Der Vater der Eisbachwelle ist zurück – wie er den Surfern jetzt helfen will
Da steht er also, der totgeglaubte Vater der Eisbachwelle, lebendig, aber sehr still. Minutenlang schaut er am Mittwochvormittag wortlos vom Eisbachufer aus hinunter. Wie das Wasser unterm eisgrauen Winterhimmel dunkelgrün unter der Brücke herausschießt. Und sich dann schaumig verwirbelt. Zu unsurfbarem Weißwasser, noch immer.
„Ein trauriger Anblick“, entfährt es Walter Strasser schließlich, „fast zum Weinen ist das.“ Weil die weltbekannte Surfer-Welle am Haus der Kunst nach der unseligen Bachauskehr Ende Oktober nun schon bald fünf Wochen kaputt ist. Weil zig Professoren und Fachleute sich seither dran abarbeiten, sie wieder in Gang zu bringen (AZ berichtete).

Eine Legende unter den Eisbachsurfern
Und weil man ihn selber noch nicht um Hilfe gebeten hat: Strasser (67), der seit einigen Jahren in Sardinien lebt, und den man in der Surfercommunity zuletzt für verstorben gehalten hat, ist Legende unter den Münchner Eisbachsurfern. Denn er ist es gewesen, der vor 30 Jahren die erste Eisbach-Rampe erfunden hat. Weshalb aus der Gelegenheits-Welle, die nur wenige Tage im Jahr funktioniert hat, eine Ganzjahres-Surfwelle geworden war, unabhängig von Wetter oder Wasserstand.
Zehn Jahre lang hat der Instrumentenbauer von 1995 bis 2005 die Welle in Eigenregie betreut. Das hat dem gern grantelnden Münchner seinerzeit den Beinamen „Hausmeister“ eingebracht.

Dem OB persönlich Hilfe angeboten
Dabei hat Strasser – wie die AZ berichtet hat – OB Dieter Reiter (SPD) schon vor Wochen schriftlich seine Unterstützung angeboten. Hat erklärt, dass er genau wisse, wie die kaputte Welle wiederherzustellen sei. „Ich hab so viel Erfahrung mit dem Eisbach, ich weiß ganz genau, wo das Problem ist. Ich hätte das innerhalb von einer Woche längst reparieren können, in einem ganz geringen finanziellen Rahmen“, sagt er der AZ. „Aber bei der Stadt meinen sie, sie brauchen mich nicht. Das ist schon sehr enttäuschend. Ich hab schon erwartet, dass wir uns mal zusammensetzen.“Er ist jetzt trotzdem für ein paar Tage aus Sardinien nach München gereist, „um die Lage zu checken“, wie er sagt.

Über Wochen den Untergrund untersucht
Wochenlang, erzählt Strasser, habe er Mitte der 1990er Jahre gemessen, gerechnet und den Untergrund untersucht – bis ihm die Idee mit dem Holzbrett gekommen sei, das man so ins Wasser hängen muss, das es sich senkrecht aufstellt. Bis es endlich exakt die richtige Länge und Breite hatte, die richtige Rundung, die perfekte Aufhängung. „Ich habe das Brett damals links und rechts an die Bäume gehängt, vorne nah an der Brücke.“
Gefährliche Betonquader
Seine mobile Holzrampe sei für die Surfer nie eine Gefahr gewesen, „weil sie ja vor der Welle unter Wasser war, an die kommt man ja gar nicht heran.“ Sehr wohl gefährlich seien aber die vier Reihen an Betonquadern, die im wieder aufsteigenden Teil der Eisbachsenke liegen.„Die Störsteine sind messerscharf“, sagt der Rampenerfinder, „an denen haben sich damals viele Surfer schlimm verletzt. Einer hat sich dort die ganze Kniescheibe weggeschlagen. Einer hat sich das halbe Gesicht dran aufgerissen.“ Die Surfer hätten irgendwann die scharfen Kanten „mit der Hand abgeschlagen, damit wir uns nimmer so wehtun“.
"Auf die Störsteine könnte man verzichten"
Und noch zwei schlimme Vorfälle erinnert er gut: „Ich habe zwei Mal Surfer rausgezogen, bei denen sich die Leash um einen Störstein gewickelt hat. Ein Mädel war eine halbe Minute unter Wasser, bis ich sie da raus hatte.“Daran habe er denken müssen, als er von dem schrecklichen Eisbachunfall hörte, bei dem heuer am 16. April eine 33-jährige Surferin verunglückt ist, weil ihre Fangleine sich unter Wasser verhakt hatte – und die eine Woche später gestorben ist. Seine Meinung? „Auf die Störsteine könnte man komplett verzichten, die gehören raus aus dem Eisbach.“ Nur: Nach seiner Meinung frage halt keiner.

20 Personen im Experten-Gremium
Das könnte sich jetzt allerdings ändern. Es gibt Hoffnung, dass Strasser sich doch einbringen kann. Die AZ hat an der Welle ein Treffen mit dem Surfclub-Präsidenten Martin Grün (54) organisiert. Der freut sich sehr, den Surfpionier zu treffen. „Der Walter ist eine Legende“, sagt Martin Grün, „das wäre super, wenn er mitmacht.“ Der Surfer gehört zum etwa 20-köpfigen Gremium mit Vertretern von Stadt, Surfern und Professoren, die Wellenexperten sind.
Der Antrag liegt schon bei der Stadt
Wie die AZ berichtet hat, planen sie aktuell den neuesten Eisbach-Versuch, bei dem es endlich klappen soll mit der Welle. Dabei sollen zwei Kubikmeter Kies in den Eisbach eingeschüttet und eine dreiteilige Rampe eingesetzt werden. „Rechts und links je ein kleines Holzbrett, um die Welle zu justieren, und mittig ein großes Brett“, sagt Martin Grün. Seit vergangenem Mittwoch liege der Antrag bei der Stadt, erklärt das städtische Umweltreferat auf AZ-Nachfrage.

Ein Ziel: Moos am Bachboden
Rund drei Monate soll die Rampe im Wasser bleiben. Vorgänger-Rampen, die die Münchner Surfcommunity – nach Walter Strassers Prototyp – selbst gebaut hatten, waren oft jahrelang im Eisbach befestigt. Ziel des Rampeneinbaus sei es, dass sich am Bachboden Moos bildet, sagt Grün. Dadurch soll die Oberflächenrauigkeit, die bei der Bachauskehr geglättet wurde, wieder hergestellt werden.
"Das wird wohl eher nichts"
Reichen drei Monate – oder braucht es womöglich länger, damit das Moos wie früher wächst? „Das weiß ich nicht“, gibt Martin Grün zu. Walter Strasser ist da etwas skeptischer: „Das wird wohl eher nichts.“ So richtig äußern will sich der Rampen-Pionier nicht zum Vorgehen der Stadt. Auch um seine Pläne zur Wellen-Wiederbelebung macht er momentan lieber noch ein Geheimnis. „Er hat es mir schon mal aufgemalt, wie er es sich vorstellt. Ein ganz einfaches Konzept“, erzählt Ehefrau Anita Strasser, die ihn an den Eisbach begleitet hat. „Das Thema lässt ihn nicht los, das treibt ihn wirklich um.“ Das wird diese Woche wohl noch so bleiben. Martin Grün geht davon aus, dass der Hauptversuch der Expertengruppe erst kommende Woche an der Welle stattfindet.

Bauanleitung? Wird mündlich weitergegeben
Wie hoch sind die Erfolgschancen des Experiments? „Das wird funktionieren“, ist sich der Präsident des Surfclubs sicher. Das habe die nächtliche Surfaktion neulich bewiesen.
Eine Bauanleitung für eine solche Rampe, wie sie bei der heimlichen Nacht- und Nebelaktion gezimmert wurde, gibt es nicht. „Das wird mündlich weitergegeben und gegebenenfalls angepasst, seit Surfer-Generationen“, erklärt Grün.
"Wenn die Welle steht, machst an Surf?"
Dass die Welle am Eisbach nicht bricht, ist der Eisbrecher zwischen ihm und Walter Strasser. „Wenn die Welle steht, machst an Surf?“, scherzt der jüngere Grün und stößt Strasser kumpelhaft in die Seite. Der 67-Jährige zuckt nur mit den Achseln. Ein kleines Lächeln umspielt seine Lippen.

In seiner Münchner Garage steht noch sein 25 Jahre alter „Eisbachferrari“: ein rotes Surfbrett, das Strasser sich extra für den Eisbach hat anfertigen lassen. Nur der Neoprenanzug liegt knapp 1200 Kilometer südlich in Sardinien. Aber daran soll es nicht scheitern.
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