Das Ladensterben geht weiter: So verödet Münchens Innenstadt

Kleine Geschäfte in der Münchner Innenstadt schließen und werden von großen Filialen ersetzt. Experten und Händler appellieren an die Münchner.
Paul Nöllke |
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München - Nach 110 Jahren war Schluss. Albin Eiselt, der Jahrzehnte lang die Münchner in Pelze gekleidet und im hinteren Teil seines Ladens Mäntel genäht, gereinigt und repariert hatte, schloss sein Geschäft. Anstelle von Eiselt Pelze zog 2016 eine spanische Modekette in die Theatinerstraße 7.

Sendlinger Straße - 50 von 85 Läden gewechselt

So wie Eiselt ging es vielen kleinen Läden in der Münchner Innenstadt: Die Mieten wurden zu teuer. Es fehlte die nächste Generation, um das Geschäft zu übernehmen. Kunden kauften lieber im Internet. Statt der kleinen Läden zogen große, internationale Ketten ein. "Ob ich in Paris, London oder München durch die Einkaufsstraßen laufe: Oft finde ich die gleichen Läden, die gleichen Marken", sagt Stephan Kippes.

IVD stellt Studie zum Einzelhandel vor

Kippes, der Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts, hat am Dienstag eine Studie zum Einzelhandel vorgestellt. Darin zeigt sich: Weiterhin verdrängen Filialen kleine inhabergeführte Läden aus der Innenstadt. "Seit 2006 haben in der Sendlinger Straße 50 von 85 Läden gewechselt", sagt Kippes. "Heute sind 81 Prozent der Läden in der Sendlinger Straße Filialen, früher waren es 60 Prozent." Kippes erzählt, er habe zwar das Gefühl, dass Münchner wieder mehr in kleinen Läden kaufen: "In der Innenstadt zeigt sich das in den Zahlen aber nicht."

Wolfgang Fischer von der Vereinigung der Innenstadt-Händler City Partner kennt die Entwicklung: "Natürlich stimmt es, dass viele internationale Ketten, Filialen in der Innenstadt haben. Aber Filialist ist nicht Filialist. Man muss unterscheiden: Es gibt auch traditionelle Münchner Geschäfte, die mehrere Filialen haben."

Shopping in München: "Leute wollen ein Erlebnis"

Annette Roeckl betreibt so ein Münchner Traditionsgeschäft mit vier Filialen. Im Ruffinihaus am Rindermarkt, wo die Sendlinger Straße endet, hat sie gerade eine davon wiedereröffnet. Auch sie beobachtet, dass kleine Läden von internationalen Ketten verdrängt werden. "Das ist ein weltweiter Trend", erklärt Roeckl. "Die Sendlinger Straße war immer eine urmünchnerische Einkaufsstraße mit vielen kleinen Läden. Das ist heute nicht mehr ganz so."

Dennoch glaubt sie, dass auch kleine Läden in München eine Zukunft haben. "Leute wollen ein Erlebnis, wenn sie einkaufen", so Roeckl. "Das bekommt man, wenn man in die Innenstadt fährt und in kleinen Läden einkauft." Sie setze deswegen den Fokus auf Kundenberatung und eine angenehme Atmosphäre in den Läden.

Kippes stimmt ihr zu: Die Leute wollten ein Erlebnis, wenn sie einkaufen gehen. Kippes selbst flog kürzlich für so einen Einkauf nach Seattle. "Dort hat Amazon einen Laden aufgemacht", erzählt er. "Da legt man sein Handy am Eingang auf einen Sensor, nimmt sich die Produkte vom Regal und verlässt den Laden. Es gibt keine Kasse."

Viele Ketten in der Kaufingerstraße in München

Kameras im Laden registrieren, welche Waren mitgenommen werden, der Preis für den Einkauf wird direkt abgebucht. Ob auch München bald einen Amazon-Shop bekommt, weiß Kippes nicht. "Dennoch", sagt er, "auch in München eröffnen Internetfirmen wie Apple, MyMuesli oder Jochen Schweizer immer öfter eigene Läden."

Drängen also noch mehr große Ketten in die Innenstadt? In der Kaufingerstraße sind schon fast 97 Prozent der Läden Filialen, in der Maximilianstraße 91 Prozent. „Es sind schon unglaublich viele Läden filialisiert“, sagt Kippes. „Es ist aber natürlich trotzdem möglich, dass das in Teilen noch zunimmt.“

Citypartner: "Auch positive Entwicklungen in der Innenstadt"

Fischer von Citypartner sieht das anders: "Es gibt auch positive Entwicklungen in der Innenstadt." So müssten auch große Ketten inzwischen sparen. Stattdessen würde dann Gastronomie in die ehemaligen Läden einziehen. "Das ist ein ganz neuer Trend, der durchaus positiv sein kann", sagt Fischer.

In einem sind sich Fischer, Kippes und Roeckl einig. "Der beste Weg, kleine Geschäfte zu stärken, ist, in ihnen einzukaufen", sagt Kippes. "Am Ende entscheiden Konsumenten, welche Läden Gewinn machen und welche schließen müssen."

Lesen Sie hier den AZ-Kommentar zum Thema

Lesen Sie auch: Die Infos zu den Christkindlmärkten in München

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