Ein sicherer Platz für Frauen - in München herrscht Mangel
München - Die meisten Frauen, die bei Melanie Schauer klingeln, erfahren seit mehr als einem Jahr Gewalt.
Sie stehen erst vor ihrer Tür, wenn sie um ihr Leben, um ihre Gesundheit oder um ihre Kinder fürchten. Trotzdem muss sie die Frauen oft abweisen. Manche warten ein paar Tage. Manche noch länger. So erzählt es Melanie Schauer, die die "Frauenhilfe München", ein Frauenhaus mit 45 Plätzen leitet.
Insgesamt gibt es in München zur Zeit 78 Plätze. Doch die reichen bei weitem nicht: Laut der Istanbuler Konvention, eine Verpflichtung, die die EU-Staaten unterzeichnet haben, um Gewalt gegen Frauen zu verhindern, müsste es in München 156 Plätze in Frauenhäusern geben. Das heißt: München erfüllt die Vorgaben momentan nicht einmal zur Hälfte.
Münchner Plan: 48 weitere Plätze in Frauenhäusern
Zumindest etwas besser soll es bald werden. Der Stadtrat wird am Donnerstag beschließen, 48 weitere Plätze in Frauenhäusern zu schaffen. Sie richten sich an Frauen, die von Partnerschaftsgewalt betroffen und zugleich psychisch oder suchtkrank sind, und deren Kinder.
Laut einer Mitteilung der SPD entstehen die 48 Plätze in zwei Frauenhäusern. In den Appartements können sowohl alleinstehende Frauen unterkommen, wie auch Frauen mit einem oder mehreren Kindern. Dort bekommen sie psychiatrische und ärztliche Hilfe. Ziel sei es, in ein selbstbestimmtes Leben zurückzufinden.
Grün-rote Stadtratsmehrheit will 3,6 Millionen Euro investieren
Für Frauen, die nicht nur Gewalt erfahren, sondern auch eine psychische Erkrankung haben, gibt es momentan in München gar keine Plätze, sagt Schauer. Oft sei es nicht möglich, diese in bestehende Gruppen zu integrieren. "Doch ihnen gar nichts nichts anbieten zu können, ist wahnsinnig frustrierend." Dass die grün-rote Stadtratsmehrheit nun 3,6 Millionen Euro investieren und für diese Frauen Plätze schaffen will, sei deshalb ein Schritt in die richtige Richtung, meint Schauer.
Allerdings nur ein erster. Denn auch mit den neuen Plätzen werden sich die Wartelisten nicht plötzlich auflösen. Schließlich fehlen dann in München noch immer 30 Plätze, um die Quote zu erfüllen. Die CSU beantragte nun, dass die Stadt diese Lücke so schnell wie möglich schließen müsse.
Probleme: Gewalt, Schulden, Sprachbarrieren und mehr
Außerdem werde es in München, wo die Mieten immer weiter steigen, immer schwieriger für die Frauen, eine eigene Wohnung zu finden, sagt Schauer. Im Schnitt bleiben die Frauen acht Monate, manche jedoch viel länger.
Die meisten Frauen haben nicht nur ein Problem, sondern viele: Gewalt, Schulden, Sprachbarrieren, Kinder, die einen speziellen Förderbedarf haben. Gleichzeitig ist ihre Situation ernst: 30 Prozent der Frauen leben schon seit mehr als fünf Jahren in einer gewalttätigen Beziehung. An ein Frauenhaus wenden sie sich meist erst, wenn es gar nicht mehr weiter geht. Corona habe diese Situation verschärft.
Nach dem ersten Lockdown seien die Zahlen derer, die Hilfe am Telefon oder in der Beratungsstelle suchten, plötzlich gestiegen. 1.200 Frauen riefen 2020 in der Beratungsstelle an, das sei eher viel, sagt Schauer. "Corona hat in vielen Familien Krisen ausgelöst."
Dass München bei den Frauenhausplätzen so hinterherhinke, sei die Schuld des Freistaats, lässt sich in einer Mitteilung der Sozialdemokraten lesen. Denn die Kosten, die durch den Ausbau der Frauenhäuser entstehen, übernimmt der Freistaat nicht - obwohl es andere Vorgaben gebe, so die SPD. Auch bei den bestehenden Häusern trage der Freistaat nicht alle Kosten.