Bundesliga-Start: Wo Münchner den Fußball feiern, die keine Fans des FC Bayern oder TSV 1860 sind
München - Fußball schauen macht in der Gemeinschaft einfach viel mehr Spaß. Aus diesem Grund haben sich auch in der Heimat des FC Bayern und der Löwen Fanclubs anderer Vereine gegründet, um gemeinsam in einer Kneipe die Spiele ihrer Clubs zu verfolgen.
Die AZ stellt fünf Fanclubs vor, darunter die Fans von vier Bundesligisten (VfB Stuttgart, VfL Bochum, Borussia Mönchengladbach, Borussia Dortmund) sowie die Fans des Zweitligisten Schalke 04.
Fußball-Fanclubs in München: Stadion- und Wiesn-Besuch sind Pflichtprogramm
Dabei kam heraus, dass Fernsehschauen beileibe nicht die einzige Aktivität der Fan-Clubs ist. Ausflüge, Feiern, Wiesn und natürlich Stadion-Besuche von Spielen der eigenen Mannschaft gehören zum Repertoire.
Die kleine Zusammenstellung soll außerdem die Frage beantworten, ob man als Fan eines auswärtigen Clubs ohne Probleme im Fan-Outfit durch München flanieren kann. Und natürlich wollen wir wissen, was sich die Fans in der neuen Saison von ihrem Verein erwarten.
Bavaria Bochum: Gegründet an der Frauenkirche
Sie sind einer der jüngeren Bundesliga-Fanclubs, die sich an der Isar gegründet haben. 2021 war das, berichtet der Vorsitzende von Bavaria Bochum, Alexander Lüdiger (36). Ort der Gründung: das Kilians Irish Pub an der Frauenkirche. Am 14. Oktober 2021.
1848, das Jahr, als die Regentschaft von König Ludwig I. endete, ist das offizielle Gründungsjahr des VfL Bochum. "Gegründet haben wir mit vier Mitgliedern, die auch alle an dem besagten Abend im Pub dabei waren." Christian Struckmann (32), genannt Strucki, und Sebastian Türk (41) waren neben Lüdiger bei der Gründung im Pub dabei.

Beim Treff mit der AZ im Café Sax fehlt also nur Gründungsmitglied Lucas Konstanty. "Christian und ich kennen uns seit etwa 2015. Eigentlich wollten wir seitdem schon relativ früh einen Fanclub gründen, haben uns aber schwergetan, weitere Bochumer in Bayern zu finden", erinnert sich Lüdiger. Die Jungs holten sich darum Hilfe beim Fanbeauftragten des VfL. Der vermittelte weitere Kontakte zu VfL-Fans in München. Der Weg zum Fan-Club war frei.
Mitglied werden? Ganz einfach, allerdings müssen zwei Kriterien erfüllt sein: Der Kandidat ist Bochum-Fan und lebt in Bayern. Bei Bavaria Bochum geht es aber nicht nur um Fußball. "Es war auch von Anfang an unser Ziel, für Bochumer, die neu nach München oder Bayern ziehen, eine Anlaufstelle zu sein und denen den Start in München etwas zu erleichtern." Zum Beispiel die Antwort auf die wichtige Frage nach einer guten Currywurst in München. "In München eigentlich nur im Bergwolf im Glockenbach an der Fraunhoferstraße und im Stadion an der Schleißheimerstraße, weil beide Läden die legendäre Currywurst der Bochumer Metzgerei Dönnighaus verkaufen."
"Zu 95 Prozent besteht unser Fanclub tatsächlich aus Ruhrgebietlern (nicht nur Bochumer), die irgendwann mal, meistens aus beruflichen Gründen, nach München oder Bayern gezogen sind. Einer unserer Gründer, Strucki, ist aber zum Beispiel gebürtiger Bayer, nämlich aus Bad Tölz." 26 Mitglieder hat der Fanclub heute, keine schlechte Bilanz nach knapp zwei Jahren. Wer mit den Bochumern VfL-Spiele schauen will, muss ins Glockenbachviertel.
Für Bochum-Fans ist Giesing "mitunter keine sichere Gegend"
"Wir sehen die Spiele immer im Café Sax", erklärt Lüdiger. Eigentlich eine VfB-Stuttgart- Kneipe, aber ein Bochumer kennt Friedl, den Wirt. Die Bavaria-Bochum-Mitglieder sind befreundet und "machen das, was andere Kumpels auch zusammen machen: Geburtstag feiern, Ausflüge machen, zum Beispiel zur Bochumer Hütte in Kitzbühel. Also nicht nur Fußball schauen."
Können sie mit ihrem Fanschal unbehelligt durch München laufen? Giesing sei mitunter keine sichere Gegend, sagen die Bochumer Fans. "Einzelne Mitglieder haben in normaler VfL-Bochum-Fankleidung tatsächlich schon mal Probleme gehabt." Im Großen und Ganzen "wird uns in München eigentlich weit überwiegend freundlich begegnet". Trotz der Fan-Freundschaft mit dem FC Bayern gilt: "Wir legen aber Wert darauf, dass wir kein Bochum-Bayern-Freundschafts-Fanclub sind. Bayernfans nehmen wir nicht auf. Wenn Bochum gegen Bayern spielt, dann muss klar sein, wen man anfeuert." So war das 4:2 in der Saison 2021/22 gegen den FC Bayern in Bochum ein "unvergessenes Erlebnis".
Wie schneidet der VfL in der neuen Saison ab? Die drei Fans sind sich einig: "Der Klassenerhalt in der Saison 22/23 war für den Verein wirtschaftlich extrem wichtig und aufgrund des geringen Etats ein noch größeres Wunder als der zuvor erwähnte 4:2-Sieg gegen Bayern. Unser Ziel ist weiterhin nur der Klassenerhalt! Vielleicht schaffen wir es diesmal aber hoffentlich wieder vor dem letzten Spieltag, damit wir nicht wieder zittern müssen."
Isar-Schalker: Königsblaue in München
Königsblau in München, geht das überhaupt? Und ob – und das schon seit 1997. Mit dem Uefa-Cup-Sieg im Rücken gründeten sich damals die Isar-Schalker. Gründungsmitglieder waren Zufallsbekanntschaften, die sich durch Hörensagen fanden und sich zuerst gemeinsam in einem Münchner Wohnzimmer trafen, um Schalke-Spiele anzuschauen. Bei einem "durch und durch königsblauen Schalker, um unsere Jungs anzufeuern", verrät Martina Beierle (61) vom Vorstand der Isar-Schalker. Nachdem es immer mehr Schalker gab, wurde die Idee des Fanclubs geboren. "Einer der ersten Fanclub-Gründer ist immer noch Isar-Schalker und mittlerweile Ehrenmitglied bei uns."
125 Mitglieder sind es inzwischen geworden. Alles Schalker im Exil? Mitnichten! Martina Beierle: "Die Mitglieder kommen aus ganz München und Umland. Es sind nicht alles Zugereiste. Auch gebürtige Münchnerinnen und Münchner sind Schalker und Mitglieder bei uns. Aber auch aus dem gesamten Bundesgebiet haben wir Mitglieder in unserem Fanclub." Ihr Fazit: "Schalker gibt's halt überall."

Eine Baustelle hat der Fanclub. Es gibt derzeit keine eigene Fankneipe. "Da wir zur Zeit keine Fankneipe haben, treffen wir uns im Stadion an der Schleißheimer Straße, um dort unsere Schalker anzufeuern." Das AZ-Gespräch mit den Isar-Schalkern findet ebenfalls quasi auswärts im Biergarten des Hofbräukellers statt. Mit von der Partie: Guido Ungruhe, Markus Müller und Martina Beierles Ehemann Jürgen. Der trägt ein T-Shirt mit der rätselhaften Buchstaben-Reihe SidgCdW. Aufklärung später.
Isar-Schalker zu sein, bedeutet aber nicht nur mit den Kumpels Fußball schauen, sondern immer wieder übers Jahr verteilt Treffen in unterschiedlichen Lokalitäten. Es wird an der Isar gegrillt, auch Wiesn, Weihnachtsfeier und Neujahrsempfang gehören zu den jährlichen Ritualen. "Und einmal jährlich organisieren wir unsere Saisonfahrt in unser Wohnzimmer Arena Auf Schalke. Es gibt dann immer ein Rahmenprogramm, das zum Ruhrpott passt, und das Highlight ist natürlich das Heimspiel. Auch zu den umliegenden Auswärtsspielen organisieren wir immer wieder gemeinsame Fahrten."
"Egal wo sie spielen: Einmal Schalker, immer Schalker"
Ganz wichtig: "Natürlich unsere bekannte Heimspiel-Fete, die sich mittlerweile zu einer der größten und bekanntesten Fan-Partys entwickelt hat. Diese organisieren wir seit vielen Jahren hier in München als sogenanntes Warm-up vor dem Spiel gegen den FC Bayern."
1500 Schalke-Fans treffen sich in München, um sich gemeinsam auf das anstehende Spiel einzustimmen. "München wird dann Königsblau." Das fällt diese Saison bekanntlich aus. Schalke spielt zweite Liga und die Auswärtsfahrten gehen diesmal nach Fürth und zum – in Fanfreundschaft verbundenen – Club aus Nürnberg statt nach Augsburg und Stuttgart.
Und die Sonntagsfrage zum Schluss: Wie schneidet euer Club in der neuen Saison ab? "Mal schauen. Wir hoffen natürlich wieder auf einen direkten Aufstieg. Denn der FC Schalke 04 gehört in die 1. Bundesliga. Aber egal wo sie spielen: Einmal Schalker, immer Schalker." Das gilt auch für Martina Beierle, die zwar in Dortmund geboren wurde, aber lieber königsblau als gelbschwarz trägt.
Apropos Königsblau: Könnt Ihr mit eurem Fanschal unbehelligt durch München laufen? Die Antwort kommt mit einem Lächeln daher: "Besser als in Dortmund." Und nach ein bisschen Nachdenken fällt dem AZ-Reporter endlich ein, was SidgCdW bedeutet: Schalke ist der geilste Club der Welt. Quasi das Mia san mia des Ruhrpotts.
Dramatik gewöhnt: Die Münchner Borussen
Das dramatische Ende der vergangenen Saison mit dem (mal wieder) besseren Ende für den FC Bayern ist auch bei den Fans von Borussia Dortmund inzwischen verarbeitet worden. "Das haben wir relativ schnell abgehakt", sagt Monika Hundehege. Die 54-Jährige ist im Vorstand des Fanclubs Münchner Borussen. Gegründet wurde der Fanclub in den goldenen Klopp-Jahren. Genauer gesagt am 7. Oktober 2010. "Von ein paar Leuten, die gern zusammen BVB schauen wollten", sagt Monika Hundehege.
Gefunden hatten sich die Gründungsmitglieder auf der Zugfahrt nach einem Pokalspiel in Burghausen. Sie stellten fest, dass viele gar nicht zurück in den Pott mussten, sondern nach München fuhren. Die Idee des Fanclubs nahm Gestalt an. Aus der Hand voll Dortmund-Fans sind 103 Mitglieder geworden. Alles Exil-Dortmunder? "Nein, das ist bunt gemischt. Viele kommen natürlich aus NRW, meist Ruhrgebiet/Westfalen, aber auch Ostdeutschland ist bei uns stark vertreten und wir haben sogar ein paar wenige Mitglieder aus Bayern."

Dass sich da eine breite Mischung zusammen gefunden hat, zeigt auch die Runde beim AZ-Gespräch. Hundehege selbst stammt aus dem Münsterland, ihre Begleiter sind die Mitglieder Markus Beierle (Sauerland), Thomas Griepentrog (Dresden) und Christian Oettl (Berchtesgaden). Seit 2018 kommen die BVB-Fans zum Spiele schauen ins Wirtshaus zum Lustigen Bauern in der Kantstraße. Der Wirt ist zwar FC-Bayern-Fan, aber offenbar sehr tolerant.
Mit dem BVB-Trikot durch München? Außer ein "paar dummen Sprüchen" passiert da nichts
Die, die Spiele live sehen wollen, fahren nach Westfalen. Der große Rest schaut beim "Lustigen Bauern" vorbei. "Die TV-Gruppe ist natürlich in der Regel deutlich größer, weil Dortmund von München recht weit weg ist und der Besuch des Westfalenstadions entsprechend zeitlich und kostenmäßig sehr aufwendig ist." Mit dem Dortmund-Trikot durch München laufen? Das gehe schon, außer ein "paar dummen Sprüchen" passiert da nichts, sagen die Borussia-Fans.
Die Aktivitäten der Münchner Borussen beschränken sich nicht auf Fernsehschauen. "Wir haben zum Beispiel unser 13-jähriges Jubiläum (das krumme Datum ist der Corona-Pause geschuldet) diesen Juni gefeiert mit einem Spiel der BVB-Traditionsmannschaft und einem großen Fest beim TSV Heimstetten. Außerdem haben wir im letzten Winter unter der Überschrift ,Boycott Qatar' an den spielfreien Samstagen im Dezember einen Glühweinverkauf für den guten Zweck veranstaltet und etwa 2500 Euro für das Münchner Kinderhospiz zusammenbekommen."
Bleibt die Frage, wie Dortmund in der neuen Saison abschneidet. "Meister!" kommt prompt die Antwort. Aber das eine oder andere Fragezeichen ist doch in den Gesichtern abzulesen, ob es tatsächlich gelingt, die zwölfte aufeinanderfolgende Meisterschaft des FC Bayern zu verhindern. Zeit wär's, finden die Münchner Borussen.
VfB Freunde: Schuld ist Felix Magath
Als Felix Magath vom VfB Stuttgart zum FC Bayern wechselte, taten sich 15 Schwaben zusammen und gründeten in München fern der alten Heimat einen Fanclub im Exil, erinnert sich Gründungsmitglied Klaus Weber (62). Das war 2004. Das erste Treffen fand im Augustinerkeller statt. Im November folgte dann die Gründung des offiziellen Fanclubs.
Eigentlicher Grund war damals aber einfach, dass man nicht mehr allein die Spiele des VfB besuchen wollte. Und wenn es nicht ins Stadion geht, dann schauen die Zurückgebliebenen halt im Café Sax. Bietet sich auch an, denn der Wirt Josef Fridolin "Friedl" Bulach (59) ist selber VfB-Fan. "Früher ist halt jeder für sich gefahren und so wurde es zu einem Gemeinschaftserlebnis", erklärt Michael Hertkorn (59).

Im offiziellen VfB-Treff Café Sax ist richtig was los, wenn der VfB spielt. 150 bis 200 Fans schauen dann gemeinsam, sagt Friedl Bulach. Und ergänzt: "Wenn der VfB spielt, dann spielt nur der VfB." Das heißt, dass keine Bundesliga-Konferenz läuft und der Ton aufgedreht wird.
Nicht nur VfB schauen: Einmal im Monat ist Stammtisch
Aber zusammen VfB schauen ist beileibe nicht die einzige Aktivität der VfB-Freunde. Es gibt einen Stammtisch am ersten Montag im Monat. Einmal im Jahr wird gegrillt und auch ansonsten trifft man sich, um bei Straßenfesten mitzufeiern.
Unter den derzeit 75 Mitgliedern sind einige Nicht-Schwaben, aber überwiegend sind es halt doch Exilschwaben, die hier "ein Stück Heimat" finden. In voller VfB-Montur mit Trikot und Schal durch München laufen? Kein Problem, sagen die VfB-Freunde. Zum Schluss die alles entscheidende Frage: Wie schneidet der VfB in der neuen Saison ab? Gesichertes Mittelfeld ist der Wunsch, sagt Hertkorn. Ein gesicherter 14. Platz tut es aber auch, findet ein anderer VfB-Freund. Die Runde nickt einträchtig.
Isarfohlen: Der Club, der zum wandern geht
Borussia Mönchengladbach feierte im Mai 2001 die Rückkehr in die Bundesliga. Im fernen München nahm man das zum Anlass, mit Hilfe des damaligen Webmasters des Gladbacher Fanprojekts einen Fanclub zu gründen. Sieben Gleichgesinnte fanden sich damals in einer Kneipe am Viktualienmarkt zusammen: Die Isarfohlen waren geboren.
Klar, dass hier viele Gladbacher im Exil ihren Platz gefunden haben. Aber auch sehr viele Gladbach-Fans aus ganz Deutschland, die zum großen Teil beruflich nach München gezogen sind. Die gebürtigen Bayern sind unter den 150 Mitgliedern in der Minderheit. Das Alter variiert von sechs bis 80 Jahre. Seit der letzten Saison schauen die Isarfohlen im Da Raffaella in der Hohenschwangaustraße die Spiele ihrer Mannschaft. Dort treffen wir auch den Vorsitzenden Joachim Bielasik (50) und seine Mitstreiter Marko Mittasch (60) und Claudia Louis (52).

Mittasch ist Sachse und kam in den 80er Jahren zum ersten Mal mit Gladbach in Berührung. Die Fohlen spielten damals im Uefa-Cup in Magdeburg. Magdeburg schlug die Fohlen mit 3:1, erinnert sich der 60-Jährige. "Aber im Rückspiel gewann Gladbach 2:0." Und kam wegen der Auswärtstor-Regel in die nächste Runde. Außer Fernsehschauen bieten die Isarfohlen regelmäßig Wanderungen in den Bergen an, es gibt eine Skatgruppe und eine Groundhopper Gruppe, die gelegentlich gemeinsam andere Spiele und Grounds besucht.
Eine Sommerpause gibt es nicht. "Auch in der fußballfreien Zeit trifft man sich im Biergarten", sagt Bielasik. Oder am Tegernsee, wo die Profis im Sommer ihr Trainingslager aufschlagen. Bei dem Bootsausflug sind dann auch viele Münchner Fans dabei. Mit dem Fan-Schal über den Marienplatz laufen, geht das? "Mit den hiesigen Fans haben wir keine Probleme, mir ist kein Fall bekannt, bei dem es Ärger mit Münchner Fans gab. Ganz im Gegenteil, wir haben auch ein paar Mitglieder, die seit langem Sechzger sind und über die wir ein sehr gutes Verhältnis zu den Löwen haben", sagt Bielasik.
Die Aussichten für die neue Saison? "Ich bin grenzenloser Optimist und hoffe auf einen internationalen Platz. Ich fürchte nur, die Antwort ist nicht repräsentativ." Stimmt, Mittasch und Louis hoffen auf einen Platz im gesicherten Mittelfeld. Platz neun wäre schön, finden die beiden.