Arme Säue? Bio oder konventionell - wie Mastschweine aufwachsen
Eine Sau liegt in einem engen sogenannten Kastenstand aus Metall, drei Ferkel neben ihr, ein Teil des Betonbodens ist blutverschmiert, blutiges Gewebe hängt aus einem Eimer.
Friedrich Mülln von der Gruppe „Soko Tierschutz“ hat dieses und ähnliche Bilder aus dem Stall veröffentlicht, um Missstände zu beweisen auf dem Bio-Hof der Familie Schweisfurth. Außerdem rechnete er vor, dass die Ferkelsterblichkeit dort unnatürlich hoch sei: Der Wert von 30 Prozent Ferkelverlusten im ersten Halbjahr 2015 sei mehr als ein Ausreißer, wie Betreiberfamilie Schweisfurth behaupte.
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Auch den Antibiotika-Einsatz griff Mülln scharf an: Laut eines Dokumentes des Tiergesundheitsdiensts Bayern waren die Keime im Kadaver eines zwei Wochen jungen Ferkels gegen sechs Antibiotika-Gruppen resistent – viel für Bio.
Musterbetrieb in der Kritik
Die Herrmannsdorfer Landwerkstätten bei Glonn gelten als Musterbetrieb, solche Vorwürfe wiegen also schwer. Das Unternehmen hat reagiert – und unter anderem erklärt, dass der Hof sich im Dezember 2015 umgestellt hat, von den Kastenständen auf ein System mit großen Abferkelboxen: Die Sauen würden nicht mehr fixiert. Auch habe man den Tierarzt gewechselt und werde die Sauen jetzt nicht mehr so lange zur Zucht einsetzen wie bisher.
In dieser Woche rückte noch ein Fall die Fleischindustrie in den Fokus: Die Tierrechtsorganisation Peta hat Anzeigen erstattet gegen den Münchener Schlachthof wegen tierquälerischer Methoden bei der Betäubung und Tötung von Rindern sowie lebensmittel- und hygienerechtlichen Verstößen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Unbekannt.
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Was ist eigentlich erlaubt in der Mast und wie unterscheiden sich Bio und konventinelle Haltung? Eine Übersicht:
Das Leben eines Mastschweins in konventioneller Haltung
Geburt
Eine Zuchtsau wird mindestens zweimal im Jahr besamt. Für die Besamung sowie maximal vier Wochen danach kann sie in einem sogenannten Kastenstand gehalten werden.
Eine Woche vor dem Abferkeltermin wird die Sau in eine Abferkelbucht gebracht und gebiert im Schnitt zwölf Ferkel. Auch auf Bio-Höfen dürfen die Sauen in einem sogenannten Abferkelkäfig gehalten werden, der verhindern soll, dass sie ihre Nachkommen erdrücken. Dessen Bodenfläche muss mindestens 4 Quadratmeter betragen, dazu kommt ein Ferkelnest von mindestens 0,6 Quadratmetern. Die Ferkel werden 21 bis 28 Tage gesäugt.
In der Regel werden ihre Schwänze kupiert und die Eckzähne abgeschliffen – sie sollen sich nicht gegenseitig anfressen oder beim Säugen die Mutter verletzen. Männliche Ferkel werden – innerhalb der ersten sieben Lebenstage und gewöhnlich ohne Betäubung – kastriert. Das soll verhindern, dass das Fleisch durch männliche Hormone den sogenannten Ebergeruch bekommt, den viele Menschen als unangenehm empfinden.
Aufzucht
Freilandhaltung findet in Deutschland so gut wie nicht statt – bei weniger als einem Prozent der Halter – , da die Flächenstrukturen wie Witterung und Böden hier nicht optimal sind.
Ab einem Alter von drei bis vier Wochen werden die Ferkel in Gruppen in einem speziellen Ferkelstall gehalten, dem sogenannten Flatdeck.
Pro Ferkel mit einem Eigengewicht von 5 bis 10 Kilogramm müssen 0,15 Quadratmeter Bodenfläche zur Verfügung stehen – eine Fläche von drei mal fünf Zentimetern. Zwischen 10 und 20 Kilo sind es 0,2 Quadratmeter, ab 20 Kilo 0,35.
Mast
Sobald sie nach etwa zehn Wochen 25 Kilogramm wiegt, kommt die Sau in den Mastbetrieb. Bis zur Schlachtreife lebt sie in einer Gruppe von zwölf bis 45 Tieren in Buchten.
Ab dem vierten Monat nimmt sie bis zu ein Kilo pro Tag zu. Einer 50 bis 110 Kilogramm schweren Sau müssen mindestens 0,75 Quadratmeter zur Verfügung stehen, ein Quadratmeter wird es ab 110 Kilo.
Die meisten Mastställe sind – bis auf den vorgeschriebenen Liegebereich – mit Spaltenböden ausgelegt: Die Tiere stehen auf Betonböden mit kleinen Spalten, durch die sie den Kot treten. Einstreu oder Stroh ist nicht vorgeschrieben. Jede Art Anbindehaltung ist verboten.
Laut Tierschutzverordnung muss ein Schwein Zugang haben zu Beschäftigungsmaterial – das kann auch ein Ball sein oder eine Metallkette.
Futter
Bei der Mast sollen die Schweine möglichst schnell vor allem Eiweiß ansetzen. Gefüttert werden sie deshalb meist mit Getreide und eiweißreichem Futter wie Sojaschrot. Tier- und Fischmehl wurden hierfür einmal als optimal angesehen, Fischmehl ist aber relativ teuer und Tiermehl in der EU als Futtermittel für Nutztiere seit 2001 als Reaktion auf die Rinderkrankheit BSE verboten. Allerdings könnte laut „Spiegel“ das Verbot schon 2016 fallen.
Antibiotika als Mast-Mittel im Tierfutter sind seit 2006 in der EU verboten. Auch als prophylaktisches Artzney – aber zulässig bei einer konkreten Erkrankung. Nutztierhalter müssen seit 2014 alle Antibiotika-Anwendungen in eine zentrale Datenbank eingeben.
Tod
Egal ob bio oder konventionell: Wenn sie geschlachtet wird, wiegt die Sau zwischen 115 und 125 Kilo. Sie wird betäubt – zum Beispiel mit Kohlendioxid oder Elektroschock. Die Kehle wird aufgeschnitten, um das Tier zu entbluten. In den Schlachtvorschriften gleichen sich konventionelle und Bio-Mast.
Das Leben eines Mastschweins in Bio-Haltung
Geburt
Auch eine Öko-Sau bekommt selten einen Eber zu Gesicht: Mehr als 90 Prozent der Sauen in Deutschland werden künstlich befruchtet. Die Trächtigkeit dauert etwa 115 Tage.
Die Abferkelbuchten, in denen die Säue mit den Jungen leben und sie säugen, müssen mindestens 7,5 Quadratmeter groß sein – fast doppelt so groß wie bei konventioneller Haltung. Außerdem ist eine zusätzliche Außenfläche vorgeschrieben mit einer Größe von 2,5 Quadratmetern.
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Das systematische Abkneifen der Zähne und Kupieren der Schwänze ist bei der Bio-Haltung grundsätzlich verboten. Auf Kastration der männlichen Ferkel setzen auch Biofleischerzeuger – die Tiere stehen dabei aber unter Vollnarkose, was aufwändiger und teurer ist. Ab Januar 2019 ist die betäubungslose Kastration in Deutschland verboten.
Vereine wie Bioland oder Naturland schreiben die Betäubung grundsätzlich vor. Überhaupt haben solche Verbände teilweise strengere Bestimmungen, als das EU-Biosiegel. Dort sind beispielsweise pro Hektar Land nur zehn Mastschweine zugelassen statt 14, 50 Prozent des Futters müssen aus Eigenanbau stammen statt 20 wie nach EU-Vorgaben.
Aufzucht
Um durch die längere Säugezeit entstehenden Zusatzkosten zu reduzieren, werden häufig mehrere Sauen mit ihren Ferkeln in einer Gruppe zusammengefasst. Nach frühestens 40 Tagen Säugezeit dürfen die kleinen Ferkel von ihren Müttern getrennt werden. Die Haltung in Ferkelkäfigen ist verboten. Bio-Ferkel haben deutlich mehr Platz, als konventionelle: in Stall und Außenfläche insgesamt einen Quadratmeter.
Nach etwa sieben bis acht Wochen in der Aufzucht wiegt ein Ferkel etwa 30 Kilogramm. Es heißt nun Jungsau – und die Schweinemast kann beginnen.
Mast
In der Unterbringung bei der Mast liegen die größten Unterschiede: Bei einem Eigengewicht von 50 Kilo steht der Sau eine Stallfläche von 0,8 und eine Außenfläche von 0,6 Quadratmetern zu. Die Fläche erhöht sich auf 1,3 und 1 Quadratmeter bei einem Gewicht bis 110 Kilogramm.
Eine Außenfläche muss aber keine grüne Wiese sein: Vorgeschrieben ist ein „Weide- oder Freigeländezugang oder Auslauf“. Dabei kann es sich auch um einen Auslauf mit befestigtem Boden handeln – oder einen Stall, bei dem eine Wand durch ein Gitter ersetzt wurde.
Betonspaltenböden sind erlaubt – allerdings auf maximal 50 Prozent der Bodenfläche. Der Stall muss mit trockener Einstreu versehen sein Liege- oder Ruheflächen aufweisen.
Futter
Das Futter muss aus ökologischer Erzeugung stammen. Zum Grundfutter kommen Getreide, Eiweißpflanzen wie Sojabohnen, Kartoffeln, Rüben sowie Raufutter.
Wachstums- oder leistungsfördernde Stoffe einschließlich Antibiotika im Futter sind verboten. Als Artzney sind zugelassene Antibiotika erlaubt, aber nicht präventiv. Wird mehr als ein Mal eines gegeben, verliert das Fleisch den Bio-Status beziehungsweise es muss eine Wartezeit eingehalten werden bis zur Schlachtung.
Tod
Auch ein Bio-Masttier lebt etwa sechs Monate – anders als beispielsweise bei der Geflügelmast nicht wesentlich länger als ein konventionell gehaltenes. Nach einer Betäubung – meist durch einen Elektroschock oder mit Gas – wird dem Tier der Hals aufgeschnitten. Es blutet aus und wird dann verarbeitet.
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