"Die Stadt gibt es dem Verfall preis": Dieses Münchner Denkmal verfällt seit Jahrzehnten

Wasser dringt durch die undichten Fenster im Dach, die alten Holzbalken verfaulen, an einigen Stellen zeugen verkohlte Stellen von einem Brand, den ein Obdachloser, der hier mal Unterschlupf suchte, verursacht hat.
Wie eine kleine, vergessene Trutzburg steht das alte Bahnwärterhäuschen auf einer Anhöhe neben der Geiselgasteigstraße kurz hinter der Trambahnschleife an der Haltestelle Großhesseloher Brücke. Schon seit 55 Jahren ist das Gebäude ungenutzt. "Die Stadt gibt es dem Verfall preis", sagt der Unternehmer Dietrich Sailer (63). Und das, obwohl das Bahnwärterhäuschen ein in der Denkmalliste eingetragenes Baudenkmal ist.

Dietrich Sailer ist gerade dabei, mit seinen Söhnen Leo und Luis die Münchner Kindl Brauerei wiederzubeleben. An der Tegernseer Landstraße entsteht ein neues Bräuhaus für die historische Münchner Privat-Brauerei. Sailer möchte außerdem das um 1870 errichtete Bahnwärterhäusl am Perlacher Forst vor dem Verfall retten und darin Wohnraum schaffen. Nicht unbedingt für sich und die Familie. Auch Angestellte der Brauerei kann er sich dort als Mieter vorstellen. "Ich hatte schon immer eine große Liebe zum Denkmalschutz", sagt er bei einem Treffen mit der AZ. Vor rund einem Jahr hat er den 900 Quadratmeter großen Grund mit dem alten Bahnwärterhaus gekauft.
Ohne ein Einlenken der Stadtwerke wird nichts aus dem Wohnen
Doch der Plan droht zu scheitern, obwohl Dietrich Sailer auch aus der Politik fraktionsübergreifend Zuspruch bekommt: Sowohl Michael Sporrer, der Fraktionsvorsitzende der SPD im Bezirksausschuss Untergiesing-Harlaching, als auch die grüne Fraktionsvorsitzende Anais Schuster-Brandis hatten Anträge gestellt, in denen sie Aufklärung zum Sachstand der Baugenehmigung forderten. Und auch die CSU im Stadtrat forderte eine rechtliche Lösung, damit eine Baugenehmigung erteilt werden kann. Doch die Stadt stellt sich quer, genauer: die Stadtwerke München (SWM), eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der Stadt. Lenkt sie nicht ein, ist eine Umnutzung des Gebäudes zu einem Wohnhaus offenbar nicht möglich.

Und das liegt daran: Zu dem Bahnwärterhäusl gelangt man nur, indem man ein kurzes Stück der Trambahnschleife an der Haltestelle Großhesseloher Brücke überquert. Dafür hat der Eigentümer des Häusls einen sogenannten Gestattungsvertrag mit den Stadtwerken. Um das Gebäude sanieren und dafür einen Bauantrag einreichen zu können, müsste das Grundstück allerdings voll erschließbar sein. Und dafür ist eine im Grundbuch eingetragene "Dienstbarkeitsbestellung" erforderlich, wie es im Juristendeutsch heißt.

Die Stadtwerke wollen die Wendeschleife offenbar umbauen
Diese wollen die SWM nicht erteilen. SWM-Sprecher Hannes Lindhuber teilte der AZ auf Anfrage mit: "Für das Jahr 2029 ist ein Streckenumbau und für 2035 der Umbau der Wendeschleife geplant. Beide Maßnahmen haben voraussichtlich direkten Einfluss auf die Zufahrt zu dem besagten Bahnwärterhäuschen und würden durch die Bestellung einer Dienstbarkeit jedenfalls beeinträchtigt werden."
An anderer Stelle schreibt er gar, die geplanten Maßnahmen der SWM könnten durch eine Änderung im Grundbuch "gegebenenfalls sogar verhindert werden".
Dem vorherigen Eigentümer, der ebenfalls Wohnraum schaffen wollte, sei das alles bekannt gewesen. Er habe zudem einen Prozess verloren, in dem er eine "dingliche Sicherung eines Geh- und Fahrrechts" verlangt hatte.


Für Dietrich Sailer und seinen Sohn Leo (29/Jurist) sind das keine überzeugenden Argumente. Vor Gericht sei es um etwas anderes gegangen. Und auch die geplanten Maßnahmen an der Wendeschleife seien kein Hinderungsgrund. "Man kann doch bei jeder Baumaßnahme den Verkehr umleiten, warum soll das hier nicht möglich sein?“, fragt der Vater. Auch bei früheren Maßnahmen sei die Zufahrt zum Bahnwärterhaus immer gewährleistet gewesen.
"Meines Erachtens will die Verwaltungsbürokratie der SWM einfach nicht. Es kann doch nicht sein, dass die Landeshauptstadt einerseits als Untere Denkmalbehörde das Baudenkmal erhalten will und andererseits als Eigentümerin der Stadtwerke genau das verhindern will", sagt Dietrich Sailer.
Das Häusl steht an einer Bahnstrecke, die dem König gewidmet war
Der Wohnraum, den er hier schaffen will "nach 55 Jahren nutzlosem Leerstand kostet die Stadt und die SWM nichts". Er hofft, dass die Stadtwerke doch noch einlenken – "damit sich König Maximilian II. nicht im Grabe umdrehen muss". Dem König wurde die Bahnstrecke vom Flügelbahnhof am Hauptbahnhof nach Holzkirchen einst gewidmet.