Der Beunruhigte: Marcus Buschmüller ist gestorben
München – Sigi Benker erinnert sich noch genau. Wo er, der langjährige Stadtratschef der Grünen, Marcus Buschmüller das erste Mal gesehen habe? "Bei einem SS-Veteranentreffen 1983", sagt Benker. Beziehungsweise, natürlich, beim Protest dagegen.
Bei anderen Menschen wäre das eine überraschende Antwort. Wenn aber die Rede von Marcus Buschmüller ist, ist sie nur folgerichtig. Der Mann hat die alten und die neuen Nazis und den Kampf gegen sie zu seinem Lebensthema gemacht – seit er das Wiesn-Attentat 1980 als gerade einmal 17-Jähriger mit eigenen Augen gesehen hatte.
Marcus Buschmüller gründete Aida
Buschmüller wurde aktiv in der linken Szene – und baute als prägende Figur die Strukturen gegen Rechts in der Stadt auf, gründete die Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle Aida, aus deren Umfeld ein Netzwerk antifaschistischer Institutionen entstand, das heute auch bundesweit als vorbildlich gilt.
Und doch geriet Buschmüller auch in den Fokus des bayerischen Verfassungsschutzes. Ausgerechnet Buschmüller, den die "SZ" dieser Tage treffend selbst als "Verfassungsschützer" würdigte.
So ist er auch ein Symbol dafür, dass staatliche Stellen lange auf dem rechten Auge wenn vielleicht nicht blind, so doch zumindest äußerst sehschwach waren.
Buschmüller machte seine Berufung zum Beruf
Der Verfassungsschutz hatte es auf Buschmüller und sein Aida-Archiv abgesehen, versagte aber beim tödlichen sogenannten NSU – Strukturen also, vor denen Buschmüller und seine Leute immer gewarnt hatten. Gerichte sollten Aida schließlich vom Extremismus-Vorwurf freisprechen.
Buschmüller, der Erzieher gelernt, lange in einem Reisebüro gearbeitet, Sozialpädagogik studiert hatte, machte seine Berufung schließlich auch zu seinem Beruf, wurde bei der Fachinformationsstelle Rechtsextremismus München (Firm) angestellt, die ebenfalls aus den Strukturen gegen Rechts entstanden war.
Die Netzwerke im Hintergrund im Blick
Wenn man mit seinen Münchner Mitstreitern in diesen Tagen über Marcus Buschmüller spricht, ist allergrößte Anerkennung für seine politische Arbeit zu hören – und menschlich viel Warmherziges. "Er hatte einen vollkommen klaren Blick auf die rechte Szene", sagt Sigi Benker. Miriam Heigl von der Fachstelle Demokratie der Stadt sagt im Gespräch mit der AZ: "Er hatte eine außergewöhnliche Begabung, alles zu durchdringen und zu analysieren." So hatte Buschmüller stets die Netzwerke im Hintergrund im Blick, die bei dem Blick auf Neonazis bei Demonstrationen so schwer zu verstehen sind. "Er war ein super-angenehmer Partner", sagt Heigl, "immer auf die Sache bedacht."
Auch in der AZ hieß es ganz selbstverständlich: "Ruf doch mal den Marcus Buschmüller an", wenn eine Recherche über Neonazis an ihre Grenzen stieß. Marcus Buschmüller wusste zu helfen, immer wusste er das.
"Er hatte eine große Unruhe in sich", sagt Sigi Benker, "eine Beunruhigung. Diese Unruhe hätte, wie sich spätestens beim NSU gezeigt hat, auch diesem Staat gutgetan, wenn es um die rechte Gefahr geht".
OB Reiter über Buschmüller: "Voller Respekt vor seiner Lebensleistung"
Bis zuletzt hat Marcus Buschmüller, schon schwer krank, noch von zu Hause aus gearbeitet. Mit seinen vielen Mitstreitern. Und an seinem großen Lebensthema: dem Kampf gegen den alten und neuen Rechtsextremismus. Letzte Woche ist Marcus Buschmüller mit 58 Jahren gestorben.
Auch Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) würdigte Marcus Buschmüller am Montag. "Wir verneigen uns voller Respekt vor seiner Lebensleistung, die die Münchner Stadtgesellschaft entscheidend verändert und nachhaltig geprägt hat", sagte der OB.
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