Drogen, Vergewaltigung, Diebstahl - Die Zahlen zur Kriminalität in München

München - Früher war alles besser? Stimmt nicht, sagt Münchens oberster Ordnungshüter, Polizeipräsident Hubertus Andrä. Vor 19 Jahren gab es in der Landeshauptstadt rund 15.000 Straftaten mehr – und deutlich weniger Einwohner.
Am Donnerstag stellte Hubertus Andrä die Kriminalitätsstatistik 2016 vor. "München bleibt die sicherste Millionenstadt Deutschlands", versicherte der 61-Jährige und bemühte auch heuer den Vergleich: "Wir sind zum 41. Mal Deutscher Meister!" Die Zahlen im Einzelnen:
GESAMTZAHL: Die Gesamtzahl aller Straftaten ist im vergangenen Jahr um 17.443 Delikte (minus 12 Prozent) auf 128.141 Delikte zurückgegangen. Rechnet man die ausländerrechtlichen Verstöße heraus, ist die Kriminalität allerdings doch wieder gestiegen im Vergleich zum Vorjahr (plus 6 Prozent). Doch das muss die Münchner nicht unbedingt beunruhigen – darunter sind auch Bagatelldelikte.
SCHWARZFAHREN: Knapp 2.000 mehr Menschen sind im vergangenen Jahr beim Schwarzfahren erwischt worden. "Dies sind ohne Zweifel auch Straftaten, aber Straftaten, durch die die individuelle Sicherheit der Münchner kaum berührt wird. Sie haben keinen Einfluss auf das Sicherheitsgefühl", sagt Hubertus Andrä. Auch die Zahl des einfachen Diebstahls ist um 651 Delikte gestiegen.
GEWALT: Sehr wohl einen Einfluss auf das Sicherheitsempfinden hat die Gewaltkriminalität. Sie ist um 5,7 Prozent oder 236 Fälle gestiegen. Gefährliche und schwere Körperverletzungen sind um 181 Fälle gestiegen. 36,4 Prozent der Gewaltdelikte wurden unter Alkoholeinfluss begangen. Im 10-Jahresvergleich steht München aber heute besser da, als früher: 2006 gab es 8,8 Prozent mehr Gewaltdelikte.
Unter den insgesamt 4.591 Tatverdächtigen, die 2016 in der Stadt und im Landkreis München ermittelt wurden, waren 2.685 (58,5 Prozent) Nichtdeutsche.
RAUSCHGIFT: Drogendelikte sind um 600 Straftaten (plus 7 Prozent) gestiegen. 500 (90 Prozent) wurden im Bereich des Hauptbahnhofs registriert. Die Polizei führt die gestiegenen Zahlen dort hauptsächlich auf mehr Kontrollen zurück (s. unten).
ASYLHEIM-EINSÄTZE: Die Zahl der Polizeieinsätze in Asylunterkünften ist seit 2014 kontinuierlich gestiegen – von 850 bis 1.700 im Jahr 2015 zu 4.800 Einsätzen im vergangenen Jahr. "Der Anlass ist in vielen Fällen nichtig. Mal geht es ums Fernsehrprogramm, mal um ein Tor beim Sport, mal ums Essen", sagt Andrä. Viele Einsätze mit vielen Fahrzeugen beeinträchtigen das Sicherheitsgefühl, so der Polizei-Chef. "Aber strafrechtlich bleibt häufig nicht viel übrig."
ZUWANDERUNG: 33.656 Zuwanderer waren Ende 2016 im Zuständigkeitsbereich der Münchner Polizei gemeldet. 5.898 Straftaten wurden von Zugehörigen dieser Gruppe verübt (ein Plus von 2.042 Delikten). Einen Großteil der Zunahme machen Rohheitsdelikte aus. Opfer sind häufig ebenfalls Zuwanderer.
Enkeltrickbetrug: "Dieser Sumpf ist trocken"
Die gute Nachricht: Der sogenannte Enkeltrickbetrug ist in München ausgestorben – jedenfalls derzeit. Im vergangenen Jahr ist nur ein einziger Fall aktenkundig geworden, bei dem ein Betrüger einer Seniorin Geld abluchste, indem er sich am Telefon als ihr Enkel ausgab. Er prellte die alte Dame um 9.000 Euro. In 89 Fällen blieb es bei einem Versuch, die Täter scheiterten.
Polizeipräsident Hubertus Andrä sagte bei der Vorstellung der Kriminalstatistik zufrieden: "Dieser Sumpf ist von uns trockengelegt worden."
Und das gelang so: Die Täter hatten sich derart professionalisiert, dass sie aus Call-Centern in Polen täglich Dutzende potenzielle Opfer anriefen. Hatten die Betrüger ihre Opfer schließlich so verwirrt, dass sie bereit waren, Geld oder Wertsachen zu übergeben, schickten die Täter vermeintliche Freunde des Enkels oder Mitarbeiter von Kanzleien, um die Wertsachen an der Haustür in Empfang zu nehmen.
Lesen Sie hier: Tipps gegen Betrüger am Telefon
Die Münchner Polizei gründete eine eigene Ermittlungsgruppe Enkeltrickbetrug im Dezernat Organisierte Kriminalität. Dank sehr guter Zusammenarbeit mit Ermittlern in Polen hob die Polizei im vergangenen Jahr drei der kriminellen Schaltzentralen in Breslau, Posen und Danzig aus. 15 Verdächtige wurden festgenommen, vier kamen in Haft. Zwei Täter wurden ausgeliefert.
Die weniger gute Nachricht: Ist die eine Masche gestorben, tauchen neue auf. Zur Zeit treiben vor allem falsche Polizisten in München ihr Unwesen. Die Täter manipulieren mittels Software sogar die Telefonnummern, die im Display der Angerufenen erscheinen. Dort leuchten Nummern von echten Polizeidienststellen auf. Bei diesen Straftaten vermutet die Polizei die Hintermänner in der Türkei. "Unsere Kontaktmöglichkeiten dorthin haben sich pulverisiert", sagt Hubertus Andrä unumwunden. "Und ohne Zusammenarbeit können wir keine Erfolge verzeichnen."
Hotspot Hauptbahnhof: 1.100 Rauschgiftdelikte!
Der Hauptbahnhof und die angrenzenden Straßen sind in den vergangenen Jahren zum Brennpunkt geworden. 2016 ist die Zahl der Straftaten dort um 52,6 Prozent gestiegen – (plus 1.399 Fälle). Mehr als die Hälfte sind Drogendelikte – ein Anstieg um 518 Fälle auf insgesamt 1.110. Verdächtige sind auffallend viele Schwarz- und Westafrikaner.
"Der Anstieg der Zahlen belegt, dass wir hier verstärkt kontrollieren", sagt Kriminaldirektor Stefan Kastner. Eine starke Zunahme gab es auch bei Hausfriedensbruch (+161) und Schwarzfahren (+137). Maßnahmen gegen die steigende Kriminalität sind das Alkoholverbot von 22 bis 6 Uhr und mehr Streifen und eine Aufstockung auf acht Kameras.
Seit Januar herrscht im und am Hauptbahnhof nachts Alkoholverbot. Quelle: Polizei München
Einbrecher erbeuten 10 Millionen Euro und Gold
Im vergangenen Jahr waren in München und Umgebung wieder mehr Einbrecher unterwegs: Insgesamt 1.540 Fälle (plus 9 Prozent) zählte die Polizei. Der Beuteschaden war mit zehn Millionen Euro fast doppelt so hoch wie 2015.
Die Aufklärungsquote liegt bei gerade mal 12,7 Prozent. "Da ist noch Luft nach oben", resümierte der Polizeipräsident trocken. Hubertus Andrä rät: "Bargeld und teurer Schmuck sind auf der Bank sicherer aufgehoben. Unterm Kopfkissen ist der absolut unsicherste Platz." Vielleicht ein Trost: Der Langzeitvergleich belegt, dass bis Ende der 1990er deutlich mehr eingebrochen wurde.
Im 40-Jahre-Vergleich sind die Einbruchszahlen von 2016 unterdurchschnittlich. Quelle: Polizei München
Mehr Sexualstraftaten
Die Vergewaltigung und der versuchte Mord an einer Joggerin (45) im Englischen Garten nahe der Emmeramsmühle am 18. Dezember hat sehr viele Münchnerinnen verunsichert.
Die Kripo glaubt aber, ihm dicht auf den Fersen zu sein. "Wir sind optimistisch, ihn 2017 zu fassen", sagte Kriminaldirektor Stefan Kastner. "Wir setzen viel Man-Power ein, die Ermittlungsgruppe besteht aus zehn Beamten."
Die Zahl der Sexualdelikte ist im vergangenen Jahr um 63 auf 882 gestiegen. 187 Frauen wurden vergewaltigt (plus 22). Der Fall von St. Emmeram, bei dem ein Fremder eine Frau überfallartig angriff, ist eher selten. Die Polizei zählte 2016 25 solcher Taten. Bei fast drei Viertel aller Vergewaltigungsopfer (70,6 %) kannten sich Täter und Opfer.