auch eine Bühne ist aufgebaut worden – direkt unter der Israelfahne, die seit dem 8. Oktober am Rathaus hängt. Seit elf Uhr werden dort von verschiedenen Menschen die Namen und das jeweilige Alter aller Ermordeten vorgelesen, unsortiert, ohne bestimmte Reihenfolge. Auch von Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Es sei schrecklich, dass man die Namen von Menschen jeden Alters vorlesen müsse, sagt sie. Keiner sei von der Hamas verschont worden.
Gedenktag soll wiederholt werden
Es sei ein insgesamt schöner, aber friedlicher Gedenktag, der leider begangen werden müsse, sagt Judanin weiter. Und der voraussichtlich auch die nächsten Jahre wiederholt werde.

Zu den Gästen in der Synagoge Ohel Jakob gehörten neben IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch auch Ministerpräsident Markus Söder und Landtagspräsidentin Ilse Aigner (beide CSU).
Der 7. Oktober 2023 teile die jüngere jüdische Geschichte in ein Davor und ein Danach, sagte Knobloch. "Eine neue jüdische Generation wurde an diesem Tag mit einer alten Realität konfrontiert: einem Pogrom." Die "Flutwelle aus Angst und Unsicherheit" sei aber noch nicht gebrochen, betonte die IKG-Präsidentin. Mit jedem neuen antisemitischen Angriff, jeder neuen Raketensalve auf Israel und jedem weiteren Terroranschlag auf jüdische Ziele drohe sie, "uns immer wieder mitzureißen".
Sie habe immer gehofft, "dass Generationen heranwachsen, die die Schrecken der Vergangenheit hinter sich lassen können", sagte Knobloch. "Ich gebe die Hoffnung nicht auf – nein: Ich kann die Hoffnung nicht aufgeben, dass dies eines Tages gelingen wird."
Aigner wählt drastische Worte
Auch Landtagspräsidentin Aigner wählte laut vorab verbreitetem Redetext deutliche Worte: "Mörderische Horden – hochgerüstet vom Iran – machten Jagd auf schlafende Familien, singende Jugendliche, tanzende, träumende, fröhliche, friedliche Menschen", sagte sie über den Angriff.
Und dieser sei "der Startschuss für Antisemiten überall auf der Welt" gewesen, Hass und Gewalt auszuleben. "Da werden Terror und Raketen bejubelt – Vergewaltigung, Mord", kritisierte Aigner. "Da wird sehr aggressiv Israels Vernichtung skandiert und Juden der Tod gewünscht."
Dagegen brauche es mehr als einen politischen Konsens, sagte Aigner. "Wir brauchen eine Gesellschaft, die den Judenhass als ihr Problem begreift und bekämpft. Wenn Juden in Deutschland nicht sicher leben können, kann niemand in Deutschland sicher leben."
Auch andernorts im Freistaat waren am Montag Gedenkveranstaltungen geplant, so etwa in Würzburg. In Nürnberg sollte es einen Schweigemarsch und eine Mahnwache geben.