"Er war mein Freund": Ukrainische Geflüchtete nach tödlicher Messerattacke in München vor Gericht

Fast ein Jahr lang hat eine Ukrainerin bei einem Dachauer Unterschlupf gefunden. Als er darauf drängt, dass sie auszieht, kommt es zum tödlichen Drama. Nun hat der Prozess in München begonnen.
Nina Job
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Mit einem Aktendeckel vor dem Gesicht und der Kapuze über dem Kopf betritt die Angeklagte am Donnerstag das Gericht.
Mit einem Aktendeckel vor dem Gesicht und der Kapuze über dem Kopf betritt die Angeklagte am Donnerstag das Gericht. © job

München - Es war in einer Zeit, als eine Welle der Hilfsbereitschaft die Menschen aus München und dem Umland erfasst hatte. Tausende nahmen in den Wochen und Monaten nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine 2022 Geflüchtete bei sich auf. Auch der geschiedene Münchner Jürgen F. half. Der EDV-Spezialist und Chef von rund 80 Beschäftigten im Klinikum Großhadern nahm eine Ukrainerin in seiner Staatsbedienstetenwohnung in Dachau bei sich auf.

Der 55-Jährige kannte die Frau von früher, hatte offenbar früher eine Beziehung mit ihr gehabt. Seit Donnerstag steht diese Frau wegen Totschlags vor dem Schwurgericht des Landgerichts München II. Olena K. (52) soll ihren Gastgeber am 5. Februar 2023 in dessen Wohnung erstochen haben. Er wollte, dass sie wieder auszieht und hatte seine Ex-Frau, deren neuen Ehemann und seinen Sohn zur Unterstützung dazugeholt.

In diesem Haus in Dachau geschah die Bluttat.
In diesem Haus in Dachau geschah die Bluttat. © Daniel von Loeper

Auf der Anklagebank sitzt eine schlanke, etwa 1,60 Meter kleine, sportliche Frau mit graublonden Haaren. Sie ist aufgewühlt und fahrig, erzählt stundenlang und detailreich. Bei konkreten Fragen zur Tat weicht sie aus. Olena K. sieht sich als Opfer und sie fühlt sich verfolgt – von russischen Militärangehörigen. Sie spricht selbst Russisch, eine Dolmetscherin übersetzt.

Geflüchtete Ukrainerin in München vor Gericht wegen tödlicher Auseinandersetzung

"Jürgen war mein bester Freund, auch wenn wir Streit und Meinungsverschiedenheiten hatten", sagt Olena K. am ersten Prozesstag. Er hat mir immer geholfen." Warum er am Abend des 5. Februar 2023 tot auf dem Boden seiner Küche lag, kann sie nicht erklären. "Ich wollte ihn nicht verletzen!" Die Bankangestellte und Ökonomin war am 21. März 2022 aus ihrem Heimatort Tschernihiw geflüchtet. Die Großstadt war schon kurz nach Kriegsausbruch von russischen Truppen angegriffen und belagert worden. Olena K. flüchtete zuerst zu ihrer Schwester, die im Schwarzwald wohnt, danach reiste sie zu Jürgen F.

"Der Geschädigte wollte die Angeschuldigte nur mit einer vorübergehenden Unterkunft für einige Tage, maximal wenige Wochen unterstützen", so der Staatsanwalt am Donnerstag bei der Verlesung der Anklage. Sie habe aber zunächst keinerlei Anstalten gemacht, sich um eine andere Unterkunft zu bemühen. Aus den wenigen Tagen oder Wochen wurden zehn Monate. Und in dieser Zeit machte Olena K. ihrem Gastgeber das Leben offenbar sehr schwer. Der Staatsanwalt: "Die Angeschuldigte gerierte sich als Hausherrin, benahm sich gegenüber dem Geschädigten herrisch und aggressiv und terrorisierte diesen regelrecht." Jürgen F. soll sich aus Angst vor ihr kaum noch in seine Wohnung getraut haben. Teils übernachtete er bei seinen erwachsenen Kindern oder in der Wohnung seiner geschiedenen Ehefrau. Der Mann, der nur hatte helfen wollen, wusste nicht mehr weiter.

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Schließlich bat er die Mutter seiner Kinder darum, mit Olena K. ein Gespräch von Frau zu Frau zu führen. Jürgen F. hatte sich kurz zuvor mit einer anderen Frau verlobt. Am 5. Februar holte sein Sohn Jürgen F.s Ex-Frau und deren Mann ab und brachte alle zur Wohnung. Für Olena K. kam der Besuch überraschend. Zuerst geriet sie laut Anklage mit der Frau heftig in Streit, beide wollten sich gegenseitig aus der Wohnung werfen. Dann attackierte sie den Sohn von F.

In der Küche traf sie später auf den neuen Mann von F.s Ex-Frau. Olena K. behauptet, sie habe sich bedroht gefühlt und er habe ein Messer in der Hand gehabt. Es kam zum Gerangel. F. kam dazu. Warum ihr "sehr guter Freund" letztlich tot auf dem Küchenboden lag, kann Olena K. vor Gericht nicht erklären. Das Messer habe am Boden gelegen, sie habe es aufgehoben und damit "in der Luft Kreise gemacht". Das Küchenmesser mit 16 Zentimeter langer Klinge traf Jürgen F. zwei Mal in die Lunge. Er starb innerhalb weniger Minuten. Der Prozess wird am 26. Januar fortgesetzt.

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27 Kommentare
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  • C_B am 19.01.2024 18:03 Uhr / Bewertung:

    Es ist wirklich unglaublich, wie dieser SL jeden Artikel dazu benützt, seine Staatsverdrossenheit kund zu tun. Wir wissen es ja jetzt, es wird arg langweilig. Und wem unser Staat nicht passt kann jederzeit umziehen und sich einen besseren suchen wenn er einen findet.

  • SL am 20.01.2024 12:51 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von C_B

    Es ist ja unglaublich woher C-B bei mir eine Staatsverdrossenheit ableitet.

  • Wendeltreppe am 21.01.2024 15:55 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von SL

    Drei mal dürfen Sie raten...

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