Der AZ-Jodeltest

Nein, man kommt nicht drumrum, um das Jodeldiplom von Loriot. Jeder, der von dem Kurs hört, spricht vom „Holari-du–dödl-du“. So stellt Eva-Maria Wuschik vom Kulturreferat schon bei der Begrüßung klar: „Bei uns gib’s kein Diplom.“ Und sie gibt uns gleich das Gefühl, zu einem exklusiven Kreis zu gehören. Als das Kulturreferat, Abteilung Volkskultur, bekannt gab, dass es den ersten städtischen Jodelkurs in München geben wird, war er schneller ausgebucht, als der gemeine Städter Holareiduljö sagen kann. Sogar aus Paris rief jemand an und wollte mitmachen. Jetzt sind 85 Singwillige ins Haus der Bayerischen Philharmonie in Pasing gekommen, darunter eine gebürtige Hamburgerin, die Sätze sagt wie: „Das hätten sie schon viel früher anbieten sollen.“ Oder Monika Reiser aus Großhadern, die die Sehnsucht nach dem Jodeln „scho immer druckt“ hat. Als sie sich dann angemeldet hat, erzählt sie, „schwankte mein Mann zwischen Bewunderung und Lachanfall“.
Beim Jodeln ist es ja noch extremer als bei anderen bayerischen Ur-Tümern wie der Lederhosn oder dem Oktoberfest. Für Preißn und andere Fremdlinge ist damit auch das Bild vom Bayern-Dödel verknüpft. Der mit großem Gamsbart und kleinem Hirn zwischen Kühen steht und schwachsinnige Laute von sich gibt. Auch der Münchner ist jodeltechnisch eher ein Fremdling. Der Lehrer Thomas Höhenleitner ist im Bayerischen Landesverein für Heimatpflege engagiert, er hat oft schon Jodelkurse gegeben – aber nie in München.
Mit Traudi Siferlinger, Jodlerin und BR-Moderatorin, versucht er es nun. Siferlinger singt vor: „Hoi Hoi Hoi hoi dra-i“ – zwischen dra und i geht’s rauf, auf dem iiii bleiben wir lange stehen. „Ho da rialei, duliö“, wieder runter. Noten gibt’s keine, das Ganze wird „oral tradiert“, wie der Fachmann sagt. Bald wird’s zweistimmig. „Jetzt kemmas aussi lassen“, sagt Siferlinger, wenn wir laut sein dürfen. Was wir üben, ist nicht das akrobatische Jodeln, sondern das freie traditionelle Jodeln. Es war einst Verständigung, zum Beispiel von Sennerin zu Sennerin. „Verständigung brauch ma heid nimmer, heid hamma a Handy“, erläutert Thomas Höhenleitner.
„Heid is Jodeln Begegnung.“ „Huif ma“, heißt die Aufforderung, dass der andere mitjodelt – zeitversetzt und mit zweiter Stimme. Das Spezielle ist der Jodelschlag, der Wechsel zwischen Brust- (unten) und Kopfstimme (oben). Wenn man es langsam macht, geht’s leicht – schneller wird es schwer. Rosa Huber kann ein Lied davon singen. Die alte Dame ist zwar heute hier, mit ihren Kolleginnen vom Allacher Singkreis. Eigentlich kann sie es aber schon. Als junges Mädchen hat sie’s gelernt. „Des war am Anfang so greislig, dass sie mich zum Üben in den Keller geschickt haben.“ Und, ja mei, die Texte: „Dje-die-huli-hola-dje-di-ri“, singen wir und: „Drei Ho-e über Djoim her“. Drei was?, fragt einer. „Ho-e“, präzisiert Siferlinger. „Was soi des sei?“, fragt’s wieder, doch das ist eben der falsche Ansatz. Eine Fantasiesprache ist es. Irgendwann ist einem der Text auch wurscht, weil es im ganzen Körper klingt, ungefähr so: „Drei Hoo-äää-üüüber Djoimmmm her“. Man merke, dass es nicht „D’oim“ heißt, sondern „Djoim“, das ist noch ein kleiner Schlenker mehr.
„Das reißt einen total mit“, sagt Sonja Oswald. Sie ist 23 und schwer begeistert von dem Kurs. Die Bayerische Philharmonie hat die hohen Decken extra mit Laken abgehängt – doch so beschränkt ist des Jodlers Welt nicht. Wir gehen ins Foyer und da „daschroamas“ richtig. Hochdeutsch hieße das, wir „erschreien“ es, aber das klingt zu unkontrolliert. Das Gemäuer wird stattdessen satt erfüllt von mehr als drei Hoo-äää, das Diriii-diriii der Männer klingt zu uns rüber und am Ende finden wir doch wieder zusammen. „Wooohl üüüber Djoimmmmm“. Als es aus ist, jodeln viele einfach weiter. Wir kriegen noch kleine Merkzettel, denn wir sollen künftig überall jodeln. Naja, man muss ja nicht übertreiben. Doch auf dem Heimweg, vor dem Pasinger Bahnhof, da bricht es dann doch raus: „Drei Ho-äääää-üüüüber D’Ääääässs-Bahn.“