Coronavirus in München: Die heruntergefahrene Stadt

Seit Mittwoch ist das öffentliche Leben in München verlangsamt. Geschäfte haben geschlossen, Cafés machen früher zu. Ein Streifzug durch eine Stadt, die fast überall immer leiser wird.
Nina Job |
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Die meisten Geschäfte in der Fußgängerzone haben seit Mittwoch geschlossen.
Rico Güttich 21 Die meisten Geschäfte in der Fußgängerzone haben seit Mittwoch geschlossen.
Niemand zu sehen: die Kaufingertor Passage.
Rico Güttich 21 Niemand zu sehen: die Kaufingertor Passage.
Ein beliebter Treffpunkt in München – am Mittwoch allerdings nicht: Der Fischbrunnen am Marienplatz.
Rico Güttich 21 Ein beliebter Treffpunkt in München – am Mittwoch allerdings nicht: Der Fischbrunnen am Marienplatz.
Der Viktualienmarkt: Wo sind wildes Gewimmel herrscht, ist nun gespenstischer Stillstand.
Rico Güttich 21 Der Viktualienmarkt: Wo sind wildes Gewimmel herrscht, ist nun gespenstischer Stillstand.
Nur noch wenige Menschen fahren derzeit mit den öffentlichen Verkehrsmitteln.
Rico Güttich 21 Nur noch wenige Menschen fahren derzeit mit den öffentlichen Verkehrsmitteln.
Gespenstisch leer: Der U-Bahnhof Marienplatz.
Rico Güttich 21 Gespenstisch leer: Der U-Bahnhof Marienplatz.
Auch auf den Rolltreppen ist niemand zu sehen.
Rico Güttich 21 Auch auf den Rolltreppen ist niemand zu sehen.
Auch in den Stachus Passagen mussten etliche Läden schließen.
Rico Güttich 21 Auch in den Stachus Passagen mussten etliche Läden schließen.
Auch in den Stachus Passagen mussten etliche Läden schließen.
Rico Güttich 21 Auch in den Stachus Passagen mussten etliche Läden schließen.
Der Max-Joseph-Platz mit der Bayerischen Staatsoper. Aufführungen wird es hier demnächst nicht mehr geben.
Rico Güttich 21 Der Max-Joseph-Platz mit der Bayerischen Staatsoper. Aufführungen wird es hier demnächst nicht mehr geben.
Leere Tische am Max-Joseph-Platz.
Rico Güttich 21 Leere Tische am Max-Joseph-Platz.
Das Nobel-Hotel "Bayerischer Hof" am Promenadeplatz.
Rico Güttich 21 Das Nobel-Hotel "Bayerischer Hof" am Promenadeplatz.
Die Fünf Höfe in der Innenstadt.
Rico Güttich 21 Die Fünf Höfe in der Innenstadt.
Die Perusastraße in der Altstadt: ebenfalls menschenleer.
Rico Güttich 21 Die Perusastraße in der Altstadt: ebenfalls menschenleer.
Schilder an einer H&M-Filiale weisen auf die Schließung hin.
Rico Güttich 21 Schilder an einer H&M-Filiale weisen auf die Schließung hin.
Ebenfalls geschlossen: Sport Münzinger im Neuen Rathaus.
Rico Güttich 21 Ebenfalls geschlossen: Sport Münzinger im Neuen Rathaus.
Auch die Saturn-Filialen sind dicht.
Rico Güttich 21 Auch die Saturn-Filialen sind dicht.
Nur wenig Platz für Sonnenhungrige: Wörner's am Marienplatz hat noch geöffnet, die Tische stehen weit auseinander.
Daniel von Loeper 21 Nur wenig Platz für Sonnenhungrige: Wörner's am Marienplatz hat noch geöffnet, die Tische stehen weit auseinander.
Taxifahrer Vucenovic Vid (78) wartet seit Stunden auf Kunden.
Nina Job 21 Taxifahrer Vucenovic Vid (78) wartet seit Stunden auf Kunden.
Der Biergarten am Chinesischen Turm ist vorerst geschlossen. Ein Arbeiter macht sich schon einmal an den grünen Bierbänken zu schaffen, die braucht es jetzt ja nicht mehr.
Nina Job 21 Der Biergarten am Chinesischen Turm ist vorerst geschlossen. Ein Arbeiter macht sich schon einmal an den grünen Bierbänken zu schaffen, die braucht es jetzt ja nicht mehr.
"Wir müssen jetzt vernünftig sein", sagt der Rentner Karl Panzer (69).
Nina Job 21 "Wir müssen jetzt vernünftig sein", sagt der Rentner Karl Panzer (69).

München - "Was wollen Sie mit dem Geld, wenn die Welt untergeht?", fragt die Verkäuferin im Lotto-Toto-Geschäft im Marienplatz-Zwischengeschoss. Sie lächelt den Mann an, er lächelt ohne zu antworten zurück. Er ist einer von ganz wenigen Kunden, die am Mittwoch vorbeikommen. "Man muss sich ja seinen Humor bewahren, auch wenn es Galgenhumor ist", sagt die Verkäuferin. "Seit heute kommen nur noch die, die arbeiten."

Es ist Tag eins der einschneidenden Maßnahmen. Seit Mittwoch gilt für ganz Bayern der Katastrophenfall. Nur noch Lebensmittelgeschäfte, Drogerien, Apotheken, Arztpraxen und andere Geschäfte, die der Versorgung der Bevölkerung dienen, dürfen geöffnet bleiben.

In den Vormittagsstunden wirkt der Tag wie ein Sonntag. Die Fußgängerzone ist leer. Die großen Kaufhäuser und Bekleidungsgeschäfte sind geschlossen. Nur wenige Menschen sind unterwegs. Am Abgang zur U-Bahn steht ein älterer Mann im Lodenmantel. Er wirkt verloren. "Ich habe so Rückenschmerzen. Ich war beim Arzt. Ich bin froh, wenn ich wieder zuhause bin. Es ist gespenstisch", sagt er.

Nur wenig Platz für Sonnenhungrige: Wörner's am Marienplatz hat noch geöffnet, die Tische stehen weit auseinander.
Nur wenig Platz für Sonnenhungrige: Wörner's am Marienplatz hat noch geöffnet, die Tische stehen weit auseinander. © Daniel von Loeper

Nur wenige Schritte weiter stehen Security-Männer am Eingang zu Galeria Kaufhof. Wie durch eine Schleuse führt der Weg in die Lebensmittelabteilung. Die Abteilungen mit den Handtaschen und Strümpfen, durch die man normalerweise kommt, sind mit rotweißen Flatterbändern und Stellwänden abgesperrt. Oster-Schoko-Hasen und -eier und alles aus dem Süßwarensortiment gibt es heute 50 Prozent billiger, steht auf Werbetafeln. Es kommt bloß kaum jemand.

Vor ein paar Restaurants in der Fußgängerzone stehen Tische im Freien – weit auseinander. Andere Wirtschaften haben gar nicht erst geöffnet, weil die Gäste schon in den vergangenen Tagen und Wochen weggeblieben sind. Ein Blumenhändler bietet seine Ware 60 Prozent billiger an. Stehen bleibt niemand. "Ich war selbst überrascht, dass ich öffnen darf", berichtet der Standlbesitzer. "Aber morgen bin ich weg, das bringt es nicht."

Taxler warten stundenlang auf Kundschaft

Am Stachus steht eine lange Taxi-Schlange. Nichts rührt sich. Vucenovic Vid (78) wartet schon seit zwei Stunden auf Kundschaft. "Gestern habe ich nur 40 Euro Umsatz gemacht. Das sind zehn Euro netto für mich." Der Rentner will trotzdem nicht aufhören mit seinem Nebenjob. "Besser zehn Euro als gar nichts." Sein Kollege, der erste in der langen Reihe, steht schon seit zweieinhalb Stunden.

Taxifahrer Vucenovic Vid (78) wartet seit Stunden auf Kunden.
Taxifahrer Vucenovic Vid (78) wartet seit Stunden auf Kunden. © Nina Job

Als wäre es ein ganz normaler Tag wie jeder andere, geht es währenddessen auf den Baustellen zu. Am Marienhof dröhnen die Maschinen, schwere Lastwagen rollen an. In der Fußgängerzone verlegen Arbeiter im Auftrag der Stadt neue Granitplatten, auch auf der Hotelbaustelle am Stachus wird fleißig gewerkelt. Direkt daneben, im Landgericht München I in der Prielmayerstraße, ist dagegen Ausnahmezustand. Rechtsanwalt Johannes Buchberger (43) hat gerade Gerichtspost abgeholt. "An der Pforte müssen alle ein Formular ausfüllen und bestätigen, dass sie in den vergangenen zwei Wochen keine Atemwegserkrankungen hatten. Bei mir sind sieben von acht Prozessen ausgefallen. Nur die Haftsachen nicht. Es ist eine seltsame Stimmung in der Stadt."

Studenten wollen Urlaub machen: "Wir haben nichts zu tun"

Am Hauptbahnhof geht es ebenfalls deutlich ruhiger zu. "Nix los", sagt ein Imbissverkäufer. In der Halle stehen drei Studenten und essen Leberkassemmeln. Sie sind gerade aus Mannheim angereist, wollen nach Reit im Winkel, Ferien machen. Sie machen genau das, wovon die Behörden jetzt dringend abraten. Von Urlaubsreisen, auch im Inland, soll jetzt abgesehen werden. Warum machen sie's trotzdem? "Wir haben nichts zu tun", sagt einer. Fotografieren lassen wollen sie sich nicht.

Die Sonne kommt raus, die Temperaturen steigen. Je älter der Tag, umso mehr zieht es die Münchner an diesem seltsamen Mittwoch nach draußen. Die Sonnenplätze im Freien vor den noch geöffneten Wirtschaften füllen sich. Am Chinesischen Turm setzen sich Spaziergänger in den Biergarten, obwohl er für zwei Wochen geschlossen ist. Am Vormittag haben Angestellte sämtliche Bänke zusammengeklappt und auf die Tische gelegt. Sonnenhungrige Münchner nehmen sie wieder runter.

Der Biergarten am Chinesischen Turm ist vorerst geschlossen. Ein Arbeiter macht sich schon einmal an den grünen Bierbänken zu schaffen, die braucht es jetzt ja nicht mehr.
Der Biergarten am Chinesischen Turm ist vorerst geschlossen. Ein Arbeiter macht sich schon einmal an den grünen Bierbänken zu schaffen, die braucht es jetzt ja nicht mehr. © Nina Job

Schon seit dem frühen Morgen fährt die Polizei verstärkt Streife im Englischen Garten. "Wir wollen der Bevölkerung Sicherheit vermitteln", sagt ein Polizist. Die Beamten haben aber auch den Auftrag, größere Menschenansammlungen aufzulösen und zu überwachen, dass die Spielplätze nicht benutzt werden – sie sind geschlossen oder mit Absperrband abgeriegelt.

Auf den Spielplatz gehen würde Karl Panzer (69) aus Berg am Laim gern. Er hat sechs Enkel, die er aber seit fast zwei Wochen nicht gesehen hat – wegen Corona. Seine Frau spricht über den Gartenzaun mit den Kindern. "Sie ist sehr traurig", sagt er. Eigentlich wäre der Rentner heute gar nicht vor die Tür gegangen. Doch er hatte einen Termin beim Optiker wegen seiner neuen Brille. "Ich hoffe sehr, dass die Maßnahmen greifen. Wir müssen jetzt alles vernünftig sein", sagt der Rentner. "Damit es nicht wie in Italien wird und doch noch eine Ausgangssperre kommt."

"Wir müssen jetzt vernünftig sein", sagt der Rentner Karl Panzer (69).
"Wir müssen jetzt vernünftig sein", sagt der Rentner Karl Panzer (69). © Nina Job

Klicken Sie sich in der Bilderstrecke durch beeindruckende Impressionen der heruntergefahrenen Stadt.

Lesen Sie auch: Münchner Geschäftsleute in Angst - "Es geht um unserer Existenz"

Lesen Sie hier: Corona-Panik sorgt in Supermärkten für absurde Szenen

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