"Die Stadt gibt es dem Verfall preis": Münchner Denkmal verfällt seit Jahrzehnten

Der Unternehmer Dietrich Sailer will ein ehemaliges Bahnwärterhäusl am Perlacher Forst sanieren und Wohnraum schaffen. Doch ohne die Stadtwerke geht es nicht – und die stellen sich quer. 
Nina Job
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Dietrich und Sohn Leo Sailer zu Projekt Bahnwärterhäusl in Geiselgasteigstraße in München im Nov 2025  Foto: Daniel von Loeper, Fotograf: Daniel Loeper
Dietrich und Sohn Leo Sailer zu Projekt Bahnwärterhäusl in Geiselgasteigstraße in München im Nov 2025 Foto: Daniel von Loeper, Fotograf: Daniel Loeper © Daniel Loeper

Wasser dringt durch die undichten Fenster im Dach, die alten Holzbalken verfaulen, an einigen Stellen zeugen verkohlte Stellen von einem Brand, den ein Obdachloser, der hier mal Unterschlupf suchte, verursacht hat. 

Wie eine kleine, vergessene Trutzburg steht das alte Bahnwärterhäuschen auf einer Anhöhe neben der Geiselgasteigstraße kurz hinter der Trambahnschleife an der Haltestelle Großhesseloher Brücke. Schon seit 55 Jahren ist das Gebäude ungenutzt. "Die Stadt gibt es dem Verfall preis", sagt der Unternehmer Dietrich Sailer (63). Und das, obwohl das Bahnwärterhäuschen ein in der Denkmalliste eingetragenes Baudenkmal ist.

Dietrich und Sohn Leo Sailer in dem verfallenen Gebäude. Zehn Container voller Müll und Schutt haben sie entsorgen lassen.
Dietrich und Sohn Leo Sailer in dem verfallenen Gebäude. Zehn Container voller Müll und Schutt haben sie entsorgen lassen. © Daniel Loeper

Dietrich Sailer ist gerade dabei, mit seinen Söhnen Leo und Luis die Münchner Kindl Brauerei wiederzubeleben. An der Tegernseer Landstraße entsteht ein neues Bräuhaus für die historische Münchner Privat-Brauerei. Sailer möchte außerdem das um 1870 errichtete Bahnwärterhäusl am Perlacher Forst vor dem Verfall retten und darin Wohnraum schaffen. Nicht unbedingt für sich und die Familie. Auch Angestellte der Brauerei kann er sich dort als Mieter vorstellen. "Ich hatte schon immer eine große Liebe zum Denkmalschutz", sagt er bei einem Treffen mit der AZ. Vor rund einem Jahr hat er den 900 Quadratmeter großen Grund mit dem alten Bahnwärterhaus gekauft.

Ohne ein Einlenken der Stadtwerke wird nichts aus dem Wohnen

Doch der Plan droht zu scheitern, obwohl Dietrich Sailer auch aus der Politik fraktionsübergreifend Zuspruch bekommt: Sowohl Michael Sporrer, der Fraktionsvorsitzende der SPD im Bezirksausschuss Untergiesing-Harlaching, als auch die grüne Fraktionsvorsitzende Anais Schuster-Brandis hatten Anträge gestellt, in denen sie Aufklärung zum Sachstand der Baugenehmigung forderten. Und auch die CSU im Stadtrat forderte eine rechtliche Lösung, damit eine Baugenehmigung erteilt werden kann. Doch die Stadt stellt sich quer, genauer: die Stadtwerke München (SWM), eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der Stadt. Lenkt sie nicht ein, ist eine Umnutzung des Gebäudes zu einem Wohnhaus offenbar nicht möglich.

Die Haltestelle Großhesseloher Brücke in Richtung Grünwald: Dahinter (l. im Bild) befindet sich die Wendeschleife.
Die Haltestelle Großhesseloher Brücke in Richtung Grünwald: Dahinter (l. im Bild) befindet sich die Wendeschleife. © Nina Job

Und das liegt daran: Zu dem Bahnwärterhäusl gelangt man nur, indem man ein kurzes Stück der Trambahnschleife an der Haltestelle Großhesseloher Brücke überquert. Dafür hat der Eigentümer des Häusls einen sogenannten Gestattungsvertrag mit den Stadtwerken. Um das Gebäude sanieren und dafür einen Bauantrag einreichen zu können, müsste das Grundstück allerdings voll erschließbar sein. Und dafür ist eine im Grundbuch eingetragene "Dienstbarkeitsbestellung" erforderlich, wie es im Juristendeutsch heißt.

An einer Stelle muss man über die Gleise der Wendeschleife fahren, um zu dem früheren Bahnwärterhaus zu gelangen.
An einer Stelle muss man über die Gleise der Wendeschleife fahren, um zu dem früheren Bahnwärterhaus zu gelangen. © Daniel Loeper

Die Stadtwerke wollen die Wendeschleife offenbar umbauen

Diese wollen die SWM nicht erteilen. SWM-Sprecher Hannes Lindhuber teilte der AZ auf Anfrage mit: "Für das Jahr 2029 ist ein Streckenumbau und für 2035 der Umbau der Wendeschleife geplant. Beide Maßnahmen haben voraussichtlich direkten Einfluss auf die Zufahrt zu dem besagten Bahnwärterhäuschen und würden durch die Bestellung einer Dienstbarkeit jedenfalls beeinträchtigt werden."

An anderer Stelle schreibt er gar, die geplanten Maßnahmen der SWM könnten durch eine Änderung im Grundbuch "gegebenenfalls sogar verhindert werden".
Dem vorherigen Eigentümer, der ebenfalls Wohnraum schaffen wollte, sei das alles bekannt gewesen. Er habe zudem einen Prozess verloren, in dem er eine "dingliche Sicherung eines Geh- und Fahrrechts" verlangt hatte.

Das kleine Gebäude (40 Quadratmeter Grundfläche) steht oberhalb der 
 Trambahngleise (Linie 25) an der Geiselgasteigstraße.
Das kleine Gebäude (40 Quadratmeter Grundfläche) steht oberhalb der Trambahngleise (Linie 25) an der Geiselgasteigstraße. © Nina Job
Das letzte Stück Weg führt über einen unbefestigten Weg der Staatsforsten – die keine Probleme machen.
Das letzte Stück Weg führt über einen unbefestigten Weg der Staatsforsten – die keine Probleme machen. © Nina Job

Für Dietrich Sailer und seinen Sohn Leo (29/Jurist) sind das keine überzeugenden Argumente. Vor Gericht sei es um etwas anderes gegangen. Und auch die geplanten Maßnahmen an der Wendeschleife seien kein Hinderungsgrund. "Man kann doch bei jeder Baumaßnahme den Verkehr umleiten, warum soll das hier nicht möglich sein?“, fragt der Vater. Auch bei früheren Maßnahmen sei die Zufahrt zum Bahnwärterhaus immer gewährleistet gewesen.

"Meines Erachtens will die Verwaltungsbürokratie der SWM einfach nicht. Es kann doch nicht sein, dass die Landeshauptstadt einerseits als Untere Denkmalbehörde das Baudenkmal erhalten will und andererseits als Eigentümerin der Stadtwerke genau das verhindern will", sagt Dietrich Sailer.

Das Häusl steht an einer Bahnstrecke, die dem König gewidmet war

Der Wohnraum, den er hier schaffen will "nach 55 Jahren nutzlosem Leerstand kostet die Stadt und die SWM nichts". Er hofft, dass die Stadtwerke doch noch einlenken – "damit sich König Maximilian II. nicht im Grabe umdrehen muss". Dem König wurde die Bahnstrecke vom Flügelbahnhof am Hauptbahnhof nach Holzkirchen einst gewidmet.

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  • Mallory vor 14 Stunden / Bewertung:

    Anstatt eine (machbare) Lösung mit dem Hauseigentümer zu finden, gehen die Stadtwerke halt den einfachsten Weg und stellen sich stur. Für Baumaßnahmen, die evtl. in 5 bis 10 Jahren erfolgen sollen, wird es auch eine Möglichkeit geben, dass eine Zufahrt zum Häuschen realisiert werden kann.

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  • cs23 vor 16 Stunden / Bewertung:

    so sind sie halt unsre Stadtoberen …

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  • kartoffelsalat vor 15 Stunden / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von cs23

    Aber cs23 hst die Lösung.
    Die Argumente der SWM sind ja durchaus stichhaltig und das Interesse des ÖPNV ein - wie das Ö sagt - öffentliches.

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