Das Rauchverbot - eine Farce

MÜNCHEN - Bayern sollte das restriktivste Rauchverbot der Republik erhalten. Doch was davon übrig geblieben ist, erinnert eher an Anarchie. Überall sprießen neue Raucherclubs aus dem Boden.
Mindestens 300 davon gibt es nach Schätzung des Kreisverwaltungsreferats (KVR) bereits in München. „Mit zunehmender Tendenz“, sagt KVR-Chef Wilfried Blume-Beyerle. Dabei sind es längst nicht nur Kaschemmen und kleine Eckkneipen, die sich zur geschlossenen Gesellschaft deklarieren. Auch echte Kultkneipen, urige Wirtshäuser und sogar Restaurants machen mit.
Die Fraunhofer Schoppenstube? Raucherclub. Das Valentin Stüberl. Sowieso. Auch immer mehr Nichtraucher treten den Clubs bei. Und bezahlen sogar einen kleinen Eintritts-Obulus, um ihr Bier weiter im trauten Kreise trinken zu dürfen – trotz Zigarettendunst. „Meine Kinder verfügen alle über gleich mehrere Mitglieds-Ausweise“, sagt KVR-Chef Wilfried Blume-Beyerle.
100 Kontrolleure für 8000 Kneipen
1000 Kneipen hat seine Behörde in den vergangenen Monaten schon kontrolliert. Das Ergebnis: „Noch in keinem einzigen Fall gab es ein Bußgeldverfahren.“ An ein paar Wirte wurden zwar Anhörungsbögen verschickt. „Aber die Gäste persönlich sprechen wir natürlich nicht an!“ Gerade einmal 100 Kontrolleure sollen die insgesamt 8000 Kneipen in München durchstreifen – auch die Raucherclubs.
Doch wie kontrolliert man eine geschlossene Gesellschaft? „Wir sollen also fragen, ob es sich zum Beispiel um eine Familienfeier handelt – und wer alles dazu gehört.Wir drohen, uns lächerlich zu machen!“, ärgert sich Blume-Beyerle.
Seine Behörde erhält dutzende Briefe von Leuten, die sich darüber erbosen, dass überall weitergequalmt wird. „Wir geraten zunehmend unter Druck“, weiß der Chef. „,Vollzieht doch mal’ ist leicht gesagt und schwer getan!“ Das Ganze sei ein immenser bürokratischer Aufwand. Zur Verteidigung verweist Blume-Beyerle auch auf die amtliche Begründung des Nichtraucher- Schutz-Gesetzes: Dort stehe, dass eine flächendeckende Kontrolle gar nicht erwartet werde.
Nobel-Disko im Visier der Fahnder
Zwischenzeitlich geriet das P1 ins Visier der Fluppen- Fahnder. Aus der Nobel-Disko war berichtet worden, dass Gäste munter gequalmt hätten, ohne dass der Betreiber sich wenigstens um das Deckmäntelchen Raucherclub bemüht habe. „Der Wirt stellt das ganz anders dar“, hieß es dazu gestern aus dem KVR. „Und auch unseren Beobachtungen nach ist es nicht der Fall, dass dort permanent gequalmt wird.“
Permanent wird übrigens nicht einmal in den Raucherclubs geraucht. In vielen Gaststätten, wie etwa im Baader- Café oder im Alten Wirt in Krailling heißt es nur an einigen Tagen oder zu bestimmten Zeiten: „Feuer frei“. Andere Kneipen haben de facto Raucher-Nebenräume eingerichtet. „In Wirklichkeit entscheiden jetzt die Wirte“, weiß Blume-Beyerle.
Die FDP in Bayern forderte deswegen: „Ein neues Gesetz muss her!“ Neue Nahrung für den Dauer-Streit ums Rauchverbot lieferte auch eine bundesweite Umfrage von venyoo.de: 86 Prozent der Raucher lehnen das Verbot ab. Und zwei von drei Nichtrauchern gehen weiter in Kneipen, in denen gequalmt wird.
Julia Lenders