Biotopia-Chef verteidigt Projekt: "Die ganze Welt beneidet uns"
München - Seit fast zehn Jahren wird an Biotopia, dem neuen Naturkundemuseum neben Schloss Nymphenburg, geplant. Inzwischen sollen die Kosten bei 200 Millionen Euro liegen.
Doch der Landtag hat dieses Geld noch nicht bewilligt, gleichzeitig sehen immer mehr Menschen das Museum kritisch. Warum es sich lohnt, Biotopia zu bauen, erklärt der Leiter Michael John Gorman im Interview.
AZ: Herr Gorman, etwa 1.100 Menschen haben für die Petition "Biotopia in Schloss Nymphenburg stoppen" unterschrieben. Warum muss es der Standort an der Schlossmauer sein?
MICHAEL JOHN GORMAN: Die Standortfrage stellt sich nicht. Es ist seit jeher so geplant, dass Biotopia das bestehende Mensch und Natur erweitert. Wir planen seit fünf Jahren an einem Ausstellungskonzept, das auf diesen Standort angepasst ist. Die Museumsbesucher können hinterher die Natur im Botanischen Garten oder im Schlosspark weiter beobachten. Mit über 150 Vogelarten ist das ein echter Biodiversitäts-Hotspot. Wir möchten ein Natur-Kultur-Quartier Nymphenburg schaffen - so ähnlich wie das Kunstareal.
Als Alternativstandort schlagen Kritiker das Areal um die Paketposthalle vor. Ihr Argument ist die gute Anbindung an die S-Bahn. In Nymphenburg sehen sie ein Verkehrschaos kommen.
Das Ergebnis einer Verkehrsuntersuchung ist, dass es nur ein Zeitfenster gibt, in dem ein Druck auf die verfügbaren Parkplätze besteht - an Sonntagnachmittagen. Zu allen anderen Zeiten ist die Situation überschaubar. Außerdem ist der Standort gut an die öffentlichen Verkehrsmittel angebunden. Zudem soll eine neue Bushaltestelle vor dem Schloss geplant werden.

Passt das moderne Museum zum Schloss?
Denkmalschützer befürchten, Schloss Nymphenburg könnte niemals Weltkulturerbe werden, wenn so ein modernes Museum so nah an die Schlossmauer angebaut wird.
Wir arbeiten eng mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege zusammen. Es würde es niemals zulassen, dass der Denkmalschutz gefährdet würde. Der Architekt Volker Staab wurde extra deshalb ausgewählt, weil er so viel Erfahrung mit sensiblen Bauvorhaben hat. Er hat auch das Richard-Wagner-Museum in Bayreuth oder das Albertinum in Dresden errichtet. Volker Staab hat die Kritik ernst genommen und seine Pläne immer wieder angepasst. Zum Beispiel hatte sein erster Entwurf in der Fassade keine Fenster. Das hat sich geändert. Auch die Farbigkeit hat er an das Schloss angepasst.
Doch das Gebäude, an dessen Stelle Biotopia gebaut werden soll, muss abgerissen werden.
Es geht um ein leerstehendes Institutsgebäude der Uni aus den 1960er-Jahren. Es steht nicht unter Denkmalschutz. Man kann es nicht verwenden, weil Asbest gefunden wurde. Man müsste es ohnehin abreißen. Oder soll es für immer leer stehen?
Nach neuesten Schätzungen soll Biotopia 200 Millionen Euro kosten. Dreimal so viel wie zu Beginn der Planungen. Wie ist das zu erklären?
Als ich nach München kam, lagen die Kosten bei knapp unter 100 Millionen Euro. Doch da gab es noch keine Pläne, auf denen man eine solide Kalkulation fußen konnte. Wir haben dann das Raumprogramm und einen realistischeren Zeitplan erstellt. Daraufhin kamen wir auf Kosten von 140 Millionen. Dass wir nun von 200 Millionen sprechen, ist auf die neuen Bauregelungen zurückzuführen, die die Art der Kostendarstellung für alle öffentlichen Gebäude ändern. Heute muss man mehr Risikopuffer und die Kostensteigerungen der nächsten Jahre in die Kosten einplanen. Durch unseren Förderkreis konnten wir Spenden in Höhe von fast zehn Millionen Euro einsammeln. Unser Ziel ist, zehn Prozent der Kosten so zu finanzieren.

Der Landtag will erst vor der Sommerpause über die Finanzierung entscheiden. Wie groß ist Ihre Angst, dass das Projekt doch noch scheitert?
Das ist ein schwieriges Jahr für alle öffentlichen Bauprojekte in Bayern. Wegen Corona herrscht ein enormer Druck.
Um Nachhaltigkeit bemüht
Viele fordern einen nachhaltigen Bau aus Holz statt Glas und Beton. Ist Ihr Museum noch zeitgemäß?
Uns ist Nachhaltigkeit wichtig: Das gesamte Obergeschoss ist innen aus Holz gebaut. Von der Energienutzung her ist das Gebäude 40 Prozent besser als der normale Standardbau. Es soll ein Museum entstehen, in dem sich nicht nur Menschen wohlfühlen. Im Museumsgarten wird zum Beispiel ein Biotop für Amphibien entstehen.
Sie kamen vor fünf Jahren aus Irland nach München, um das Museum aufzubauen. Aber der Bau hat noch nicht einmal begonnen. Was haben Sie in den letzten Jahren gemacht?
Als ich anfing, existierte nur eine grobe Idee, das Museum Mensch und Natur zu erweitern. Es gab noch kein Konzept, kein Raumprogramm. Wir haben die Ausstellung geplant. Gleichzeitig haben wir Festivals organisiert und das Biotopia Lab im Botanischen Garten eröffnet. Es soll als Zwischenstelle dienen, während das Museum Mensch und Natur geschlossen haben wird.
Biotopia soll ein modernes Naturkunde-Museum sein. Was heißt das konkret?
Das, was das Deutsche Museum im Bereich Technik ist, soll Biotopia für die Biologie und Umwelt sein. Unsere zentrale Frage wird sein, welche Beziehungen zwischen Mensch und Natur bestehen. Außerdem wird es um die Herausforderungen unserer Zeit wie Klimawandel, Gesundheit und Pandemien gehen.
Der Museumsleiter hasst Bildschirme
Wie wollen Sie den Besuchern dies in einem modernen Museum vermitteln? Bloß über Bildschirme und Videos?
Ich hasse Bildschirme. Es wird so wenig wie möglich davon geben. Dafür bauen wir ein Kindermuseum, Mitmachlabore, eine Gastronomie, einen Garten. Wir sind zwar kein Zoo. Aber die Besucher sollen möglichst viel über Lebewesen erfahren. Sie sollen auch Tiere und Pflanzen sehen. Zum Beispiel werden wir ein Korallenriff-Aquarium bauen. Auch unter Mikroskopen sollen die Besucher Insekten erforschen.
Heute stehen im Museum Mensch und Natur viele Präparate. Wird es die in Biotopia auch zu sehen geben?
Die Lieblingsstücke aus dem Museum wie Bruno der Bär werden zu sehen sein. Wir kooperieren mit der Zoologischen Staatssammlung, und werden auch Teile ihrer Schmetterlingssammlung ausstellen.
Wie viele Menschen arbeiten momentan an dem Aufbau von Biotopia?
Als ich nach München kam, gab es noch kein Team für die Planung. Jetzt ist es auf 25 Personen gewachsen. Aber schließlich wird das Museum auch einmal 13.000 Quadratmeter umfassen. Das ist fast dreimal so groß wie das Museum Mensch und Natur heute. Ich stehe regelmäßig in Kontakt mit Museumsleitern in aller Welt. Sie sind neidisch auf die einmalige Chance, die wir hier haben, ein Naturmuseum von Weltrang für München zu schaffen.
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