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Bergwerk im Deutschen Museum schließt für immer: "Bitter und traurig"

Nur noch vier Wochen, dann schließt das Bergwerk im Deutschen Museum. Kurator Andreas Gundelwein hat der AZ eine exklusive Führung gegeben, bei der er über Abschied und Geldmangel spricht.
Nina Job, Sigi Müller |
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Einer arbeitet mit Hammer und Meißel, einer fährt. Im Bergbau fährt man, selbst, wenn man eine Leiter benutzt.
Sigi Müller 9 Einer arbeitet mit Hammer und Meißel, einer fährt. Im Bergbau fährt man, selbst, wenn man eine Leiter benutzt.
Andreas Gundelwein ist Kurator des Bergwerks.
Sigi Müller 9 Andreas Gundelwein ist Kurator des Bergwerks.
Was wie Fels anmutet, ist meistens Gips.
Sigi Müller 9 Was wie Fels anmutet, ist meistens Gips.
Im Salzbergwerk gammelt es. Alles muss raus.
Sigi Müller 9 Im Salzbergwerk gammelt es. Alles muss raus.
Mit Funzel in einem Schacht.
Sigi Müller 9 Mit Funzel in einem Schacht.
Dieser Bergmann kommt nicht ins Depot: Er zieht ins Oberharzer Museum.
Sigi Müller 9 Dieser Bergmann kommt nicht ins Depot: Er zieht ins Oberharzer Museum.
Sind "heilig": Die Darstellungen der Menschen heißen Figurinen.
Sigi Müller 9 Sind "heilig": Die Darstellungen der Menschen heißen Figurinen.
Eindrücklich: Auch Pferde mussten unter Tage malochen.
Sigi Müller 9 Eindrücklich: Auch Pferde mussten unter Tage malochen.
Beliebt: der Faradaysche Käfig.
Sigi Müller 9 Beliebt: der Faradaysche Käfig.

München - Einmal fragte ein US-amerikanisches Ehepaar, wie man das denn geschafft habe, direkt über einem Bergwerk ein Museum zu bauen. Andreas Gundelwein, der Kurator der Bergwerksausstellung im Deutschen Museum, erzählt diese Anekdote lächelnd.

Auch wenn die Ausstellung in weiten Teilen 100 Jahre alt ist - alles ist natürlich nicht echt und original. Aber das Museumsbergwerk hat Generationen von Münchnern und Millionen Besuchern eindringlich vermittelt, wie es früher war, unter Tage zu schuften.

Andreas Gundelwein ist Kurator des Bergwerks.
Andreas Gundelwein ist Kurator des Bergwerks. © Sigi Müller

Das Bergwerk ist eine Ikone. Jeder dritte Besucher des Deutschen Museums taucht ein in die enge, düstere und bedrückende Welt, die bis zu zwölf Meter in die Tiefe führt. Es ist wohl diese Mischung aus Grusel, Staunen und Bewunderung für die Bergleute, die so viele Besucher fasziniert.

In vier Wochen wird die Ausstellung schließen. Der erste Abschnitt der Generalsanierung auf der Museumsinsel ist geschafft, nun kommt der zweite dran. Das heißt: Auch hinter den Felsen im Bergwerk, die zum großen Teil aus Drahtgeflecht und Gips nachgebaut wurden, muss saniert werden: Neue Lüftungstechnik, Rohre, Kabel und eine Sprinkleranlage braucht das alte Haus. Außerdem muss das Mauerwerk, das durch frühere Isar-Überflutungen schimmelt, trockengelegt werden.

Gundelwein: "Wir haben kein Geld. Wir bräuchten zehn Millionen Euro"

"Es ist traurig und bitter, dass wir mindestens zehn Jahre kein Bergwerk zeigen können", sagt Gundelwein. "Noch bitterer ist: Wir wissen nicht, ob und wann es wiederkommt. Wir haben kein Geld. Wir bräuchten zehn Millionen Euro." Damit wäre es die mit Abstand teuerste Ausstellung im Haus. An zweiter Stelle folgt die Physik, die fünf Millionen kostet.

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Selbst wenn sich ein Großspender findet, 1:1 wird das Bergwerk nicht zurückkehren. Dafür gibt es mehrere Gründe: "Die Technologie hat sich weiterentwickelt. Manches ist leider nicht korrekt", sagt Andreas Gundelwein. Auch an den Kulissen hat er manches auszusetzen.

"Wenn wir schon viel Geld ausgeben, würden wir es gern richtig machen"

Zum Beispiel an dem nachgebildeten Gestein: Spuren, die Hammer und Meißel dort hätten hinterlassen müssen oder auch Bohrlöcher - fehlen vielerorts. "Da fragt man sich als Betrachter, wie die Hohlräume entstanden sind", kritisiert der Kurator.

Doch auch fehlerhafte Kulissen wurden unter Denkmalschutz gestellt. Sie aufwendig auszubauen und jahrelang in Depots teuer aufzubewahren, hält Gundelwein für grundfalsch. "Wenn wir schon viel Geld ausgeben, würden wir es gern richtig machen", sagt er.

Gundelwein: "Die 5.000 Exponate sind uns heilig"

Sicher ist: Wenn ein neues Bergwerk kommt, hätte es weniger Fläche zur Verfügung als die 3.500 Quadratmeter bisher. "Nach der Sanierung werden es zehn Prozent weniger sein, weil wir Fluchttunnel und -treppenhäuser einbauen müssen", sagt Gundelwein.

Ab 29. Juni wird das Bergwerk Stück für Stück ausgebaut, 16 Monate sind dafür anberaumt. Die Nachbildungen von Bergarbeitern wie dem Stürzer, Maschinen, Loren, Meißel - alles verschwindet in Kisten. "Die 5.000 Exponate sind uns heilig", sagt Gundelwein. "Das ist Kulturgut. Es steht völlig außer Frage, dass wir sie für die Nachwelt aufbewahren." Die Frage ist: Wann werden sie wieder rausdürfen aus ihren Kisten?

Sanierung: Auch die Blitze-Show schließt

Ein zweiter Dauer-Publikumsmagnet im Deutschen Museum ist die Starkstromabteilung mit ihren Vorführungen, bei denen es blitzt und knallt - und der Person im Faradayschen Käfig trotzdem nichts passiert.

Beliebt: der Faradaysche Käfig.
Beliebt: der Faradaysche Käfig. © Sigi Müller

Auch diese Abteilung wird in vier Wochen geschlossen. Die gute Nachricht: Hier ist die Finanzierung gesichert. Wenn die zweite Hälfte des Museums voraussichtlich 2028 fertig saniert ist, wird diese Ausstellung wieder modernisiert öffnen - erneut mit Live-Vorführungen, aber mit mehr Lärmschutz.

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26 Kommentare
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  • zettelberg am 06.06.2022 09:32 Uhr / Bewertung:

    Es ist nicht dumm, zu wissen, dass es "Bergwerk" und nicht "Mine" heißt; auch Begriffe wie "malochen" und "Kumpel" sollten sogar im süddt. Raum verstanden werden. (Kohle-)Bergbau hat in D außerdem viel mit soziopolitischer Geschichte zu tun ...sowas lästiges wie 'Gewerkschaften' etc. hat damit zu tun... - man musste 1983 nur "Rote Erde" in der ARD kucken oder eben ins DM ins BW gehen. Das bisherige BW des DM zeigt "Arbeit" und nicht nur 'Technik' oder 'Faszination'; die Mittel dazu sind die lauten pressluftgetriebenen Maschinen und eben die dunklen engen Gänge aus Gips und Kohle dort. Das ist 'Geschichte"! - Überholtes Konzept? ...das Besondere am DM war (früher!) auch die gewachsene Diversität der Abteilungen; v.a. das BW ist wissens-/museumsgeschichtl. einzigartig. Armes DM, ames D, arme Münchner Schüler! Schade.

  • Bluto am 06.06.2022 00:29 Uhr / Bewertung:

    Folgende Idee:
    Angenommen, man stellt bei einer Renovierung fest, dass das definitiv gedeckelte Budget nicht für alle Abteilungen reichen wird.
    Und angenommen, man möchte trotzdem das extra Geld bekommen, um die Renovierung zu komplettieren.
    Welche Abteilung "opfert" man dann zunächst?
    Die populärste oder die unbekannteste?
    Bei letzterer wird das Ergebnis sein, dass man sich ohne großen Aufhebens verabschieden wird. Wer trauert schon Maßen und Gewichten oder der Textiltechnik nach.
    Verkündet man aber das Aus des Bergwerks, wird sich sicher ein Weg finden, das zu verhindern - wer will schon für das Ende des beliebtesten Exponate verantwortlich sein?
    Also: Immer mit der Ruhe, das könnte schlicht ein geschickter Schachzug sein.

  • glooskugl am 05.06.2022 15:14 Uhr / Bewertung:

    Für mich ist das Bergwerk ein Weltkulturerbe. Man kann kann mangels Zeit für alles viel auslassen, wenn man das deutsche Museum besucht, aber nie das Bergwerk.
    Da werden Gründe mit den Haaren herbei gezogen... woran liegt es wirklich?

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