Ermittlungen gegen "Biss" und Ärger bei "Charity München"

München – Obdachlosenmagazine sind normalerweise ein Nischenprodukt in Großstädten – eine Möglichkeit für sozial Benachteiligte, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen und eine kleine Erinnerung für die halbwegs sicher im Leben Stehenden, dass es auch in wohlhabenden Städten wie München Menschen gibt, die nicht so sehr vom Glück geküsst sind.
In diesen Tagen sind die beiden Münchner Obdachlosenmagazine allerdings wegen spektakulärerer Vorgänge in die Öffentlichkeit geraten: Gegen die alteingesessene Straßenzeitung „Biss“ („Bürger in sozialen Schwierigkeiten“) ermittelt aktuell die Staatsanwaltschaft – und „Charity München“ hat damit auch zu tun.
Um Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung soll es gehen
Zum Inhalt der Ermittlungen gegen „Biss“ kann sich die Staatsanwaltschaft wegen des Steuergeheimnisses nicht äußern, sagt ein Sprecher. Der „Süddeutschen Zeitung“ liegen Unterlagen vor, die nahelegen, worum es geht: um den Verdacht der Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit.
Anstoß dafür war demnach ein ehemaliger „Biss“-Verkäufer: Bereits vor einem Jahr hat Udo Bisewski nach eigener Aussage Anzeige erstattet gegen „Biss“. Er war einer der mehr als 40 Festangestellten des Magazins. Im November 2014 habe er vier Stunden lang ausgesagt beim Hauptzollamt, sagt er.
Bisewski wirft dem gemeinnützigen Verein unter anderem vor, Weihnachtsgeld und andere Sonderbeträge in bar ausgezahlt und damit an der Steuer vorbeigeschleust zu haben. Insgesamt steht laut „SZ“ eine Summe von 30 000 Euro pro Jahr im Raum. „Ich habe gesagt, dass ich das nicht machen kann“, sagt Bisewski. „Weil das Schwarzarbeit ist. Die anderen Mitarbeiter schweigen lieber und nehmen das Geld.“
Weil er die Praktiken kritisierte, sei er gemobbt worden. Als er Anfang 2014 der damaligen Geschäftsführerin Hildegard Denninger damit drohte, zur Presse zu gehen, sei ihm gekündigt worden.
„Wir haben unsere Sachen ordentlich gemacht und sind uns keines Vergehens bewusst“, sagt Geschäftsführerin Karin Lohr. „Herr Bisewski versucht schon lange, ,Biss’ schlechtzumachen.“ Eine Anfrage von der Staatsanwaltschaft habe es bisher nicht gegeben.
"Wir wollen keinen Zeitungskampf"
Mindestens zwei weitere ehemalige „Biss“-Verkäufer bestätigen Bisewskis Aussagen. Allerdings haben sie – wie auch Bisewski – inzwischen bei „Charity München“ angeheuert, dem neuen Straßenmagazin, dessen erste Ausgabe mit Ex-OB Christian Ude auf dem Cover im November erschienen ist. Das Heft will keine direkte Konkurrenz sein zu „Biss“, sagt Chefredakteur Tobias Irl. „Wir wollen keinen Zeitungskampf.“
Allerdings ist „Charity“ bereits in dieses Fahrwasser geraten – auch, weil es den Ex-„Biss“-Topverkäufer Frank Schmidt ins Team geholt hat –, aber es nicht so reibungslos lief wie erhofft. Ihm wurde zum Jahreswechsel wieder gekündigt. Er habe im Verkauf immer wieder Passanten und Straßenzeitungs-Verkäufer beschimpft, bedroht, einen Verkäufer auch verprügelt, sagt Irl.
Christian Ude verkauft „Charity“ am 5. Januar um 11 Uhr am Viktualienmarkt
Seitdem verkaufe Schmidt ihm verbliebene „Biss“- und „Charity“-Hefte und verunglimpfe dabei die Macher beider Magazine. Der ehemalige „Biss“-Mitgründer und jetzige „Charity“-Vertriebsleiter Bernhard Gutewort hat Anzeige erstattet. „Charity“ wird das wohl auch noch tun. Dabei, wieder auf das eigentliche Anliegen zurückzukommen, soll nun Christian Ude helfen: Er wird an diesem Dienstag ab 11 Uhr am Viktualienmarkt stehen und die „Charity“ verkaufen.