"Die anständigen Leute freuen sich": Wie der CSU-OB-Kandidat München sicherer machen will
"Nein", sagt Clemens Baumgärtner auf dem AZ-Sofa im Barocksaal des Deutschen Theaters. "Ich empfinde keinen Druck." Er freue sich einfach auf den Wahlkampf. Das nimmt man ihm an diesem Abend im Gespräch mit AZ-Kulturredakteur Adrian Prechtel und Rathausreporterin Christina Hertel ab. Baumgärtner hat sichtbar viele Kilos abgespeckt, der neue Anzug sitzt, der 49-jährige Harlachinger wirkt wach, fit und über weite Strecken schon recht souverän. Der Mann ist im Wahlkampfmodus.
Weil er es kann. Baumgärtner bereitet sich seit Monaten auf die heiße Phase vor, die er hier im Deutschen Theater einleitet. Wovon er lebt? "Ich lebe von dem, was ich mir erspart habe", sagt Baumgärtner, "damit finanziere ich mein Leben." Er habe sich gesagt, er mache den Wahlkampf "entweder gscheit oder gar nicht".
Also gscheit. Wo Baumgärtner inhaltlich im Wahlkampf hin will, zeichnet sich seit Monaten ab: Die Ideologen sind die Grünen und Roten, die mit Geld nicht umgehen können und es für ihre Lieblingsprojekte wider jede Vernunft verplempern, Autofahrern bewusst das Leben schwer machen. Der OB? Nett, sympathisch, aber nicht mehr in der Lage, die Stadt zu führen.

Und doch wird an diesem Abend das Bild von diesem Baumgärtner schärfer. Er schwärmt von der Eisbachwelle, die "eine Bedeutung auch für die Seele der Münchner" habe und symptomatisch sei für die grün-roten Versäumnisse in der Stadt.
Beim Bauen, bei der Sicherheit, bei der Verkehrsführung – so viele Probleme, so sieht es Baumgärtner, könne man mit gesundem Menschenverstand und ein bisserl Kreativität lösen.
Er hat kürzlich, wie berichtet, Sicherheitsleute in jeder abendlichen U-Bahn gefordert. Das unterstreicht er auch auf dem AZ-Sofa. "Kurzfristig wird das das Mittel der Wahl sein", sagt er. Auf Dauer gehe es dann stärker um Kameraüberwachung und künstliche Intelligenz.
Bei dem Thema hat Baumgärtner einen der wenigen schwachen Momente an dem Abend, seine Argumentation ist noch nicht stringent genug für die heiße Phase des Wahlkampfs, etwa weil Fahrzeuge und Haltestellen der MVG schon fast flächendeckend kameraüberwacht sind, gar nicht recht klar wird, was er eigentlich warum fordert.
Auch die Stadt solle mehr Kameras aufbauen
Auch an den Straßen hätte der Kandidat gerne sehr viel mehr Kameras – nicht nur von der Polizei beschlossene wie zuletzt –, sondern auch von der Stadt aufgebaute. Er ist sich sicher, dass die Münchner mit viel mehr Überwachung kein Problem hätten. "Die anständigen Leute, die nichts zu verbergen haben, freuen sich, wenn Straftaten verhindert werden." Da würde wohl auch Markus Söder mitgehen. Doch Baumgärtner wagt sogar ein bisserl Distanz zum Parteichef. Er sei für einen Drogenkonsumraum in München, sagt er.
Insgesamt bekennt sich der Kandidat zur CSU als moderner Großstadtpartei, liberal plus konservativ, betont, dass man Migranten auf der Stadtratsliste habe, die "unsere Werte teilen", den vielen konservativen Migranten in der Stadt ein politisches Angebot mache.
Bei den vielen Dauer-Baustellen wird er bildlich – und sogar ein bisserl witzig. Auf der Fürstenrieder Straße etwa habe er "schon fast eine Bauma" gesichtet, bei all dem Bau-Material, das dort unbewegt herumstehe. Bei den Baustellen wie in der Entwicklung der Altstadt sieht er Autofeinde im Rathaus am Steuer. Das gefährde auch den Einzelhandel in der Innenstadt – schließlich gäben die Autofahrer laut einer Studie doppelt so viel aus wie die anderen.
Auf persönliche Angriffe auf OB Dieter Reiter (SPD) verzichte der Kandidat komplett, so wie er es für den Wahlkampf versprochen hat. An der grün-roten Politik aber lässt er kein gutes Haar. Man könne ja wohl erwarten, dass man sich wenigstens von Fachleuten anhört, was die besten Lösungen sind – das aber sei nicht geschehen.
Mit der CSU wurden mehr Radwege gebaut
Als Autofahrerpartei will er seine CSU trotzdem nicht bezeichnet wissen. Mit CSU-Regierungsbeteiligung seien von 2014 bis 2020 mehr Radweg-Kilometer gebaut worden als in den Jahren danach (was tatsächlich stimmt).
Baumgärtner sagt, so gute Chancen wie jetzt habe die CSU schon lange nicht mehr gehabt. Das mag sein. Unterm Strich klingt dann aber doch alles sehr danach, dass man die Grünen ablösen will und mit der SPD regieren (und, so realistisch dürften auch in Baumgärtners Umfeld Menschen sein, am Ende wohl unter und mit einem SPD-OB Dieter Reiter).
Dieses Angebot macht Baumgärtner der SPD
Dazu passt ein überraschendes Angebot an die Sozen, das Baumgärtner mit aufs Sofa ins Deutsche Theater gebracht hat. Die Rathaus-SPD hat kürzlich – wie berichtet – gefordert, dass endlich Baustandards gesenkt werden müssten, um den Wohnungsbau für Investoren wieder attraktiver zu machen. Eine "Lernkurve nach fünfeinhalb Jahren" attestiert Baumgärtner da. Und kündigt an, auf die SPD zuzugehen und einzufordern, dass man als schwarz-rote Mehrheit noch in den Monaten vor der Wahl konkrete gemeinsame Beschlüsse fällt, um die Wohnungsmisere zu beenden.
"Grün-Rot hat es geschafft, den Wohnungsbau komplett runterzufahren", schimpft er im Gespräch mit den AZ-Redakteuren auf dem Sofa. "Die schlechtesten Zahlen aller Zeiten!"
Sollte er OB werden, will Baumgärtner auch wieder den Kauf von Eigentumswohnungen mit öffentlichem Geld fördern. "Ich bin ein Gegner des Narrativs, dass jeder, der eine Wohnung hat, reich ist", sagt er. Er sei froh um jeden, der sich auch nur eine 20-Quadratmeter-Wohnung kaufe.
"Hätten Sie diese Frage einer Frau auch gestellt?"
Bleibt noch eine ganz andere Frage, eine persönliche Frage, die sich manch Besucher im Saal stellt. Wie hat der Kandidat eigentlich so sehr abgenommen? Die AZ fragt ihn im Anschluss an den Auftritt. "Hätten Sie diese Frage jetzt auch einer Frau gestellt?", kontert der Kandidat. "Aber: Ich weiß und merke, dass der Wahlkampf geistig und körperlich sehr herausfordernd ist." Deswegen wolle er fit sein.
Und wie er das geschafft hat? "Ich habe mit Selbstdisziplin, Ernährungsumstellung und viel Unterstützung in den letzten Monaten 20 Kilogramm abgenommen." Alles für die heiße Phase des Wahlkampfs.
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