Bergmesse hoch über München: Pfarrer Schießler feiert auf dem Dach

Audio von Carbonatix
Der improvisierte Altar steht vor einer grünen Wiese, im Hintergrund blöken die Schafe. Bienen schwirren den Besuchern neugierig um die Nasen. Soweit erinnert alles an eine übliche Bergmesse, einen Gottesdienst im Freien, wie ihn katholische Pfarrgemeinden in den Sommermonaten gern unternehmen. Doch lässt man den Blick schweifen, stößt dieser nicht auf sanfte Almweiden und Berggipfel, sondern auf – zugegeben, ebenfalls eindrucksvolle – Hochhausfassaden und ein Riesenrad.
Gottesdienst hoch über den Dächern
Etwa 250 Menschen haben sich an diesem Sonntag auf dem Flachdach im sechsten Stock des Werk3 eingefunden, um hier in luftiger Höhe über den Dächern des Werksviertels Bergmesse zu feiern.
Wer die 134 steilen Betonstufen zum Plateau auf immerhin 59 Metern oberhalb der Isar zu Fuß erklommen hat, hat durchaus ein paar Höhenmeter gemacht und auch die große Präsenz von Bergschuhen lässt ein gewisses Wanderfeeling aufkommen. Eingeladen zu diesem Gottesdienst am außergewöhnlichen Ort haben Pfarrer Rainer Maria Schießler und seine Gemeinde St. Maximilian.
Schießler: Der Pfarrer, der aus der Reihe tanzt
Es gibt wohl wenig, das Rainer Maria Schießler genau so macht wie unter seinen Arbeitskollegen üblich.
Der Münchner ist eben kein „normaler“ Pfarrer, sondern hat sich – nicht nur unter Katholiken – einen Namen gemacht als einer, der in vielerlei Hinsicht aus der Reihe tanzt.
Viele Jahre lang kellnerte der 64-Jährige während der Wiesn im Schottenhamel-Zelt und spendete seinen Verdienst. Seine Gemeinde St. Maximilian im Glockenbachviertel, der Schießler seit 1993 vorsteht, fällt immer wieder durch ungewöhnliche Aktionen auf. Schießler selbst schreibt Bücher, hat einen Podcast und hält auch sonst nicht gerade hinterm Berg mit seiner Meinung. Damit eckt er bei manchen an.
Für andere ist Schießlers Art gelebter moderner Glauben: Ein Vertreter einer Kirche, die nah bei den Menschen ist, die sich nicht an Hierarchien klammert, sondern auf Toleranz und die persönliche Verantwortung des Einzelnen setzt.
Bergmesse zwischen Tradition und Modernität
Dazu passt auch dieser Berggottesdienst mitten in der Stadt. Menschen aus allen Altersstufen sind gekommen, Kinder und Hunde sind dabei. Sie scharen sich auf Betonstufen, Bierbänken und Barhockern um einen schlichten Tisch als Altar. Die Erfahrenen haben Sitzkissen mitgebracht.
Die Ministranten wippen mit zur Musik der Combo Klaus Ammann, deren gekonnter Mix aus Kirchenmelodien und Swingklängen sich auch bei einem Tanz-Brunch gut machen würde. Im Hintergrund dreht sich sanft das Riesenrad "Umadum".
Die Stimmung ist gelöst, auch wenn das Wetter dem Bergthema alle Ehre macht und von Wind über Sonnenschein bis zu finsteren Regenwolken alles dabei ist.

Schießler und die moderne Kirche
Und Rainer Maria Schießler beweist, warum er so viele Menschen anzieht. Der Pfarrer spricht locker, er holt Tagesaktuelles hinein in den katholischen Ritus, der vor diesem Hintergrund nichts von einer drögen Frömmigkeit hat. Schießler erzählt von Menschen, die durch ihren Mut ermuntern, selbst aktiv zu werden, von dem südafrikanischen Friedensaktivisten Nelson Mandela bis zu Amnesty-International-Gründer Peter Benenson.
Er äußert sich zu den Kriegshandlungen im Gaza-Streifen, die Arbeit von Bundeskanzler Friedrich Merz und die Fußball-Europameisterschaft der Frauen, aber berichtet ebenso von seinen Erfahrungen als Schulbub in Laim oder erinnert sich an seine Zeit als Taxifahrer, als welcher er am Kunstpark Ost, der damals noch auf dem Gelände des Werksviertels Feiernde anzog, stets ein gutes Geschäft machen konnte.
Auch das Wetter spielt mit
Es gelingt Schießler, Themen des christlichen Glaubens ins Heute zu transportieren, ohne dabei anbiedernd zu wirken. Da wird die Einleitung schon einmal länger als die Lesung, doch die Besucher schätzen Schießlers Art. "Mit dem lieben Gott gibt es keinen Deal, aber auf eines kannst du dich verlassen: dass er immer da ist", gibt der 64-Jährige seinen Zuhörern mit auf den Weg.
Dem lieben Gott scheint’s ebenfalls zu gefallen, zumindest hält das Wetter: Nach ein paar wenigen Tropfen zwischendrin bleibt es bis zum Rausschmeißer der Band trocken auf dem Dach des Werk3.