"Bits & Pretzels"-Geschäftsführer: "Nicht dem amerikanischen Vorbild hinterherlaufen"
München - Moderator Jan Böhmermann, Schauspielerin Jessica Alba, Milliardär Sir Richard Branson und der ehemalige US-Präsident Barack Obama: Was vor ein paar Jahren als kleines Weißwurst-Frühstück von jungen Unternehmensgründern in München begann, ist heute eine der wichtigsten Start-up-Messen der Welt.
Nach zwei Jahren Pause soll es wieder losgehen
Jedes Jahr strömten mehr Besucher, wichtigere Redner und Start-ups zu "Bits & Pretzels". Doch dann kam Corona - und es wurde ruhig um den Kongress. Dieses Jahr soll es wieder losgehen. Im AZ-Interview erklärt Geschäftsführer Christian Lohmeier zum ersten Mal von den Plänen für 2022.

AZ: Dieses Jahr hat Bits & Pretzels zum ersten Mal ein Partnerland: Frankreich. Was bedeutet das?
CHRISTIAN LOHMEIER: Wir werden einen französischen Pavillon mit einer Fläche von 600 Quadratmetern haben, in dem sich französische Start-ups genauso wie große französische Unternehmen und wichtige Investoren präsentieren können. Außerdem gibt es eine eigene Bühne, die Themen rund um die deutsch-französische, aber auch die europäische Kooperation in der Start-up-Welt behandeln wird.
"US-Amerikaner können sich einfach super verkaufen"
Vor ein paar Jahren war der ehemalige US-Präsident Barack Obama zu Gast. Kommt dann dieses Jahr Emmanuel Macron nach München?
Nach den französischen Wahlen im April werden wir uns natürlich auch darum bemühen, hochrangige Vertreter der französischen Politik nach Deutschland zu holen. Wir wollen schließlich immer die charismatischsten Redner auf dem Event haben.
Nun wird die Start-up-Kultur ja oft als sehr US-amerikanisch wahrgenommen. Wären die USA als Partnerland nicht viel nahe liegender?
Es stimmt natürlich, dass als unternehmerische Vorbilder oft US-amerikanische Gründer genannt werden. Das liegt hauptsächlich daran, dass sich Amerikaner einfach super verkaufen können. Wir wissen aber, dass es wahnsinnig tolle Vorbilder hier in Europa gibt. Vor allem auch Gründer, denen unser europäisches Modell der sozialen Marktwirtschaft näher liegt als den Amerikanern.
"Die deutsche Politik kann viel von den Franzosen übernehmen"
Die europäischen Start-ups sind sozialer? Wirklich?
Auch bei uns geht es natürlich um wirtschaftlichen Erfolg, hohe Bewertungen und auch darum, Geld zu verdienen. Aber fast alle erfolgreichen Gründer, die ich hier kennenlernen durfte, halten gleichzeitig wichtige unternehmerische Werte hoch und wollen nicht blind dem amerikanischen Vorbild mit all seinen Vor-, aber auch vielen Nachteilen, hinterherlaufen. Genau diesen Vorbildern wollen wir eine Bühne geben - und da gibt es über Frankreich hinaus noch viele weitere Länder in Europa, die folgen könnten.
Gibt es etwas, was deutsche Start-ups von französischen lernen können? Und umgekehrt?
Ich glaube vor allem, dass die deutsche Politik viel von den Franzosen übernehmen kann. Die Regierung um Emmanuel Macron hat gezeigt, dass sie mit der Initiative "Scale-up Europe" die Bedeutung der Start-up-Szene erkannt haben.
"Zusammenarbeit ist das größte Potenzial, das wir haben"
Wieso ist das wichtig? Sollte die Priorität nicht auf großen Unternehmen liegen, die viele Arbeitsplätze schaffen?
Einige der Start-ups von heute werden die DAX-Unternehmen von morgen sein. Sie schaffen mehr Arbeitsplätze als man glaubt und gehen auch oft unangenehme Themen wie den Klimawandel an. Vor allem verhindert ein starkes Ökosystem, dass wir hinter die Amerikaner oder China in den Tech-Industrien zurückfallen. Wenn wir weiterhin auf Augenhöhe sein wollen und auch in Zukunft europäische Standards und Regeln durchsetzen wollen, bedarf es neuer Unternehmen, die gemeinsam mit der Industrie und dem Mittelstand technologischen Wettbewerb vorantreiben. Die Start-up-Szene ist kein Spielplatz, sondern die Grundlage für zukünftigen europäischen Wohlstand.
Wieso ist es Ihnen so wichtig, den Standort Europa für Start-ups zu stärken?
Die Amerikaner haben vor etwa 80 Jahren die Grundlage für das Silicon Valley gelegt und damit für Tech-Unternehmen und deren Versorgung mit Risikokapital. China pumpt Milliarden in Schlüsseltechnologien wie künstliche Intelligenz oder 5G. Wenn wir da mitspielen wollen, kann es keinen französischen oder deutschen Weg geben, sondern nur einen europäischen. Die Zusammenarbeit ist das größte Potenzial, das wir haben. Damit können wir auf Augenhöhe mitreden.
Passiert in dieser Hinsicht denn genug?
Es geht seit ein paar Jahren in die richtige Richtung und es gibt jährlich neue Rekorde von investiertem Kapital - aber erst durch koordinierte Zusammenarbeit werden wir als Europa und als Deutschland auch in 50 Jahren wirtschaftlich da stehen, wo wir uns bisher wohlfühlen: ganz weit vorne.
"Dem Wiedersehen fiebern wir alle entgegen"
Auch in diesem Jahr ist die Coronalage ja noch nicht ganz absehbar. Wie wird Bits & Pretzels in diesem Jahr stattfinden?
Wir sind optimistisch, dass wir ein tolles Event veranstalten können. Die Impfquote unter unseren Teilnehmern dürfte deutlich höher sein als der Durchschnitt und wir haben nichts gegen sinnvolle Vorschriften. Wenn die Politik den Sommer über vernünftig weiterarbeitet, werden wir im September keine Probleme haben, wichtige berufliche Veranstaltungen durchzuführen. Hoffentlich auch die Wiesn.
Gibt es ein persönliches Highlight, auf das Sie sich besonders freuen?
Falls die Wiesn stattfindet, wird es natürlich umso toller sein, wieder mit 5.000 Gründern auf das Oktoberfest zu gehen. Aber auch so wird es einfach unbeschreiblich, wenn sich die Start-up-Szene endlich wieder treffen kann. Es sind so viele neue Unternehmen dazu gekommen und einige, die schon da waren, sind nun richtig groß mit mehreren hundert Mitarbeitern. So oder so, das wird ein großes Wiedersehen, dem wir alle entgegenfiebern.
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