Atzinger: Stammgäste kämpfen um Kultkneipe
MÜNCHEN - Ende Mai schließt die Kultkneipe in Schwabing. Die Kunden fürchten nun, dass ein "Glitzercafe" kommt. Was künftig anders ist in der Traditionswirtschaft.
Heinrich Maul trinkt seit 37 Jahren sein Bier im Atzinger und daran hat sich nie etwas geändert. Bis jetzt. Die Kult- Kneipe an der Schelling-/ Amalienstraße macht nach AZ-Informationen am 31. Mai endgültig zu. Dann wird im traditionellen Lokal einiges anders: Die Mitarbeiter – mit Köchen, Kellnern und Aushilfen sind es rund 20 Leute – bekommen gerade ihre Kündigungen zum 31. Mai. Ab dann wird die Wirtschaft laut Besitzer Löwenbräu umgebaut.
Unterschriften für das jetzige Flair
Heinrich Maul fürchtet jetzt um sein kleines Stück Tradition. Also hat der Gymnasiallehrer (56) gemeinsam mit 179 anderen Gästen eine Unterschriftenliste an die Brauerei geschickt. Sie fordern: „Der Atzinger muss sein jetziges Flair behalten!“ Ein Umbau und neue Bedienungen seien ein „großer Fehler“. Maul und die übrigen Stammgäste fürchten, dass aus dem Atzinger „ein Glitzercafé wird, so wie die anderen drum herum“, sagt er der AZ. „Bisher hatte ich dort immer ein Wohnzimmergefühl, ich kenne manche Bedienungen seit 14 Jahren. Immer ist jemand zum Ratschen da – man bleibt dort nie lange allein“, sagt Maul. Wenn jetzt ein neuer Pächter komme, könnte das alles bald vorbei sein.
Dabei ist noch gar nicht wirklich klar, wer das Traditionslokal übernimmt: „Unterschrieben ist noch nichts“, sagt Löwenbräu- Sprecherin Judith Friedl. Als Favorit gilt aber der Groß-Gastronom Ernst Neumayer („Alter Simpl“, „Fürstenegger, „Ysenegger“) – so hieß es schon vor einigen Wochen (AZ berichtete). So hat’s auch Heinrich Maul gehört. „Der macht doch eher 08/15-Läden“, mault er. Für ihn sei das nichts. „Und für die anderen Stammgäste auch nicht.“
Das Warten auf die Kündigung
Ob es Neumayer wird oder nicht: Im Atzinger ist die Stimmung seit Tagen gedrückt, vor allem bei den Angestellten. „Das ist schon bitter“, sagt Thekenmann Sigi Lorber. Er arbeitet seit 17 Jahren im Atzinger – und wartet wie die meisten seiner Kollegen jetzt auf seine Kündigung. „Schon ziemlich bedrückend“, meint Sigi. „Aber ändern kann man ja nix. Wir suchen uns halt einen neuen Job. Aber das alte Team wird zerrissen. Des is’ schon schad.“
Für einige wird’s wohl richtig schwer, was Neues zu finden. „Einer ist schon über 50. Der wird wohl nix finden. Für viele sind schon Leute über 30 nicht mehr in.“
Löwenbräu will zu den Kündigungen nichts sagen, zum Umbau aber schon. Laut Sprecherin Friedl soll der Laden nicht völlig neu aussehen. „Für den vorderen Gastraum gibt es ja Denkmalschutzauflagen“, sagt sie. „Wir wollen auch kein Glitzercafé“.
Thomas Gautier