Der Jennerwein sperrt für immer zu

Der Versuch, einen Nachfolger zu finden, der die Kneipe im bisherigen Sinne weiterführt, ist gescheitert.
von  Felix Müller
Die gute alte Zeit: Bernhard Steinweg im Gespräch mit Gästen am Tresen des Jennerwein.
Die gute alte Zeit: Bernhard Steinweg im Gespräch mit Gästen am Tresen des Jennerwein. © Daniel von Loeper/AZ-Archiv

München - Meine Güte, was wurde hier diskutiert, geknutscht, geraucht und vor allem, ja, das muss man so sagen: gesoffen. Der Jennerwein an der Belgradstraße ist ein Stück Kneipengeschichte. 60 Jahre alt ist die dunkle, gemütliche, alternative Kneipe. Sie ist: eine Institution. Schwabing draußen wurde immer teurer und geschleckter. Der Jennerwein drin blieb der Jennerwein. Laute Musik, wenig Licht, Löwenbräu.

Buntes Publikum im Jennerwein

Ja, so war das immer im Jennerwein. Prägend war die Ära der gebürtigen Berliner Henry Heppel und Wolfgang Ettlich, denen der Jennerwein in den Siebzigern gehörte. Die alte Tapete, Geweihe, dunkelgrüne Vorhänge: Schon 30 Jahre sieht die Kneipe aus, wie sie aussieht. Und das fanden alle gut so: die übriggebliebenen Alt-68er, die seit Jahrzehnten hier ein- und ausgingen, die Punks und Rockabillies, die den Laden in den 90ern prägten - und die alternativen Studenten, die im Westen Schwabings in den Nullerjahren keine andere Wahl hatten, als in den Jennerwein (und spätnachts dann rüber in die X-Bar, die es nun auch nicht mehr gibt) zu gehen. Sonst blieb ja nur die U-Bahn ins Glockenbachviertel.

Bernhard Steinweg, Wirt seit 2001, hat vor Monaten mitgeteilt, sich "aus familiären Gründen" zurückzuziehen. Er gebe das Lokal "in gute Hände" ab. In gute Hände abzugeben, das sollte vor allem heißen: Der Jennerwein sollte weiterleben. Dunkel, laut, ein bisserl rau und doch sehr herzlich.

Keine Rettung für den Jennerwein

Am Mittwoch nun teilte der Jennerwein mit, dass der Rettungsversuch gescheitert ist. Die Brauerei habe sich für Thomas Welcker (Max-Emanuel-Brauerei) entschieden, man habe sich nicht auf eine "faire Ablösesumme" einigen können. Jetzt wird der Laden wohl ausgeräumt übergeben, nicht in alter Form weiterbestehen.

Was den Jennerwein-Anhängern bleibt, ist Entsetzen - und die vielen Erinnerungen an legendäre Abende. "Fast 60 Jahre lang reifte eine unverwechselbare Patina heran, sammelten sich bedeutungsvolle Erinnerungstücke", heißt es nicht ohne Pathos in der gestrigen Mitteilung, "hier entstand der einzigartige Jennerwein-Geist, der über Generationen Menschen in allen Berufs- und Altersgruppen zusammengebracht hat". Aus. Vorbei. Schwabing wird wieder ein Stück eintöniger. Ein Jammer.


Update: Inzwischen hat sich auch der neue Jennerwein-Betreiber zu Wort gemeldet. Was er sagt und was er für Pläne hat, lesen Sie hier.

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