Charlotte Knobloch: "Rechtsextremen Aufmarsch am Hauptbahnhof stoppen!"

Am 19. September will die rechtsextreme Partei "Die Rechte" am Münchner Hauptbahnhof aufmarschieren. Charlotte Knobloch fordert den Oberbürgermeister in einem offenen Brief auf, die Demo zu verhindern.
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Den Neonazi-Aufmarsch am Hauptbahnhof verhindern: Charlotte Knobloch appelliert an Dieter Reiter.
dpa Den Neonazi-Aufmarsch am Hauptbahnhof verhindern: Charlotte Knobloch appelliert an Dieter Reiter.

Am 19. September will die rechtsextreme Partei "Die Rechte" am Münchner Hauptbahnhof aufmarschieren. Charlotte Knobloch fordert den Oberbürgermeister in einem offenen Brief auf, die Demo zu verhindern.

München – Es sind die üblichen menschenfeindlichen, rassistischen Parolen, mit denen der Kreisverband von der rechtsextremen Partei "Die Rechte" ihre Demonstration am 19.9. am Hauptbahnhof auf Facebook ankündigt. Wie schon bei der Tour am 5. September (als Neonazi Philipp Hasselbach peinlicherweise vom Wind das Minuskript aus den Händen geweht wurde),  will man unter dem Motto "Schluß mit dem Asylwahnsinn! Wir sind das Volk!" eine Kundgebung abhalten.

Lesen Sie hier: Charlotte Knobloch: "Stolz, Münchnerin zu sein!"

Für die Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde München, Charlotte Knobloch, hat diese Flüchtlingshetze nichts mehr mit Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu tun und fordert Oberbürgermeister Dieter Reiter in einem offenen Brief dazu auf, die Kundgebung zu unterbinden.

Der Brief im Wortlaut

 

Sehr verehrter Herr Oberbürgermeister, hoch geschätzter Herr Reiter,

in den letzten Tagen hat die Stadt München der Welt ihr Herz gezeigt. Bilder, die mit Dankbarkeit und Stolz erfüllen, gingen um den Globus – Bilder von Menschen, die für Menschen da waren und sind!

Am 19. September will der Münchner Kreisverband der neonazistischen Partei „Die Rechte“ nun ganz andere Signale aus München in die Welt senden. Erneut will er – wie bei seiner Tour am 5.9.2015 – am Münchner Hauptbahnhof eine „Anti-Asyl-Kundgebung“ durchführen und unter dem Slogan „Refugees not Welcome“ und dem Motto: „Schluß mit dem Asylwahnsinn! Wir sind das Volk!“ seine widerlichen Hetzparolen ablassen.

Lieber Herr Oberbürgermeister, lassen Sie nicht zu, dass dieser neonazistische Mob am Hauptbahnhof oder andernorts in München aufmarschiert! Neonazis wie Philipp Hasselbach und seine Anhänger sind nicht das Volk, sie sind das Pack – sie müssen auch als solches benannt und geächtet werden und endlich von der Bildfläche verschwinden!

Wie die NPD wurzeln auch „Die Rechte“ und andere rechtsextreme Parteien und Kameradschaften unmittelbar auf der nationalsozialistischen Ideologie. Diese hat in unserer freiheitlich-demokratischen politischen Kultur keinen Platz und darf keinen Spielraum haben. Schon bei der Einweihung des NS-Dokumentationszentrums war es unerträglich, das Gehetze und Grölen der ersten Strophe des Deutschlandliedes in der Nebenstraße zu hören. Ich bin nicht mehr bereit hinzunehmen, dass dieser völkische, ultra-nationalistische Schwachsinn weiterhin unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit in die Welt getragen wird.

Die Hetzreden von Hasselbach und Co. sind eine hohle Aneinanderreihung von Rassismus, Antisemitismus – Menschenverachtung aller Art. Dasselbe gilt für die einschlägigen Internetauftritte. Das Facebookprofil von „Die Rechte – Kreisverband München“ spiegelt ein asoziales Netzwerk voller Hass und Häme. Offen und unmissverständlich werden dort fremdenfeindliche und antisemitische Einstellungen geschürt, der Nationalsozialismus verherrlicht und zu Gewalt gegen Flüchtlinge aufgerufen.

Sowohl für das Geplärre auf der Straße als auch für die digitale Hatz gilt: Das ist Volksverhetzung und muss endlich auch als solche gekennzeichnet und unterbunden werden.

Es ist mit unserer historisch bedingen Staatsräson nicht vereinbar, dass derartige Menschenverachtung von Meinungs- und Versammlungsfreiheit gedeckt wird. Entsprechend heißt es in Artikel 18 Grundgesetz: „Wer die Freiheit der Meinungsäußerung, … die Versammlungsfreiheit, … zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht, verwirkt diese Grundrechte.“ Dieser Grundgedanke muss endlich politisch, verwaltungstechnisch und verfassungsrechtlich durchgesetzt und in praktische Politik und Rechtsprechung umgewandelt werden. Ansonsten kann nicht länger von einer wehrhaften Demokratie die Rede sein.

Tragisch genug, dass ein strammer Neonazi im Stadtrat sitzt und kaum gehindert seine perfide Politik als geistiger Erbe der Nationalsozialisten in die Gegenwart zu transportieren versucht. Es wäre verheerend, wenn dazu nun weitere rechtsextreme Gruppierungen in der Region München erstarken. Genau das versuchen „Die Rechte“ und „Der dritte Weg“ – und dieser Versuch muss im Keim erstickt werden.

Die Formel „Nie wieder!“ muss an diesen Anfängen – sofern man noch von „Anfängen“ sprechen kann – ansetzen, denen man in Sonntagsreden zu wehren verspricht. Diesen hehren Worten müssen endlich Taten folgen. Denn Experten betonen den eindeutigen Zusammenhang zwischen der Stärke von neonazistischen Parteien wie „Die Rechte“ oder der NPD (deren Verbot überfällig ist) und der Mobilisierung des Mobs und der rechtsextremen Gewalt etwa gegen Flüchtlinge oder deren Einrichtungen.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, der bemerkenswerte Einsatz für Flüchtlinge, die eindeutige Positionierung gegen die Ableger von Pegida in München, das unermüdliche Engagement gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus sind unverrückbare Konstanten Ihrer Amtsführung. Ich bitte Sie, setzen Sie im Kampf gegen Rechtsextremismus neue Akzente mit bundesweiter Strahlkraft und lassen Sie München Vorreiter sein – die Stadt, die als erste nachhaltig verhindert, dass Meinungs- und Versammlungsfreiheit für Menschenhass und Volksverblendung missbraucht werden. Dafür braucht es eine mutige Verwaltung, die notfalls bis vor das Bundesverfassungs-gericht zieht. Geben Sie den Hass-Schürern keine Chance! Seien wir die Weltstadt mit Herz und Verstand! Die Welt schaut auf uns – gerade jetzt!

Vielen Dank und herzlichen Gruß Charlotte Knobloch

 

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