Die lächelnde Wunderwaffe

Ulrich Wilhelm war Sprecher von Angela Merkel, seit gut zwei Monaten arbeitet er als neuer Intendant des Bayerischen Rundfunks. Dort überrascht er viele mit seiner Lockerheit.  
von  mak, mm.
Unter den Bildschirmen der AZ: Ulrich Wilhelm beim Redaktionsbesuch.
Unter den Bildschirmen der AZ: Ulrich Wilhelm beim Redaktionsbesuch. © Schramek

Ulrich Wilhelm war Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel, seit gut zwei Monaten arbeitet er als neuer Intendant des Bayerischen Rundfunks. Dort überrascht er viele mit seiner Lockerheit.

München - Der Mann neigt zum bedachten Wort. Direkte Ansagen sind nicht die Sache eines Ex-Regierungssprechers. Umso überraschender seine Antwort auf die Frage: „Ist das Amt des Intendanten des Bayerischen Rundfunks schwieriger als das des Regierungssprecher bei Schwarz-Gelb?“ Natürlich, meint Wilhelm. Intendant sei etwas ganz anderes.

Bayern ist schließlich enorm kompliziert, alle möglichen Interessen muss er in dem neuen Job unter einen Hut bringen. Ob ihm das gelingt? Wilhelm hat die Fähigkeit, gleichzeitig bescheiden und selbstbewusst zu wirken. Der gebürtige Münchner spricht mit jenem jugendlichen Lächeln, mit dem er auch das freundlich-gewinnende Gesicht einer schwarz-gelben Bundesregierung war. Einer Regierung, die schon vor Libyen und Fukushima wie eine Chaoten-Truppe wirkte.

Bei allem Charme und aller Verbindlichkeit: Wilhelm konnte das Image nicht korrigieren. Ist er deshalb gegangen? Wilhelm plaudert nicht aus dem Nähkästchen, aber man merkt es ihm an beim Antrittsbesuch bei der AZ: Er hat den Job bei Merkel gerne gemacht – fünf Jahre lang, länger als die meisten Vorgänger. Und nach Meinung einer großen Koalition aus Politikern aller Parteien und Journalisten hat er ihn gut gemacht.

Der Wechsel nach München wurde dem Vater zweier Kinder sicher erleichtert durch ein Rekordvotum. 40 von 44 Rundfunkräten, darunter auch die Vertreter der Oppositionsparteien, stimmten für den CSU-Mann. Seit 1. Februar hat er den Job.

Diplomatisch sein, wenige Risiken eingehen, mit fundiertem Wissen und kühlen Einschätzungen glänzen – und dabei immer freundlich lächeln: Ulrich Wilhelm versteht es, die Mechanismen des Mediengeschäfts zu bedienen. Dazu kommt, dass er – wie man so sagt – ein netter Typ ist.

Im BR, der zu weiten Teilen wie eine Behörde funktioniert, ist solche Lockerheit ungewöhnlich. Ein Redaktionsleiter berichtet begeistert, wie Wilhelm bei einem Studiobesuch eine Technikerin mit Namen angesprochen und nach ihren Arbeitszeiten gefragt habe – eigentlich normal, aber so etwas finden sie hier höchst bemerkenswert.

Es ist das Wechselspiel aus Distanz und Nähe, das Wilhelm in Perfektion beherrscht. Vertrauen einflößen, ohne dabei kumpelhaft zu wirken, das hat er gelernt auf all den Stationen seinen Berufslebens. Er war Leiter der Pressestelle bei Stoiber, Amtschef im Wissenschaftsministerium von Thomas Goppel und natürlich: Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel von 2005 bis 2010. Wie sich das als Beamter gehört, redete er sie anfänglich stets mit „Frau Bundeskanzlerin“ an, bis sie ihn darum bat, doch auf „Frau Merkel“ umzusteigen. „Ja, wir haben uns gut verstanden“, sagt er.

Ruft sie ihn jetzt noch gelegentlich an? Wilhelm verneint, auf keinen Fall! Man erinnert sich: Vor seinem Amtsantritt hatten einige Zweifler besorgt angefragt, wie weit es denn her sei mit der „Staatsferne“ bei einem ehemaligen Regierungssprecher mit CSU-Parteibuch.

Die gleiche Lässigkeit wie bei der Kanzlerin war bei seinem früheren Chef Edmund Stoiber unangebracht. Alle engen Mitarbeiter sprachen Stoiber korrekt mit „Herr Ministerpräsident" an. Das konnte durchaus komisch sein. Einmal, es war bei einer Südamerika-Reise, musste Wilhelm mit dem Regierungschef früh morgens ein Interview durchsprechen. Stoiber saß im Schlafanzug auf dem Bett seines engen Hotelzimmers, als Wilhelm ihn mit „Guten Morgen, Herr Ministerpräsident" begrüßte.

Zwischen den Stühlen sitzen, alle Standpunkte abwägen – das muss er auch in seinem neuen Job. Die Bandbreite seines Senders zwischen Musikantenstadl und der gelehrten Dokumentation über Ovid muss er glaubhaft verkörpern. Ihm fällt das nicht schwer, er argumentiert schlüssig, Gegenpositionen lächelt er weg.


Natürlich, sagt er, muss ein gebührenfinanzierter Sender ein anspruchsvolleres Programm bieten als es die Privaten tun. Auf der anderen Seite darf der BR mit dem vielen Geld nicht das große Publikum mit seinen Bedürfnissen nach leichter Unterhaltung aus den Augen verlieren. Einerseits, andererseits, und am Ende ein kluges Statement. Das kann er. Doch er weiß auch: Die gleichen Leute, die heute höchste Qualität für eine Sendung einfordern, geißeln ihn morgen für einen Quotenflop.

Konflikte wird es geben. Mit seiner Entscheidung, nach Fukushima den Musikantenstadl zu verschieben, hat der Intendant schon mal eine Duftmarke gesetzt: „Es erschien mir unpassend, an diesem Abend eine Sendung zu bringen, die heile Welt als Inbegriff hat“, sagt er. „Information, Bildung, Qualitätsjournalismus, das sind die Stärken des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.“ Darauf setzt der Neue.

Aber Sendungen wie „Dahoam is dahoam“ und Lindenstraße wird es auch noch in zehn Jahren geben: „Sie werden immer Themen setzen müssen, die nicht nur den Verstand bedienen“ sagt er, und: „Der Mensch ist nicht nur kopfgesteuert.“

Und wie sieht die öffentlich-rechtliche Zukunft aus? Da wird Wilhelm für einen Moment staatstragend: „Ich hoffe, dass wir in Zukunft die Kraft für unseren Grundauftrag haben. Ohne solide, verlässliche Information funktioniert die Gesellschaft nicht.“

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