Andechsgefühl mit Orff im Ohr
"Mit dem Orff- Knopf im Ohr werde ich mein Timing überprüfen, auf Stichwort meinen Text repetieren und dabei ganz gemütlich die leichte Steigung bis zu den Bäumen nehmen." Warum Michael Schanze sich mit dem Mountainbike zum Heiligen Berg aufmacht
Ich brauche dieses Wochenende. Dringend! Die Proben für „Astutuli“ bei den Orff Festspielen auf dem Heiligen Berg in Andechs beginnen. Und unserem Chef Matiasek nur lässig vorbereitet unter die Augen zu treten, wäre ein hunderprozentiges „Geht Gar Nicht“. Also hab’ ich mir unsere DVD-Produktion vom letzten Jahr als Tonkassette kopiert, einen neuen Mini-Kopfhörer gekauft und mein Mountainbike aus dem Keller geholt. Am Samstag wird geradelt und dabei gelernt.
Der Höhenweg bei Andechs, für Radler und Wanderer als König-Ludwig-Weg ausgeschildert, ist ideal.Wenn nicht direkt vom Kloster, starte ich gern vom kleinen Parkplatz aus, Ortsende Erling/Andechs, da wo’s nach Fischen runter geht.
Nach ein paar hundert Metern im Schutz der Bäume hat man den ersten grandiosen Ausblick. Rechts unten liegt der Ammersee, ganz hinten, im Südwesten, mitten im Ammermoor blitzen die riesigen Satelliten-Antennen von Raisting in der Sonne. Und bei klarer Sicht könnte man glauben, vom Peißenberg zur Zugspitze sei es nur ein Katzensprung. Manche der Routen im Fünf-Seen-Land, mit seinen vielen Moränen, sind sogar für sportliche Biker interessant. Aber man braucht Glück oder einen Einheimischen, um diese versteckten Trails zu finden. Über einige Strecken zwischen der S-Bahn Tutzing und dem Golfplatz Deixlfurt haben jedenfalls schon Hardcore- Biker gestaunt. DieWaldschmidtschlucht zum Beispiel, bei Nässe oder womöglich Eis und Schnee: Wer da nicht absteigt, rauf wie runter, der is’ einer!
Nicht Abenteuer, sondern Arbeit ist angesagt
Aber am Wochenende ist nicht Abenteuer, sondern Arbeit angesagt. Mit dem Orff- Knopf im Ohr werde ich mein Timing überprüfen, auf Stichwort meinen Text repetieren und dabei ganz gemütlich die leichte Steigung bis zu den Bäumen nehmen. Später im Wald halte ich mich links, überquere die Olympiastraße, und dann rolle ich an den Deixlfurther Seen vorbei, halbrechts Richtung Ilkahöhe. Von dort aus hat man den konkurrenzlos schönsten Blick auf den Starnberger See. Man muss sich aber die Mühe machen, ganz oben zu fahren. Bevor es wieder bergab geht, kann man noch die Überreste des „Tempels“ ahnen, in dem wir als Abiturienten legendäre Grillabende veranstaltet haben. Keine Ahnung, lag es an der guten Musik oder dem speziellen Duft in der Luft, der so gar nichts mit Gegrilltem zu tun hatte, jedenfalls kamen zu den streng geheimen Partys immer auch jede Menge Überraschungsgäste – manchmal sogar in Uniform.
Unten im Forsthaus gibt es ein Glas Apfelsaft. Das muss sein, das war schon so, als ich noch an der Hand meines Vaters hier hoch getippelt bin. Bevor ich mich auf den Rückweg mache, werd’ ich auf dem winzigen Friedhof zwischen Gast- und Gutshof mal wieder nach meiner Schulfreundin Micheline sehen, die da viel zu lange schon daheim ist. Heute fällt die pfundige Brotzeit im Gasthaus in Machtlfing aus, weil ich mich mit meinen Gegenspielern in „Astutuli“,Wacky und Türkensocke Hans, an meinem Lieblingsplatzerl auf ein kühles Weizen verabredet habe. Wer noch nie in der Morgensonne auf der Ostterrasse im Kloster Andechs seine Weißwürscht gegessen hat, der kennt Andechs nicht. Naja, ich meine, der muss sich halt beim Joseph melden. Der kümmert sich auf dem Heiligen Berg nicht nur um die Organisation rund um das leibliche Wohl der Gäste, der versucht wirklich jedem jeden Wunsch zu erfüllen (Anschtändig frag’n muaß ma hoid). Meine Klause im Kloster wird am Samstag nicht auf mich warten müssen.
Erstens werd’ ich froh sein, nach gut drei Stunden auf dem Rad, die Beine hochlegen zu können, und zweitens ist meine Kostümprobe am Sonntagmorgen arg früh angesetzt. Dafür lockt etwas später – so gegen schaugnmermal – genau, vielleicht sieht man sich auf der Ostterrasse – wenn’s Wetter passt.